Der Funke muss überspringen

Canan Erek blickt voller Vorfreude auf das erste von ihr kuratierte Festival »Tanz! Heilbronn«

Seit 2021 ist Canan Erek (*1968 in Istanbul, seit 1987 lebt sie in Deutschland) die neue Kuratorin des Festivals »Tanz! Heilbronn«. Die Tänzerin, Choreografin und engagierte Kulturvermittlerin freut sich darauf, vom 17.-22. Mai 2022, ihr erstes Festivalprogramm zu präsentieren.

Canan Erek ist neue Kuratorin von »Tanz! Heilbronn«; Foto: B. Lorenz Walter

Als Tochter aus bildungsbürgerlichem Hause besuchte Canan Erek in ihrer Kindheit und Jugend den klassischen Ballettunterricht in ihrer Heimatstadt Istanbul: »Obwohl ich rein physisch für diese Art von Tanz gar nicht geschaffen war, arbeitete ich hart«, erinnert sie sich an ihre Anfänge. Eines Tages brachte eine Tanzlehrerin eine Videokassette mit zwei legendären Stücken von Pina Bausch mit: »Café Müller« und »Le Sacre du printemps«. Canan, damals 18 Jahre alt, war hingerissen. So kann Tanz also auch aussehen! Sie recherchierte und fand die Folkwang-Hochschule in Essen, in der Pina Bausch den Bereich Tanz leitete. Warum es nicht einfach versuchen! Sie kam nach Deutschland, nahm an einer Audition in Essen teil, wurde genommen und begann 1987 ihre Ausbildung im zeitgenössischen Bühnentanz. »Pina Bausch hat selbst zwar keinen Unterricht gegeben, aber sie kam mehrmals im Jahr, um sich unsere Entwicklung anzuschauen und mit uns über unsere tänzerischen Ausdrucksformen zu reden.« Sie war es auch, die Canan bestärkt hat, nach der Tanz-Ausbildung noch ein Studium der Choreographie dranzuhängen, nachdem sie erste, noch während des Studiums selbstkreierte Stücke der jungen Tänzerin gesehen hatte.

Von Essen ging es ins wilde Ost-Berlin Anfang der 90er-Jahre. Hier studierte sie als erste türkische Studentin an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Choreographie. Die Erfahrungen des Ost-West-Clashs im zusammenwachsenden Berlin fand sie damals zwar spannend, aber auch anstrengend, weil sie sich nirgends zugehörig fühlte, erinnert sich Canan Erek. Ihre künstlerische Heimat wurde ab 1996 das Ballhaus Naunynstraße in Berlin. Ihre Arbeiten wurden in verschiedenen Theatern in Berlin und auf Festivals gezeigt. Als Gastchoreografin arbeitete sie u. a. für die Australian Opera in Sydney, für das Hans Otto Theater in Potsdam und für das Berliner Ensemble. Ein dreijähriges Intermezzo führte sie nach Leipzig als Leiterin des dortigen Tanztheaters. Dann ging sie wieder zurück nach Berlin, um zu tanzen, zu choreografieren und immer mehr nach außergewöhnlichen Ausdrucksformen zu suchen.

Tanz an anderen Orten zu inszenieren, als man ihn erwartet, in Parks etwa oder in Bürgerämtern – eben mitten im öffentlichen Raum, das hat Canan Erek damals schon interessiert. Der besondere Reiz, auf Leute zuzugehen, die sich nicht von vornherein für Tanz begeistern, das fand Canan Erek spannend. Bis heute ist dies ein wichtiges Element ihrer Arbeit, die sich mehr und mehr in den Bereich Kulturvermittlung, Projektmanagement, kulturelle Bildung und Festivalleitung verlagert.

Gerade hat Canan Erek eine deutschlandweite Online-Konferenz geleitet: »Auf dem Sprung zur Sparte? – Tanz für junges Publikum«, war sie überschrieben und ging der Frage nach, ob man ähnlich wie das Junge Theater in Deutschland auch den Jungen Tanz als feste Institution an den Theatern etablieren kann. Canan Erek hat beste Erfahrungen auf diesem Gebiet. Seit 2017 leitet sie »PURPLE – Internationales Tanzfestival für junges Publikum« in Berlin. Sie erlebt immer wieder, dass Kinder und Jugendliche durch ihre natürliche, aktive und offene Haltung ein wunderbares Publikum sind, das man eigentlich für alles begeistern kann. Sie haben es sogar sehr leicht, sich in die abstrakten Formen des Tanzes hinein zu fühlen. Diesen Schwerpunkt will sie auch als neue Kuratorin des Festivals Tanz! Heilbronn stärken. Zwei der sieben eingeladenen Stücke wurden explizit für junges Publikum erarbeitet.

Das Festival »Tanz! Heilbronn« findet vom 17. bis 22. Mai 2022 am Theater Heilbronn statt.; Foto: Sergine Laloux

Bei der Auswahl aller Festivalbeiträge ist es Canan Erek wichtig, dass der Funke überspringt und die Zuschauer eine intensive Beziehung zu den Produktionen des zeitgenössischen Tanzes aufbauen können. »Mein Interesse als Künstlerin und Kuratorin gilt zuallererst der kommunikativen Komponente. Wie nimmt ein Stück zum Publikum Kontakt auf, hält die Verbindung und gestaltet einen Dialog?«, fragt sie. Das »Wie« einer ästhetischen Konzeption könne sich mit dem »Was« der inhaltlichen Auseinandersetzung auf vielfältigste Weise verbinden. Für Canan Erek ist es wichtig, dass alle Stücke eine Einladung an das Publikum aussprechen, mit seiner Vorstellungskraft aktiv ins Geschehen einzusteigen und sich auch emotional begeistern zu lassen. So, wie ihr es damals ging, als sie auf einer Videokassette die Stücke von Pina Bausch sah, die so viel Energie in ihr freisetzten, dass sie sich auf den Weg nach Deutschland machte, um es einfach zu versuchen.

Hier gibt es nähere Informationen zu den diesjährigen Programmpunkten von »Tanz! Heilbronn«:

»Fliegende Wörter«. Ein Tanzstück für Klassenzimmer und Schulen von Ceren Oran & Moving Borders
»Le chant des ruines«. Deutsche Erstaufführung der Comapgnie Michèle Noiret (B)
»Cosmic A*«. Deutsche Erstaufführung von Charlie Prince (LB)
»Balancing Bodies« der Compagnie Woest (NL)
»Set of Sets« von GN|MC Guy Nader | Maria Campos (LB/ES)
»Sonoma« von La Veronal (ES)
»Vanishing Point« von Panama Pictures (NL)
Hip-Hop-Tanzworkshop mit Zenny Flex für Jugendliche (13-18 Jahre)
Tanzen im besten Alter mit Nicole Berndt-Caccivio – Kreativer zeitgenössischer Tanz für Menschen 50+

Die aufregenden Abenteuer eine Wassertropfens

BOXX-Ensemble und Zuschauer arbeiten an gemeinsamen Kurzfilm

Kamera an und los geht’s! Der Startschuss für die Cinemato|BOXX ist gefallen. Das BOXX Ensemble und die Theaterclubs haben ihren Assoziationen freien Raum gelassen. Inspiriert von der Inszenierung »Petty Einweg – Die fantastische Reise einer Flasche bis ans Ende der Welt« haben sie begonnen, die Geschichte von »Rainer Drops – Die fantastische Reise eines Wassertropfens« zu erzählen. Mit der Handykamera haben sie den Wassertropfen zum Leben erweckt.

Das BOXX Ensemble und Regieassistentin Stefanie Roschek bei der Arbeit an der ersten Szene.

Jetzt ist es an der Zeit, Rainers Geschichte fortzuschreiben. Schulklassen und Theater-AGs sind aufgerufen, sich zu beteiligen und in einer ca. 20 Sekunden langen Szene Rainers Reise weiterzuspinnen und Teil der Geschichte zu werden. Alles, was sie dazu brauchen, sind Spielfreude, kreative Ideen und ein Handy mit Kamera. Nach dem Prinzip einer Faltpapiergeschichte filmen sie dann eine Szene aus Rainers Leben. Die Inspiration dazu bildet die Szene der vorherigen Gruppe.

Wie funktioniert das Ganze? Ausgangspunkt ist die Faltgeschichte. Hier schreibt eine Person die ersten zwei Sätze einer Geschichte. Der erste Satz wird weggeknickt und die nächste Person sieht nur den zweiten Satz. Sie schreibt wieder zwei Sätze, wobei sie das Papier so faltet, dass der nachfolgende Mitspieler nur den letzten Satz sieht. Und so geht das Spiel weiter, bis der letzte Mitspieler seine Sätze geschrieben hat und die gemeinsame Geschichte vorgelesen wird.

In der Cinemato|BOXX wird dieses Prinzip auf das Videoformat übertragen. Die erste Gruppe, unser BOXX-Ensemble, filmte die erste Szene und hat Rainer Drops Leben eingehaucht. Anschließend hat der Theaterclub Spiel|BOXX 2 den Erzählfaden aufgenommen und tief in Rainers Innerstes geblickt. Schon waren die ersten beiden Szenen im Kasten. Die könnt ihr in dem Video unten sehen. Als nächstes haben die Spielerinnen und Spieler der Spiel|BOXX 3 daran gemacht Rainers Geschichte fortzuführen. Gemeinsam haben sie assoziiert, wie Rainers Geschichte weitergehen könnte. Was ist in der Videosequenz passiert, die sie gerade gesehen haben?  Wie könnte es mit Rainer weitergehen? Was können sie in 20 Sekunden überhaupt umsetzen? Und wie können sie es so gestalten, dass es die nächste Gruppe weiterschreiben kann? Diese Fragen werden von den Jugendlichen diskutiert. Schnell einigen sie sich auf einen der Vorschläge, arbeiten ihn gemeinsam aus und los geht es mit der Kamera nach draußen. Clubleiter Andreas Schlegel fügt die Spielszenen mit den animierten Zeichnungen, die die Clubber erstellt haben, am heimischen Computer zu einer Videosequenz zusammen und schon ist die dritte Szene ist fertig. Der nächste Club kann übernehmen.

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Video Cinemato|BOXX Und jetzt geht es raus aus den Clubs und ab in die Schulen und Theater-AGs. Seid kreativ, spielt mit uns und schreibt Rainers Geschichte bis zum Ende der Spielzeit weiter. Den daraus entstehenden Film »Rainer Drops – Die fantastische Reise eines Wassertropfens« werden wir voraussichtlich zum Ende der Spielzeit auf unserem Youtube-Kanal und unserer Webseite zeigen. Denn eines haben wir in den letzten zwei Jahren durch die Corona-Pandemie gelernt: Wenn wir Publikum, das Schauspielensemble und die Theaterclubs nur beschränkt zusammenbringen können, bietet uns ein digitales Filmprojekt eine gute Möglichkeit, gemeinsam etwas Verbindendes zu schaffen. Also seid dabei und bewerbt euch mit eurer Klasse oder eurer Theater-AG für die Cinemato|BOXX unter: theaterpaedagogik@theater-hn.de

Von der Schule auf die Bühne

Grundschüler werden Autoren einer eigenen Geschichte für das BOXX-Ensemble

Seit dieser Spielzeit gibt es das neue Format des Jungen Theaters: BOXX | Geschichten. Zur Premiere waren zwei Klassen der Hölderlin Grundschule Lauffen waren zu Gast bei uns in Heilbronn und haben sich in der BOXX das Stück »Komm, wir finden einen Schatz« von Janosch angesehen. BOXX | Geschichten bietet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, zusätzlich zum Vorstellungsbesuch ihre ganz eigene Geschichte auf der Bühne zu sehen.

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Ausschnitte der Geschichten der beiden dritten Klassen der Hölderlin Grundschule Lauffen gibt es in unserem Trailer.

Dafür hat die Klasse 3b gemeinsam eine Geschichte geschrieben, in der es um einen sagenumwobenen Schatz im Haigernwald geht. Vor vielen, vielen Jahren lebte dort eine Gruppe Frösche, die aus dem Wasser ihres goldenen Sees festes Gold herstellen konnte. Damit dekorierten sie ihre Höhlen und erfreuten sich an dem Glitzern und Knistern des Goldes. Doch auch die anderen Waldbewohner wollten etwas von dem Gold abhaben und versuchten, die Frösche zu beklauen. Daraufhin bauten diese eine riesige Mauer um ihren See. So vergingen die Jahre, die Frösche wurden immer älter und der See überwucherte immer mehr, bis er in Vergessenheit geriet. Doch eines Tages kam ein kleiner Junge im Haigernwald vom Weg ab und entdeckte etwas Glitzerndes zwischen den Baumwurzeln …

Einige Tage vor dem Besuch in Heilbronn hat die Klasse ihre Geschichte an das Theater geschickt und Sarah Finkel und Andreas Schlegel aus dem Ensemble des Jungen Theaters haben sich gemeinsam mit Nicole Buhr, der Leiterin des Jungen Theaters, ans Proben gemacht. Samt passender Requisite haben sie eine szenische Lesung für die Klasse vorbereitet. Die 3b war hellauf begeistert von der Umsetzung ihrer Geschichte und hat im Nachgespräch noch etwas über die kreativen Herausforderungen ihres Stücks erfahren, etwa wie man einen See auf die Bühne bringt und wie die Schauspieler dann auch darin tauchen können. Gerade diese Tauchszenen sorgten bei den Schülerinnen und Schülern für viele Lacher.

Auch die 3a der Hölderin Grundschule hat sich der Aufgabe, eine eigene Geschichte zu schreiben, gestellt. Inspiriert von einem Schulausflug auf den Haigern, werden die Schülerinnen und Schüler der Klasse 3a zu den Helden ihrer eigenen Geschichte. Dabei treffen sie im Wald auf einen Mann, dessen bester Freund in einen Frosch verwandelt wurde und nun dringend die Hilfe der gesamten 3a benötigt, um den Zauber aufzulösen. Mutig stellen sich die Schülerinnen und Schüler den Abenteuern, um den Verzauberten zu befreien. Gemeinsam und mit der Unterstützung der Waldbewohner versuchen sie den verzauberten Frosch zu befreien und begeben sie sich immer tiefer in den Wald …

Nach der Vorstellung von Janoschs »Komm, wir finden einen Schatz« sitzen sie gespannt in der BOXX, um zu sehen wie die Ensemblemitglieder Nora Rebecca Wolff und Rouven Klischies mit Regieassistentin Stefanie Roschek ihre selbst geschriebene Geschichte umgesetzt haben. In dem Bühnenbild, in dem gerade noch Tiger und Bär auf Schatzsuche gegangen sind, erwacht nun ihre eigene Geschichte zum Leben. Wie gebannt folgt die Klasse 3a den beiden Schauspielern, der Applaus im Anschluss ist groß.

Dann hatten die Kinder noch Gelegenheit, die Schauspieler mit Fragen zu löchern und alles zu erfahren, was sie schon immer über das Theater und das Theaterspielen wissen wollten: Wie lange dauern die Proben für ein Theaterstück? Ist es schwer, mehrere Stücke zur gleichen Zeit einzustudieren? Habt ihr auch Lampenfieber und warum wolltet ihr überhaupt gerne Schauspieler werden? Und ein paar Tipps zum Auswendiglernen von echten Profis gab es zu guter Letzt auch noch.

Das Fazit der beiden dritten Klassen: Sie möchten sehr gerne noch einmal wiederkommen mit einer weiteren BOXX | Geschichte.

Ab dem 5. April 2022 wird es eine zweite Auflage der BOXX | Geschichten geben. Dieses Mal bildet die Inszenierung »Rico, Oskar und die Tieferschatten« den Ausgangspunkt für die BOXX | Geschichten.
Schulklassen der Klassenstufen 3 – 6 können sich jetzt bis zum 25.02.2022 bewerben.
Alle Informationen zur Anmeldung gibt es hier.