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Die Frage nach dem Aufbau des Bühnenbilds – was wird gezeigt? London oder Minsk? Oder beides? Oder vielleicht doch ganz anders? – ließ sich vor zwei Wochen noch nicht beantworten.
Mittlerweile wissen wir von dem Bühnenbildner Nikolaus Porz, dass der Aufbau auf der Bühne zwei Seiten hat, die beide ihre Bedeutung haben. Die Rückseite – grau, porös und abgewrackt – die von Anna geliebte Heimatstadt Minsk. Die Vorderseite London steht für klar, sauber und weiß – aber ohne Wohlfühlatmosphäre für Anna.
Im Vergleich anhand der Bilder sieht man, dass sich seither einiges getan hat. Der untere Bühnenteil, der für „draußen“ steht, wurde jetzt mit dem oberen Teil, der „drinnen“ verkörpert, in der Montagehalle zusammengefügt. Die Verteilung der Seiten sind nun auch deutlich zu erkennen.
Auch die Seitenwände, die links und rechts noch angefügt werden, sind schon fertig.
Nur noch knappe drei Wochen bleiben bis zur Uraufführung von „Minsk“. Seit Ende Januar laufen die szenischen Proben. Auf der Probebühne in der Austraße sprach Dramaturg Johannes Frohnsdorf mit Countertenor Niklas Romer, der den Part des Fyodor singt.
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Der erste Kultur-Tweetup eines Stadttheaters in Deutschland findet am Sa, dem 16.02.2013, um 9:45 Uhr zu einer Probe der Oper Minsk (UA) im Großen Haus des Theaters Heilbronn statt! Anmeldung an @theat_heilbronn oder @KultUp auf twitter oder an schroeder@theater-hn.de Wer auf Twitter dem Hashtag #kultup folgt, wird bereits ab dem 21.01.2013 mit Neuigkeiten versorgt, kann am Veranstaltungstag so den Tweetup verfolgen und sich auch aktiv ins Gespräch einbringen. Wer selbst keinen Twitter-Account besitzt, kann die Tweets über die Twitterwall verfolgen: http://kultup.tweetwally.com
Es ist Donnerstag Nachmittag, 14 Uhr, der „MuFu“, Multifunktionsraum, der Wartbergschule verwandelt sich langsam in ein „Filmstudio“, die Leinwand steht bereits am hinteren Raumende und Beya zieht die Vorhänge zu, damit man den Film besser sehen kann. Die 15 Schülerinnen und Schüler der Theater AG, die von Simone Jörg und Uli Eisele geleitet wird, nehmen auf den im Kreis aufgestellten Hockern Platz, um einen weiteren Schritt in der Produktion ihres Filmes zu machen. In den letzten Wochen haben die Jugendlichen, die in der Wartbergschule die Klassen 7 bis 9 besuchen, unter dem Projekttitel „Dasein: Heilbronn“ mit ihren Handykameras Orte gefilmt, an denen sie sich fremd fühlen, und solche, an denen sie zu Hause sind. Mit Hilfe des Filmemachers Jonas Dietz haben sie aus diesen vielen kleinen Einzelepisoden einen Film zusammengeschnitten, der dem Betrachter zeigt, was die Jugendlichen an bestimmten Orten in ihrer Stadt empfinden und was wichtig ist, damit ein Platz Geborgenheit und Sicherheit vermittelt und als „gut“ empfunden wird. Doch trotz der sehr persönlichen Bilder und Gedanken der Schüler, ist der Film noch irgendwie emotionslos. Hier kommen nun die Musiker Stephan Schubert, Johannes Hehrmann, Irene Lachner, und Georg Oyen ins Spiel. Sie sind Musiker des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn und haben ein Streichquartett gebildet, das sich aus erster und zweiter Geige, Bratsche und Cello zusammensetzt. Viele der Schüler hören dies zum ersten Mal und haben auch sonst noch nie Kontakt mit klassischer Musik gehabt – eine Begegnung von zwei unterschiedlichen Welten. Die Musiker haben sich den Film der Schüler angeschaut, überlegt, welche Musik vielleicht dazu passen könnte, und ein großes Paket mit musikalischen Vorschlägen mit in den „MuFu“ gebracht. Gemeinsam überlegen nun alle, welche Musik zu welchen Filmszenen passt, ob das Stück vielleicht ein bisschen langsamer besser geeignet wäre oder an manchen Stellen ganz schnelle Tonfolgen verdeutlichen, was der jeweilige Kameramann gefühlt hat. „In dem Haus hat mein Vater gewohnt, aber jetzt lebt er nicht mehr in Deutschland. Früher bin ich oft nach der Schule da hin, aber jetzt kann ich das nicht mehr.“ Kristina erzählt eine wichtige Wende in ihrem Leben in einigen wenigen Sätzen. Klar ist sie traurig, dass ihr Vater weg ist, aber sie hat gelernt sich mit der Situation zu arrangieren. Musiker und Schüler reden über all diese kleinen und großen Schicksale, über Orte und Momente, in denen sie sich „fehl am Platz“, „allein gelassen“ oder auch „genau richtig an Ort und Stelle“ gefühlt haben. „Ich bin jedes Wochenende in der Moschee. In den Ferien sogar fast jeden Tag. Wir lesen dort im Koran und manchmal gibt es kleine Feste.“ Silan weiß wo sie sich aufgehoben fühlt – ein guter Ort, der ihr Geborgenheit gibt. Neben der ganz persönlichen Bedeutung von „Heimat“ und „Fremde“ lernen die Jugendlichen aber auch konkretes Handwerkszeug: „Wie funktioniert klassische Musik?“, „Wie mache ich einen Film?“, „Was macht eigentlich ein Berufsmusiker den ganzen Tag“? und „Wie bekomme ich einen Ton aus dem Cello heraus?“. Manchmal schweifen sie auch einfach ab und unterhalten sich über Haustiere und Lieblingsessen, aber auch das ist spannend und oft richtig lustig!
Das Württembergische Kammerorchester Heilbronn möchte in einer Stadt wie Heilbronn, in der 46 Prozent der Einwohner eine Zuwanderungsgeschichte haben, Angebote für alle Einwohner entwickeln. „Dasein: Heilbronn“ ist das erste Projekt für Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte, das dank der Förderzusage des Innovationsfonds des Landes Baden-Württemberg realisiert werden kann. Projektleiterin Katharina Gerhard und die verantwortlichen Lehrer der Wartbergschule haben es sich zum Ziel gemacht, die Jugendlichen für den eigenen Lebensraum zu sensibilisieren und ein Selbstbewusstsein in der gesellschaftlichen Migrations-Debatte zu schaffen. Darüber hinaus sollen Verständnis für den Beruf des Musikers geweckt werden, die Techniken zum Erstellen von Video und Soundtrack sowie Aufführungsdisziplin und Verantwortung für das künstlerische Produkt vermittelt werden. „Heimat“ und „Fremde“ sind hierbei stets zentrale Begriffe, mit denen die jungen Heilbronner auf unterschiedlichen Ebenen umgehen. So lernen sie, dass man auch in der Heimat fremd und in der Fremde heimisch sein kann.
Ausgangspunkt des Projektes ist die Uraufführung von Ian Wilsons Oper „Minsk“, die in einer Kooperation von Württembergischem Kammerorchester und Theater Heilbronn entsteht und am 3. März 2013 zur Premiere kommt. Unmittelbar vor der Uraufführung wird die vertonte Version des Filmes „Dasein: Heilbronn“ um 18.30 Uhr im Theater Heilbronn öffentlich gezeigt werden. „Ich bin sehr gespannt, ob die Leute die Orte, die wir gefilmt haben, kennen!“ Wie Ogulcan, so machen sich einige der Schüler bereits jetzt Gedanken, wie die Filmpremiere beim Publikum ankommt – ein Highlight aber, und das ist jetzt schon sicher, ist die musikalische Livebegleitung zum Film!
3. März 2013: Filmpremiere mit Live-Musik im Foyer des Theaters Heilbronn; 18.30 Uhr im Theater Heilbronn; anschließend Premiere von „Minsk“
(Eine Kooperation mit der Wartberg-Schule und dem Theater Heilbronn)
Der erste Kultur-Tweetup eines Stadttheaters in Deutschland findet am Sa, dem 16.02.2013, um 9:45 Uhr zu einer Probe der Oper Minsk (UA) im Großen Haus des Theaters Heilbronn statt! Anmeldung an @theat_heilbronn oder @KultUp auf twitter oder an schroeder@theater-hn.de Wer auf Twitter dem Hashtag #kultup folgt, wird bereits ab dem 21.01.2013 mit Neuigkeiten versorgt, kann am Veranstaltungstag so den Tweetup verfolgen und sich auch aktiv ins Gespräch einbringen. Wer selbst keinen Twitter-Account besitzt, kann die Tweets über die Twitterwall verfolgen: http://kultup.tweetwally.com
Grau sind nicht nur Teile des Bühnenbildes von Minsk, sondern auch die Kleidung der Darsteller. Graue Kostüme als Sinnbild für die anonyme Masse an Menschen, die einem begegnet, zu der man keinen Kontakt herstellen kann.
Erste fertige Kostüme habe ich in der Schneiderei begutachten dürfen. Wie fleißige Bienchen arbeiten die Schneiderinnen jetzt nun schon seit Mitte Dezember an den Kostümen von Minsk.
„Es dauert ungefähr 1-2 Tage bis ein Mantel fertig ist.“, verraten sie. Verwendet wurde Filz und Watte zum Polstern.
Es werden Kostüme neu entworfen und genäht, zum Teil wird auch vorhandene Kleidung aus dem Fundus verwendet. Dabei stellt der Kostümbildner von Minsk, Nikolaus Porz, eine Auswahl zusammen, welches Kostüm am besten zu dem jeweiligen Schauspieler und zu seiner Rolle passen könnte. Die letzten Feinabstimmungen werden jedoch meist kurz vor der Premiere getroffen, da man erst im Zusammenspiel von Bühne, Licht und Kostüm sieht, ob alles zusammenpasst. Das passiert ungefähr 1-2 Wochen vor der Premiere.
Selina Rothenhöfer, Azubi
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Die Korrepetitorin merkt an, „das sind alles Reflexe, was ich hier spiele“, und kreist mit der rechten Schulter, um ihren Arm zu lockern. Diese Reflexe, die sie da aus den Handgelenken schüttelt, das sind Töne aus dem Klavierauszug von „Minsk“, rhythmische Gruppen, die sich wiederholen, Einwürfe schneller Sechzehntelnoten. „Reflexe“, kleine Felder auf dem Papier gefüllt mit viel Druckerschwärze: voller Information, doch mit einem Blick erfasst. Den Rest machen die Hände – automatisch.
Obschon das „nur“ Klavierklänge sind, Andeutungen eines Orchesterklangs, der einmal zu hören sein wird, eine Orientierung für Sänger und Statisten, die an diesem Samstag szenisch proben – in den originalen Tempi, durch Akzent und Dynamik werden hier Noten zu Musik. Vorwärtstreibend, beengend, leise und unheimlich, übermütig – eine ungeheuer gestische Musik kündigt sich im Spiel der Korrepetitorin an. Es sind die Vorgänge im Inneren der Figuren, Anna, Anoushka, Fyodor, es sind Stimmungen von Orten und Erinnerungen, denen der britisch-irische Komponist Ian Wilson einen Klang verliehen hat – einen Klang, den noch niemand im Original gehört hat, auch Wilson nicht. Erst die Uraufführung am 3. März im Theater Heilbronn wird seine Komposition im eigentlichen Sinn offenbaren.
Streichorchester und Schlagzeug des Württembergischen Kammerorchesters werden den instrumentalen Part der Oper übernehmen; Wilson hat die Oper, die eigentlich für eine kleinere Besetzung mit Instrumenten wie Klarinette, Trompete, Akkordeon und Balaika instrumentiert war, für die Uraufführung umgearbeitet, was jedoch mehr war als eine pragmatische Anpassung. In gewisser Weise kommt die neue Besetzung sogar Wilsons Intention der Wirkung des Stücks entgegen. Die ursprüngliche Besetzung habe relativ direkt die Traum- bzw. Gedankenwelt Annas illustriert. Eine andere Besetzung, die mit den ihr eigenen Mitteln den Klang der ursprünglich geplanten Instrumente nachvollziehe, habe den Vorteil, dass so immer auch eine Entrücktheit mitschwinge, etwas, das für Traum und Gedankenwelt einer Person, das für einen anderen Bereich von Wirklichkeit steht.
Wilson beschreibt die Bearbeitung der Partitur von „Minsk“ als „eine interessante Erfahrung, sich wieder mit einem Stück zu beschäftigen, das ich seit einigen Jahren nicht mehr angeschaut hatte.“ „In gewisser Weise musste ich es wie ein historisches Artefakt behandeln, wie etwas, dessen Charakter ich bewahren musste. Sogar wenn ich versuchte, alles umzuändern, versuchte ich eigentlich, alles so zu belassen, wie es war, wenn Sie verstehen, was ich meine.“ Es ging ihm darum, Klangfarben in die neue Fassung zu „übersetzen“.
Für sein Werk – mit seinen nicht einmal fünfzig Jahren hat er bereits annähernd 130 Stücke für die verschiedensten Besetzungen geschrieben – sei „Minsk“ nicht repräsentativ, sagt Wilson selbst. Überhaupt könne er sich kaum vorstellen, ein für seine Arbeit repräsentatives Stück zu benennen, gehe er doch an jede Partitur neu heran und suche nach einer dem jeweiligen Stück angemessenen Sprache. Die Frage nach einer gewissen Nähe von „Minsk“ zur Minimal Music weist Wilson sehr bestimmt zurück. Hinter keinem seiner Stücke stünden Gedanken im Sinn der Minimal Music und ihrer Kompositionsverfahren. Wiederholung setze er in aktionsreicher Musik ein, um dem Hörer Halt zu geben. Stil, verstanden als wiedererkennbare Handschrift eines Künstlers, interessiert Wilson nicht. Er gehört zu jenen Künstlern, die nicht wollen, dass man von ihm erwartet, eine bestimmte Ästhetik zu bedienen.
Ian Wilson (*1964 im nordirischen Belfast) ist ein im Vereinigten Königreichen und auf dem europäischen Kontinent etablierter Komponist Neuer Musik. Zu seinem vielseitigen, umfangreichen Werk gehören zwei Opern, „Hamelin“ (2003) und Minsk (2005/06), zu denen die Dichterin Lavinia Greenlaw jeweils das Libretto verfasste.
Johannes Frohnsdorf, Dramaturg
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Die englische Dichterin Lavinia Greenlaw (Librettistin von „Minsk“)
“Ich war ein kurzsichtiges, geistig abwesendes Kind, das immer gegen das Problem anrannte, wo es sich befand, was es anschaute, was es vor sicht hatte: ‘Ich kann nicht sehen, ich kann mir keinen Begriff machen.’“, erinnert sich die englische Dichterin Lavinia Greenlaw, die das Libretto zur Oper „Minsk“ verfasst hat. Heute gilt sie als eine Meisterin der Wahrnehmung, der Beschreibung von Raum, Licht und Wasser. Sie selbst versteht das nicht als Widerspruch, eher könnte man einen Zusammenhang vermuten:
Mich hat immer der Moment interessiert, in dem wir versuchen, die Dinge zu bestimmen. Als ich begriff, dass das Sehen nur zur Hälfte mit dem zu tun hat, was physisch da ist und dass die andere Hälfte davon abhängt, was man zu sehen erwartet, war ich fasziniert. Astronomen sehen im Weltraum einen Haufen Sterne und sagen: ‚sieht aus wie ein Krebs.’ Also nennen sie ihn Krebs-Nebel.
Im Zentrum von Greenlaws Arbeit stehen ihre Gedichte. Als Lyrikerin begann sie ihre Laufbahn, veröffentlichte bisher vier Gedichtbände, aber auch zwei Romane, Essays und Bearbeitungen für das Radio. Häufig verwendet sie in ihren Texten Fragmente aus ihrem eigenen Leben. In London geboren, verbrachte sie ihre Jugend auf einem Dorf in Essex. In ihrem ersten Roman, der auf deutsch unter dem Titel „Die Vision der Mary George“ erschien, nimmt sie die ostenglische Landschaft in ihre atmosphärischen Beschreibungen auf. Zur Welt der siebzehnjährigen Mary George gehören aber auch Punk- und Popmusik der Siebzigerjahre in der Provinz. Greenlaw berichtet in einem Interview, in ihrer Jugend sei sie der einzige Punk im Ort gewesen. Einer ihrer Essays trägt den Titel „The Importance of Music to Girls“. Greenlaw spürt allerdings auch eine große Affinität zur Bildkunst, schreibt über Kunst der Moderne und des 17. Jahrhunderts, nutzt Musik und Bildende Kunst aber auch, um sich eine Auszeit von der Sprache zu verschaffen. Sprache fasziniere und frustriere sie gleichermaßen: „Ich wünschte, ich könnte ohne Sprache das tun, was ich tue.“
In ihren Gedichten verbindet sie, die aus einer Familie von Naturwissenschaftlern stammt, (beide Eltern waren Ärzte) eine sehr subjektive Sicht mit Elementen aus den großen Wissenssystemen der Naturwissenschaften, der Astronomie, der Geographie und Geschichte. Dabei entsteht ein eigentümliches Ineinander verschiedener Auffassungen von Wirklichkeit. Dazu trägt auch die Vielfältigkeit der Sprachspiele bei. So verfasste sie als Artist in Residence am Londoner Science Museum das Gedicht „Iron Lung“ über eines der Exponate des Museums. Die Beschreibung der Eisernen Lunge, des Gerätes zur äußeren Beatmung eines Menschen, weckt auf faszinierend-befremdliche Weise die Ahnung einer menschlichen Berührung. Auf Youtube kann man anschauen, wie Greenlaw das Gedicht liest und kommentiert: „Ich gebe vor, es sei ein Wissenschaftsgedicht, eigentlich ist es aber ein Liebesgedicht. Jemand atmet für dich. Was könnte ein stärkeres Bild für Liebe sein?“ Die Sicht auf die Dinge gerät in Greenlaws Gedichten in Unruhe, in Bewegung. Die Bedeutung ‚schwebt’ sozusagen – entzieht sich, zieht sich zurück an einen Punkt vor dem Begreifen. Diese Textgebäude sind nicht direkt zugänglich. Man kommt nicht schnell in sie hinein, rutscht zunächst an ihrer Oberfläche ab. Doch man will nachlesen, das Schweben spüren, die ungeheuere Musikalität dieser Texte auskosten.
Das Grundmotiv von „Minsk“, den Gang ins Innere eines Menschen mitten in einer alles andere als intimen Umgebung, öffentlich, voller Bewegung und Veränderung, griff Lavinia Greenlaw 2011 noch einmal auf: in der Klanginstalltion „Audio Obscura“, für die sie den Ted Hughes Award erhielt, der für Lyrik in neuartigen Zusammenhängen verliehen wird. In „Audio Obscura“ tauchen aus einem Teppich von Bahnhofsgeräuschen lyrische Texte auf, Monologe, wie sie Menschen halten könnten, die sich auf dem Bahnhof befinden, jeder von ihnen unter Anspannung. Greenlaw betont, „Audio Obscura“ liege „absolut im Herzen meiner Arbeit.“ Parallel dazu bereitete sie die Veröffentlichung ihres vierten Gedichtbandes, „The Casual Perfect“, (etwa: Die Vollkommenheit des Zwanglosen) vor. „Als ich an diesen beiden Dingen arbeitete, verbrachte ich viel Zeit damit, darüber nachzudenken, wie wir zuhören und wie wir mit den Menschen in unserer Umgebung in Beziehung treten.“, berichtet sie,
Und das hat mich schon verändert, weil ich früher kaum wusste, wo ich mich befinde, und kaum mitbekam, was um mich herum war, weil ich immerzu an etwas anderes dachte. Ich war woanders, weit weg. Die Arbeit mit Klang, und über das Überhörte nachzudenken, bedeutet, dass ich mich vielmehr der Frage aussetze, wo ich bin. Und die Gedichte (in „The Casual Perfect“) drehen sich darum, dass es mir besser geht, dort wo ich bin.
Johannes Frohnsdorf, Dramaturg
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Anna, die Hauptfigur der Oper Minsk, fährt in einem überfüllten Wagon der Londoner U-Bahn, als sie mitten unter fremden Menschen in Gedanken versinkt. Es beginnt eine Reise in die Vergangenheit, in der Anna sich selbst, zwanzig Jahre zuvor, in Minsk lebend, begegnet, und es ist wohl kaum ein Zufall, dass Anna hier mit der Circle Line fährt. Aber schauen wir einfach einmal auf das, was außerhalb von Annas Gedanken liegt. Welche Punkte verbindet die Circle Line? Die „Untergrund-Bahn“ ist eine von Londons vielen Schichten, die sich überschneiden und überlagern.
London Underground (älteste U-Bahn der Welt) Eröffnung: 10. Januar 1863 Linien: 11 Streckenlänge: 402 Kilometer Stationen: 270 Kürzester Takt: 2 Minuten Passagiere/Stunde: 142.000 Passagiere/Tag: 3,7 Millionen Passagiere/Jahr: 1,2 Milliarden Fahrten/Jahr: 1,2 Milliarden
Die U-Bahn Linie „Circle Line“, zieht sich um das Zentrum Londons herum. Die Linie hatte 28 Stationen bis 2009 und ist 27 Kilometer lang. Nun wurde sie auf 35 erweitert.
Anna fährt fünf Stationen mit der „Circle Line“:
Unter der Erde ist die Station Liverpool Street und direkt darüber befindet sich der gleichnamige Bahnhof „Liverpool Street“. Fälschlicherweise denken viele Menschen, dass man vom Bahnhof aus auch nach Liverpool fahren kann. Aber der Zug nach Liverpool fährt vom Bahnhof Euston ab.
Die Monument Station ist nach dem „Monument of the Great Fire of London“ benannt, das sich wenige Meter entfernt von der U-Bahn-Station befindet. Die 61 Meter hohe Säule wurde als Wiederaufbaumaßnahme nach dem Stadtbrand 1666 errichtet, der innerhalb von vier Tagen vier fünftel der Londoner Innenstadt zerstört hat. Jeder Besucher, der die 311 Stufen zur Aussichtsplattform an der Spitze bewältigt hat, bekommt eine Urkunde mit seinem Namen, auf der die Geschichte und Bedeutung des Bauwerks erläutert wird.
Die Station Tower Hill hat ihren Namen von dem Tower Hill (hill = Hügel), einer Erhebung nordwestlich des Towers of London. Auf dem Hügel fanden die öffentlichen Hinrichtungen adeliger Männer statt. (Adelige Frauen wurden direkt im Tower of London gerichtet.)
Der Tower of London ist eines der beeindruckendsten Denkmale Londons und die ehemalige Residenz des Königs. Die Ringburg mit ihren zwei Festungsringen diente außerdem noch als Waffenkammer, Gefängnis, Lagerstätte, Zoo, Museum etc.
Zu einer der größten Kathedralen der Welt gelangt man von der Moorgate Station aus. Zur St. Paul´s Cathedral. Sie ist der Sitz der Diözese London der Anglikanischen Kirche. Im südwestlichen Glockenturm der Kathedrale befindet sich die größte Glocke Großbrittaniens mit einem Gewicht von 16,5 Tonnen.
Nicht weit davon befindet sich die Barbican Station. Übersetzt beschreibt „Barbakane“ ein vorgelagertes Verteidigungswerk einer mittelalterlichen Burg.
Selina Rothenhöfer
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Montag, 21. Januar 2013. Gerade drei Wochen ist das Jahr alt, und schon vier Premieren stehen zu Buche. Klar, dass bei diesem Tempo die nächste Runde von Inszenierungen nicht lange auf sich warten lässt. Nach dem Probenstart von „Die Schatzsucher“ (Uraufführung) ist es heute für das Musical „Das Apartment“ und für die Oper „Minsk“ soweit. Das besondere Projekt, das Theater Heilbronn und Württembergisches Kammerorchester jedes Jahr herausbringen, ist diesmal eine Opernuraufführung. Lavinia Greenlaw und Ian Wilson, eine Dichterin und ein Komponist von europäischem Rang sind die Schöpfer von „Minsk“. Die Regie Regie führt Christian Marten-Molnár, der bereits bei Wilsons und Greenlaws erster Oper, „Hamelin“ 2003 die Uraufführung inszenierte.
Die Erinnerung ist wie ein Gefäß, in dem sich die Vergangenheit absetzen. Bruchstücke davon können auftauchen, man kann sie aufsuchen, oder sie können einen heimsuchen. Immer ist das Erinnern aber ein Gang in das Innere. Anna, die in einer überfüllten Londoner U-Bahn nach Hause fährt, tritt einen solchen Gang ins Innere an, als sie in ihren Gedanken versinkt, die sie in ihre Heimatstadt Minsk führen. Im Traum begegnet Anna sich selbst als Zwanzigjähriger, von allen Anoushka gennant, und ihrem Geliebten Fyodor, den sie zurückließ, als sie vor zwanzig Jahren Minsk verließ. Die vierzigjährige Anna muss feststellen, dass sie in Minsk etwas verloren hat, das sie nicht ersetzen kann, ihre eigene Stärke, ihre Liebe und einen Ort, an den sie gehört. Anoushka will davon nichts hören und beharrt darauf, dass sie aus Minsk fort müsse, egal wohin. Nur fort aus der beengenden Umgebung, dorthin wo der Himmel weit ist. Annas Reise beginnt in der Londoner U-Bahn und führt doch „von Minsk nach Minsk“. „Quite a journey“ – eine beträchtliche Reise in Annas Inneres, von wo die Protagonistin am Ende Unerwartetes mitbringen wird …
Johannes Frohnsdorf
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Kammerdiener Figaro möchte die Zofe Susanna heiraten, doch das ist nicht so einfach. Graf Almaviva, als Herr der beiden, ist selbst auf Susanna scharf und will sein Recht auf die erste Nacht geltend machen. Figaro indes kommt durch ein früher gegebenes Heiratsversprechen an die alte Haushälterin Marzelline in Bedrängnis. Die Gräfin ist eifersüchtig auf Susanna. Und der Page Cherubino ist unsterblich in die Gräfin verliebt. Die vielen Verwicklungen und Intrigen bringen die Hochzeit in Gefahr. Doch Figaro rettet sie mit List und Geschick und sorgt noch dafür, dass am Ende jeder Topf sein Deckelchen findet.
Wenn es eine musikalische Komödie in letzter Perfektion gibt, dann ist es »Le nozze di Figaro«. Mozart und da Ponte formten aus Beaumarchais‘ am Vorabend der französischen Revolution entstandenem Lustspiel um die politisch-erotischen Nöte eines Grafen, der seinem Kammerdiener die Braut ausspannen will, ein psychologisches und musikalisch-theatrales Meisterwerk, in dem sich Charaktere, Handlung und Musik in unerreichter Weise durchdringen und bedingen. Mozart schuf authentische Figuren mit all ihren Widersprüchen, ihren Trieben und Sehnsüchten, ihren Ängsten und Hoffnungen. Was Susanna, Figaro, der Graf und die Gräfin tun und was sie fühlen, ist nicht an eine Zeit gebunden, es ist heute so wahr und unmittelbar wie im 18. Jahrhundert.
Jan Philipp Gloger, eigentlich ein Schauspielregisseur, hat in Augsburg erstmals eine Oper inszeniert und damit das Publikum und die Kritiker begeistert. Diese Inszenierung hat für so viel Furore gesorgt, dass er neben den großen Bühnen im Schauspiel nun auch die großen Häuser im Musiktheater erobert. Gerade hat er an der Dresdner Semperoper Händels »Alcina« herausgebracht und für die Festspiele auf dem Grünen Hügel in Bayreuth inszeniert er in diesem Jahr den »Fliegenden Holländer«.
Le nozze di Figaro (Die Hochzeit des Figaro)
Opera buffa in vier Akten von Wolfgang Amadeus Mozart
Gastspiel des Theaters Augsburg
Premiere am 30. März 2012, 19.30 Uhr, Im Großen Haus
Musikalische Leitung: Carolin Nordmeyer
Inszenierung: Jan Philipp Gloger
Bühne: Ben Baur
Kostüme: Karin Jud
Choreinstudierung: Karl Andreas Mehling
Dramaturgie: Ralf Waldschmidt