Junges Theater lädt ein zu „BOXX|pur Shakespeare“

Schauspieler, Jugendclubber und Schüler  würdigen den großen Dramatiker auf ganz eigene Weise

Zwischen dem 18. und dem 20. Juni verwandelt sich die BOXX, die Spielstätte des Jungen Theaters Heilbronn, in einen Ort des jugendlichen Shakespeare-Kults. Das Junge Ensemble der BOXX, Mitglieder des Theaterclubs 3 und Theater AGs von verschiedenen Schulen haben sich auf ganz unterschiedliche Weise mit diesem großen Dramatiker auseinandergesetzt und präsentieren ihre Sicht auf einige seiner bedeutendsten, aber auch auf weniger bekannte Szenen in einem kleinen Festival  „BOXX|pur Shakespeare“. Am 18. Juni um 18 Uhr ist Premiere.
Anlass für diese spielerische Auseinandersetzung mit William Shakespeare ist die bevorstehende Premiere von „Was ihr wollt“ im Großen Haus. Hintergrund ist aber auch der Wunsch des BOXX-Ensembles nach einer ganz eigenständigen künstlerischen Auseinandersetzung mit einem Klassiker, erklärt die Leiterin des Jungen Theaters Heilbronn, Bianca Sue Henne. Seit Anfang Mai proben die jungen Schauspieler in unterschiedlichen Zusammensetzungen Szenen, für die sie in jeder Hinsicht selbst verantwortlich sind. Giulia Weis und Henry Arturo Jimenez setzen sich mit Othello und Jago auseinander, Helene Aderhold spielt mit den Sonetten, denen sie sich unter anderem auch tänzerisch nähert. Sascha Kirschberger beschäftigt sich als personifizierter Tod mit dem Sterben von Romeo und Julia. Alle vier Schauspieler arbeiten zusammen mit Bianca Sue Henne an der Szene „Die Fremden“, das erst 2016 als einzige erhaltene Handschrift von Shakespeare identifiziert wurde und aus dem Stück „Sir Thomas Morus“ stammt. „In / Jedwedem Land, das nicht grad England ist / Dort wärt ihr selbst die Fremden“, sagt Staatskanzler Sir Thomas Morus in diesem um 1604 verfassten Stück und ruft in einer großen Rede zu Mitmenschlichkeit gegenüber den Fremden auf, die in das Land kommen. Der Text liest sich wie ein Kommentar zur Flüchtlingskrise heute.
Auch Mitglieder des Theaterclubs 3 sind im Shakespeare-Fieber und haben sich mit dem Stück „Die lustigen Weiber von Windsor“ beschäftigt. Außerdem stehen Szenen aus dem „Sommernachtstraum“ und aus „Romeo und Julia“ auf ihrem Programm. Mit dem Material gehen sie erfrischend frei um und arbeiten komplett selbständig.
Parallel proben sechs Theater-AGs aus fünf Schulen, die sich während des ganzen Jahres an Shakespeare abgearbeitet haben. Mit dabei sind das Jagsttal Gymnasium Möckmühl, der Jagsttal Schulverbund Möckmühl, die Damm-Realschule Heilbronn, die Gustav- von- Schmoller- Schule Heilbronn und die Andreas-Schneider-Schule Heilbronn. Für sie standen drei Szenen zur Auswahl: die Balkon-Szene aus „Romeo und Julia“, die Hexenszene aus „Macbeth“ und die Szene aus „Was ihr wollt“, in der Malvolio einen fingierten Brief findet. Bianca Sue Henne, die im Vorfeld der Shakespeare-Tage die Proben aller Clubs besucht hat, ist schon jetzt verblüfft, welch unterschiedliche Zugänge die Jugendlichen und Kinder, in der Damm-Realschule waren es die 5.und 6. Klassen, gefunden haben. Da gibt es eigene Übersetzungen, Auseinandersetzungen zwischen „Traditionalisten“ und „Modernisierern“, die demokratisch in der Gruppe entschieden wurden. Es gibt Shakespeare mit Musik und Tanz und Shakespeare im englischen Original –  eben „BOXX pur Shakespeare“.

Vorstellungen:

18.06. 2017 – 18 Uhr (Junges Ensemble und Theaterjugendclub)
19.06. 2017 – 11 Uhr  (Junges Ensemble; Jagsttal Gymnasium Möckmühl und Jagsttal Schulverbund Möckmühl)
19.06 2017 – 18 Uhr (Junges Ensemble und Theaterjugendclub)
20.06. 2017  – 11 Uhr (Junges Ensemble; Damm-Realschule Heilbronn, Gustav-von-Schmoller-Schule Heilbronn, Andreas- Schneider-Schule Heilbronn)
20.06. 2017 – 18 Uhr (Junges Ensemble und Theaterjugendclub)

„Be water, my friend“

Breakdanceweltmeister Amigo erarbeitet eindrucksvolles Tanzprojekt mit jungen Flüchtlingen

Die Fernsehjournalistin, die eine Probe des Projektes „Be water, my friend“ besucht hat, wollte es kaum glauben. Diese Jungs haben tatsächlich noch nie getanzt? So akrobatisch, so kraftvoll, wie sie sich auf der Bühne bewegen? Zwischen 15 und 17 Jahre sind sie alt, leben erst seit kurzem in Heilbronn und stammen aus Syrien, Afghanistan, Guinea und Somalia. Sie sind der harte Kern, der durchgehalten hat, um nun vor großem Publikum auf der Bühne zu tanzen, sich als ein Bestandteil des großen Tanzfestivals Tanz! Heilbronn zu präsentieren. Ihr Choreograf, von dem sie so viel gelernt haben, ist der aus der Türkei stammende und in Berlin lebende mehrfache Breakdanceweltmeister  „Amigo“ Kadir Memis. Seine Jungs nennen ihn einfach nur Amigo.

Als das Theater im Februar 2017 junge Männer für das Tanzprojekt von Amigo gesucht hat, kamen 40 zum ersten Treffen. Als klar wurde, dass sie am Ende auf der Bühne stehen würden, wurde die Gruppe kleiner. Als einige merkten, dass Tanz mit harter Arbeit und viel Disziplin zu tun hat, schmolz die Gruppe weiter. 12 Jungs sind dabeigeblieben, haben seit März an vielen Wochenenden geprobt und jetzt seit zwei Wochen jeden Tag – nach der Schule von 14-20 Uhr. Sie wollen tanzen, sich bewegen, sich beweisen – je kraftvoller desto besser. Der groovende Sound von Live-Musiker Milan Vogel treibt sie voran. Er mixt Hip Hop mit traditionellen Klängen aus den Heimatländern der Jungs. Lautete der Arbeitstitel zunächst „Artikel 1“ und sollte sich um die Würde des Menschen drehen, änderte sich der Titel des Projektes im Laufe der Arbeit und heißt jetzt „Be water, my friend“. Um Würde geht es immer noch, aber nicht mehr so abstrakt. Das Wasser ist ein gutes Symbol für das, was sie unter Würde verstehen – es kann sich jedem Gefäß anpassen, in das es hineingefüllt wird, es ist weich und geschmeidig. Es ist kann tragen, man kann darin versinken, es ist in jedem Fall überlebenswichtig. Aber es hat auch eine große gestalterische Kraft. So wünschen sie sich ihren Platz in ihrem neuen Leben – sie wollen sich anpassen und dabei trotzdem sie selbst bleiben und mitgestalten. Inspiriert ist der Titel von der Maxime des Kampfkünstlers Bruce Lee: Be water, my friend.

Die erste Vorstellung war ein gigantischer Erfolg

In der ersten Vorstellung am 18. Mai saßen lauter junge Zuschauer – viele so alt wie die Jungs auf der Bühne.  Mit frenetischem Applaus feierten sie die Leistung der jungen Männer. Und dann hielt es das Publikum nicht mehr auf den Sitzen. Ein großer Teil stürmte die Bühne, um gemeinsam weiter zu tanzen. Ein einziges fröhliches Fest! Im anschließenden Publikumsgespräch wurde gefragt: Warum tanzen hier nur Jungs? Festivalkuratorin Karin Kirchhoff, die gemeinsam mit AMIGO das Projekt entwickelt hat, sagt, dass sie damit den jungen männlichen Flüchtlingen, über die so oft einseitig und negativ in den Medien berichtet wird, ein anderes Gesicht geben wollte. Wieder großer Beifall!

Hoffentlich geht es weiter

Das Tanzprojekt hat ihnen geholfen, sie sind selbstbewusster, verständigen sich jetzt untereinander auf Deutsch. Sie mussten lernen, diszipliniert und pünktlich zu sein, sich aufeinander zu verlassen. Wenn das Projekt vorbei ist, wollen sie weitermachen mit Bboy Tunaj Abedinov, der aus Heilbronn stammt und als gestandener Breakdancer das Projekt unterstützt.

Wir fliegen mit Alexander Gerst ins All

Aktion „Slices of Life“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt

Im Mai 2018 beginnt für das Theater Heilbronn eine Reise durch Raum und Zeit. Alexander Gerst wird wieder ins All fliegen und wir fliegen mit. Möglich wird dies durch eine kleine silberne Kugel im Gepäck des deutschen ESA-Astronauten. Diese wird einen speziellen Datenträger mit gesammelten „Slices of Life“ unterhalten. Unter anderem auch ausgewählte Fotos von uns. Doch es wird noch abgehobener: Die Zeitkapsel wird im All verschlossen und erst im Jahre 2068 wieder geöffnet. Bis dahin bewahrt sie das Haus der Geschichte in Bonn auf.

Melanie Jung studiert Public Management (B.A.) in Ludwigsburg und absolviert derzeit ein studienbegleitendes Praktikum in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit.

Bianca Sue Hennes zweite Oper hat am Theater Nordhausen Premiere

„Bonnie und Clyde“ kommt als Roadoper auf die Bühne

Musik von Christian Diemer
Libretto von Bianca Sue Henne

Bianca Sue Henne, Leiterin des Jungen Theaters Heilbronn und Libretistin
Bianca Sue Henne, Leiterin des Jungen Theaters Heilbronn

Dass unserer Leiterin des Jungen Theaters Bianca Sue Henne aufregende Tage bevorstehen, haben wir Heilbronner Kollegen eher nebenbei erfahren. Denn dass am 5. Mai ihre Oper „Bonnie & Clyde“ für die sie das Libretto geschrieben hat, an ihrer früheren Wirkungsstätte, dem Theater Nordhausen, uraufgeführt wird, darum hat sie keinen Wirbel gemacht. Wahrscheinlich, weil sie selbst viel zu aufgeregt und gespannt ist, auf das, was sie erwartet. Wie wird die Musik, die der junge Komponist Christian Diemer komponiert hat? Wie hat der Regisseur Prof. Elmar Fulda, der Leiter der Opernschule an der Weimarer Hochschule für Musik Franz Liszt, mit seinen Studierenden die Oper auf die Bühne gebracht? Von all dem wird sie sich überraschen lassen, wenn sie am Premierenabend im Publikum sitzt.

„Bonnie & Clyde“ ist schon ihre zweite Oper für junges Publikum. Die erste „Kannst du pfeifen, Johanna?“, lief zwei Jahre lang sehr erfolgreich in Nordhausen und wurde auch im Theater Augsburg inszeniert. Bianca Sue Henne brennt für die Theaterarbeit für junge Leute. Und während es im Schauspiel in den letzten Jahren einen großen Zuwachs an guten neuen Stücken für Heranwachsende gibt, vollzieht sich diese Entwicklung im Musiktheater sehr langsam. Sie habe damals für das Theater Nordhausen, ein reines Musiktheater, immer nach Opern für junge Leute gesucht, erzählt Bianca Sue Henne. Und weil die Auswahlmöglichkeiten so begrenzt waren, hat sie sich entschlossen selbst mit Komponisten an Musiktheaterstoffen für junges Publikum zu arbeiten. Sie beschreibt: „Wie ich auf Bonnie & Clyde gestoßen bin, weiß ich nicht mehr, aber der Stoff schien mir einfach perfekt für junges Publikum. Junge Protagonisten – die beiden sind Anfang 20 – eine rasante Roadstory, Liebe und Tod. Gutes Material.“ 

Bonnie Elizabeth Parker und Clyde Chestnut Barrow waren militärisch bewaffnete Schwerverbrecher und skrupellose Mörder. Und dennoch brachten sie es, seit sie im Mai 1934 in einem Hinterhalt erschossen wurden, zu weltweiter Achtung als Gangsterpärchen Bonnie & Clyde. Noch heute fasziniert, dass sie einfach nur zwei junge Leute waren, die nach endlich überstandener ärmlicher Kindheit einen Teil vom Kuchen des Lebens abhaben wollten. Sie suchten die Freiheit und nahmen ihre Zukunft selbst in die Hand, um ihren Traum vom Leben Wirklichkeit werden zu lassen. Bonnie schrieb Gedichte und sang, wollte ein Star werden, Clyde konnte Gitarre und Saxophon spielen. Doch erste kleine Konflikte mit Recht und Ordnung setzten eine Spirale von Gewalt, Strafe und Rache in Gang, die nur in der Katastrophe enden konnte. Den Tod haben Bonnie und Clyde immer in Kauf genommen. Sie wussten nur nicht, wann ihr Treiben sie das Leben kosten würde. Übrigens: Bonnie und Clyde schafften es ganz ohne das Fernsehen, die ersten Reality-Stars zu werden. In den sozialen Netzwerken wird ihre Liebe heute zum Teil höher bewertet als die von Romeo und Julia.

„Ich habe viel gelesen und recherchiert über die beiden. Ich brauchte ein solides inhaltliches Fundament. Dann gab es viele Treffen mit dem Komponisten Christian Diemer und dem Regisseur Elmar Fulda. Die beiden haben dann assoziativ beigetragen, was sie persönlich am meisten am Stoff interessiert. Wir haben darüber viel diskutiert und waren nicht immer einig. Aber der Weg ist auch sehr spannend und führt dazu, dass jeder seine Position immer wieder überdenken muss. Und deshalb kann am Ende etwas entstehen, das größer ist als die eigene Phantasie“, sagt Bianca Sue Henne.

Wir drücken ihr die Daumen für diesen spannenden Moment, wenn „ihre“ Figuren auf der Bühne lebendig werden und ihre Gedanken und Gefühle über die Musik, die Bianca Sue Henne bisher „nur“ vom Notenblatt kennt, transportieren. Und wir schicken ein kräftiges TOI TOI TOI nach Nordhausen.

Orlando stellt sich vor! Teil 4

Sara-Maria Saalmann gastiert als Angelica

Foto: Daniela Raskito
Foto: Daniela Raskito

 

Nur acht Mal ist Georg Friedrich Händels „Orlando“ ab 5. März am Theater Heilbronn zu sehen. In der Kooperation mit dem Württembergischen Kammerorchester und der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst übernimmt die Sopranistin Sara-Maria Saalmann die Partie der Angelica.

Wer und was ist Angelica in unserer Inszenierung?
Angelica ist eine junge Frau, die sich in ihrer Beziehung mit Orlando seit einiger Zeit allein fühlt, weil Orlando als erfolgreicher Kriegsheld stets unterwegs ist. Sie verfällt dem Charme eines Mannes, der sie auf eine Weise betrachtet, in der sie sich in ihrer Weiblichkeit gesehen fühlt, so entwickelt sich aus körperlicher Anziehung eine große Liebe zu Medoro, für die sie eine Zukunft sucht.

Wer ist Sara-Maria Saalmann?
Ich wurde in Valencia, Spanien, geboren, wuchs in Hamburg auf und war Mitglied der Jugend-Opern-Akademie an der Hamburgischen Staatsoper. Ich hatte diverse Hauptrollen in einer zehnjährigen Laufbahn an der dortigen Kinderopernreihe „opera piccola“ und 2014 an der Staatsoper auch mein Debüt als Tabarco in Händels „Almira“. Seit 2010 studiere ich Gesang bei Prof. Turid Karlsen, zuerst in Hamburg, dann in Stuttgart und werde im kommenden Semester meinen Master Gesang abschließen.

Unter Kontrolle – außer Kontrolle

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Was ist, wenn man ständig beobachtet wird? Wenn nicht nur Daten, sondern auch intime Gedanken plötzlich transparent werden? Wenn ein unvorstellbar komplexes Netz aus Daten zwar die ganze Welt zusammenhält, uns aber gleichzeitig die persönliche Freiheit nimmt und wir so zu „digitalen Gefangenen“ werden?

Der renommierte Autor Tim Staffel erschafft mit seinem Stück „Im Netz“ etwas, das in der Literaturwissenschaft gerne auch als ‚Dystopie‘ bezeichnet wird: ein zukunftspessimistischer Entwurf einer fiktiven Gesellschaft, die auf bedenkliche Entwicklungen unserer realen Gegenwart aufmerksam machen soll. Matrix, Cloud Atlas, Die Tribute von Panem, Die Bestimmung …  vor allem filmische Darstellungen von Dystopien beschreiben stets den Kontrollverlust des Individuums durch das Agieren einer repressiven Machtinstanz – ob in Form eines Diktators oder als künstliche Superintelligenz. Dabei ist das angepeilte Publikum meist das gleiche, denn vor allem für Jugendliche und junge Erwachsene hat dieses Genre eine enorme Faszination. Auch „Im Netz“ richtet sich an diese „Digital-Natives“-Zielgruppe von Jugendlichen ab 14 Jahren. Die Hauptfiguren Joris und Emil, beide 15 Jahre alt und beste Freunde, erfahren durch die innovative Kontaktlinse ‚Iris‘ (ein Seitenhieb auf die Sprachsteuerung ‚Siri‘), dass diese neue virtuelle Welt zwar unendliche Möglichkeiten bereithält, aber für deren Nutzung  ein hoher Preis zu zahlen ist: das Recht auf Privatsphäre.

Um innovative Technik auf die Bühne zu bringen und die Zuschauer aktiv mit einzubinden, wird bei dem Stück sowohl mit Live-Projektionen, Videosequenzen, Stimmen und Geräuschen aus dem Off und der interaktiven App Toto (Turn on that object) gearbeitet. Das Team aus drei Regisseuren des kollektiven Denkwerks PRINZIP GONZO erarbeitete ein aufwendiges multimediales Erlebnis, welches schon in der letzten Spielzeit am 3. Juni 2016 in der BOXX Uraufführung feierte. Mit veränderter Besetzung startete die Inszenierung am 16. Februar in eine neue Runde. Am morgigen Samstag, dem 18. Februar, 20.00 Uhr ist die nächste Möglichkeit, der packenden Geschichte von Joris und Emil buchstäblich „ins Netz zu gehen“.

Kulturbetrieb? Kultur-Betriebsamkeit!

Exkursion des Studiengangs Kulturmanagement aus Ludwigsburg ins Theater Heilbronn

Exkursion Ludwigsburg, Foto: Christiane Dätsch

Eine Gruppe von etwa 40 Studierenden und Dozenten des Masterstudiengangs „Kulturwissenschaft & Kulturmanagement“ der PH Ludwigsburg war am Mittwoch den 8. Februar auf Exkursion im Theater. Ziel war es, den „Apparat Theater“ – ein Gebilde aus verschiedensten Tätigkeiten und Arbeitsfeldern, die wie Zahnräder ineinandergreifen – erlebbar zu machen. Das Heilbronner Theater gilt als Theater der kurzen Wege, das bedeutet aber nicht, dass das Gewirr aus Verbindungsgängen und Treppenhäusern eine leichte Orientierung bietet. Erstaunen machte also die Runde, als man sich plötzlich hinter der Bühne des Komödienhauses im K3 wiederfand.

Der Rundgang führte vor allem durch die Werkstätten: Schreinerei, Dekoabteilung und der Malersaal wurden begutachtet, die einzelnen Arbeitsgebiete erläutert und laufende Projekte gezeigt. Wer trifft welche Entscheidungen? Welche Materialien werden verwendet? Wie „zaubert“ man aus möglichst leichten Holzzuschnitten ein edles dunkles Parkett? Und wie stellt man eine täuschend echte Schweinehälfte her, um die diversen Vegetarier im Publikum zu erschrecken?

Anschließend stellten sich Chefdramaturg Andreas Frane, Silke Zschäckel (Presse) und Johannes Pfeffer (Werbung/Öffentlichkeitsarbeit) vor und erläuterten ihren jeweiligen beruflichen Weg, der sie – ob unabsichtlich oder geplant – ans Theater brachte. In einer lockeren Diskussions- und Fragerunde ging es vor allem um die Rahmenbedingungen des Theaterbetriebs in Bezug auf Spielplangestaltung, Zusammenstellung des Schauspielensembles und die Beschaffung von Fördermitteln für soziale Projekte. Mit diesem neu gewonnenen „Insiderwissen“ wurde abends die Komödie Der Vorname besucht, hoffentlich nicht ausschließlich aus einem „kulturmanagerialen“ Blickwinkel.

Patricia Heiss

AB Ins Theater!

Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA
KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA

Dieses Zitat aus Peter Stamms Roman Agnes beschreibt ziemlich treffend, was ich fühle, wenn ich an mein Abitur zurückdenke. Ohne Frage, eine nervenaufreibende und stressige Zeit. Und doch empfinde ich sie im Nachhinein als eine intensive Phase voller schöner Momente, geprägt von Zusammenhalt und Tatendrang. Mein Abi ist mittlerweile drei Jahre her, die Sternchenthemen für das Deutsch-Abitur sind aber immer noch dieselben wie damals. Homo Faber und Agnes –  diese zwei Werke gehören unter anderem zu der Pflichtlektüre für die Allgemeinbildenden Gymnasien. Im Rahmen meines Praktikums werde ich nun noch einmal mit dem Stoff konfrontiert, sitze zwischen Deutschkursen in der Vorstellung und dieses beflügelnde Abi-Feeling kommt tatsächlich noch einmal auf.

Los geht’s mit Homo Faber in der Pocketversion. 2013 habe ich dieses Stück im Großen Haus gesehen, mittlerweile gibt es die komprimierte Fassung in der BOXX. Kammerspielartig und auf das Wesentliche reduziert – eine perfekte Vorbereitung für die Schüler und eine perfekte Möglichkeit für mich, die Handlung, die Figuren und die Motive ins Gedächtnis zurückzurufen. Am gleichen Tag besuche ich zudem die Autorenlesung von Peter Stamm. Er sitzt – im behaglichen Bühnenbild des Komödienhauses von Der Vorname integriert – auf einem alten Plüschsessel und wird mit Fragen gelöchert. Dies ist die einmalige Gelegenheit, um das ein oder andere Geheimnis zu Agnes von ihrem Schöpfer höchstpersönlich lüften zu lassen.

Zusätzlich zu den „Frontaldarbietungen“ im Theater gibt es speziell für die Abiturienten kostenlose Theaterworkshops. So zum Beispiel  der Workshop zu Homo Faber in der Theaterwerkstatt im Wollhaus. Theaterpädagogin Katrin Singer verteilt laminierte Kärtchen, lässt die Schüler in die Rollen der Hauptfiguren schlüpfen und gibt Kontexte vor, in denen die Figuren nun miteinander interagieren sollen. Die zentralen Motive werden sowohl situativ als auch in Diskussionen interpretiert und das Hineinversetzen in den Stoff wird zum Gruppenerlebnis. Bei den Standbildern freuen sich sowohl die Darstellenden als auch die Zuschauer über die oft sehr originelle Umsetzung.
Nach diesen ganzen konstruktiven Vorbereitungsmaßnahmen bleibt nur noch, viel Erfolg für die im April anstehenden Prüfungen zu wünschen! Und falls so langsam Panik und Schrecken aufsteigen sollte, denkt daran, was Max Frisch einmal gesagt hat:
Die Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.

Patricia Heiss ist als Praktikantin für sechs Wochen am Theater Heilbronn und sammelt dort Erfahrungen im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie studiert an der Universität Mannheim im fünften Semester Kultur & Wirtschaft.

Das Fernsehen im Theater – das Theater im Fernsehen

SWR-Magazin „Kunscht!“ zeigt wenige Tage vor der Premiere von „Ein Lied von Liebe und Tod (Gloomy Sunday)“ erste Einblicke und Hintergründe

SWr Kunschd im Theater HeilbronnInterviews, Szenenausschnitte und der Alltag hinter den Kulissen – das Kamerateam des SWR begleitet an dem Montagnachmittag vor der Premiere die Abläufe um die erste Komplettprobe zu „Ein Lied von Liebe und Tod (Gloomy Sunday)“, das am 21. Januar um 19.30 Uhr im Großen Haus Uraufführung feiern wird.
Dabei legt das fünfköpfige Fernsehteam den Fokus vor allem auf die musikalische Quintessenz des Schauspiels von John von Düffel; das berühmt-berüchtigte Lied vom traurigen Sonntag, welchem eine besondere melancholische Anziehungskraft zugeschrieben wird und um welches sich die Legende der „Hymne der Selbstmörder“ rankt. Was empfinden die Schauspieler, wenn sie die weltbekannte, und doch so simple Melodie hören? Worin besteht für Regisseurin Uta Koschel die Besonderheit des traurig-schönen Liedes? Wie wird in der Inszenierung die Verbindung zwischen Dialogen, Bühnenbild und Musik hergestellt? Das sind nur ein paar der Fragen, die das Team um Redakteurin Ursula Böhm stellen.
Zusätzlich begleitet das Kamerateam das geschäftige Treiben abseits vom Scheinwerferlicht: Impressionen vom Probenalltag der Mitarbeiter, die für Ton, Maske, Licht oder Kostüm zuständig sind, vor der wichtigen Probe final Hand anlegen und letzte Veränderungen vornehmen. So wird gefilmt, wie kurz vor der „Vorstellung“ die Frisuren zurecht gemacht werden, im Gang zur Bühne schnell die Hosenträger befestigt werden und die Schauspieler Bettina Burchard, Nils Brück und Paul-Louis-Schopf allmählich durch die optische Veränderung in ihre Rollen schlüpfen. Eine Theaterinszenierung, die über das Medium Fernsehen zugänglich gemacht wird? Funktioniert wunderbar, vor allem weil so interessante neue Perspektiven geschaffen werden, der zoom-in eine unmittelbare Nähe zu den Darstellern schafft. Und die filmischen Momentaufnahmen zeigen, dass im Theater das reibungslose Zusammenspiel von allen Komponenten vor, neben, unter, über und auf der Bühne Voraussetzung für ein gelungenes Ergebnis ist. Egal, ob Probe oder Premiere.
Ausgestrahlt wird der Beitrag am 19. Januar um 22.45 Uhr im SWR, zudem ist die Sendung „Kunscht!“ natürlich in der SWR-Mediathek rückblickend abrufbar.

Patricia Heiss ist als Praktikantin für sechs Wochen am Theater Heilbronn und sammelt dort Erfahrungen im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie studiert an der Universität Mannheim im fünften Semester Kultur & Wirtschaft

Jeton Nezijrajs »Die Windmühlen« für Kinder ab 10 Jahren rotieren ab 8. Januar 2017 in der BOXX

Kaleidoskop der (Un)Möglichkeiten

WAS TUN, wenn man ein Angebot erhält, das man nicht ablehnen kann?
WAS TUN, wenn ein Mensch, den man liebt, einen Traum hegt, dessen Erfüllung für einen selbst ein großes Opfer bedeutet?
WAS TUN, wenn man an der wohlmeinenden Fürsorge seiner Eltern zu ersticken droht?
WAS TUN, wenn plötzlich Schmetterlinge durch den Magen flattern?
WAS TUN, wenn man feststellt, dass auch Erwachsene nicht immer richtig liegen?
WAS TUN, wenn man sich plötzlich in einer Welt wiederfindet, die alles bisher Gekannte auf den Kopf zu stellen scheint?

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Aus Perspektive der zehnjährigen Gisela schickt das, extra für die Heilbronner BOXX entstandene, Gedankenspiel des kosovarischen Autors Jeton Neziraj Ensemble und Publikum durch eine Welt, die sich ohne den Filter des erwachsenen Vorurteils als weitaus weniger merkwürdig erweist als erwartet.
Ein Jahr und ein paar Monate sollen es sein, die man abseits der deutschen Heimat verbringen wird. Ziel der merkwürdigen Reise, im Zuge derer Vater Müller den Bau einer Windkraftanlage beaufsichtigen soll, ist UNMIKISTAN*.
10 Buchstaben, die innerhalb der Familie Müller völlig unterschiedliche Assoziationen wachrufen.
Während Vater Müller sich durch die hoffentlich erfolgreiche Umsetzung seines Auftrages bereits auf halbem Wege zum Nobelpreis sieht, stehen seiner Frau, der Juristin, beim Gedanken an eine völlig fremde Kultur mit sicherlich barbarischem Rechtsverständnis augenblicklich die Haare zu Berge – Karriere des Gatten hin, notwendige Entwicklungshilfe her.
Tochter Giselas Kopfkino hingegen, ist bei Aussicht auf ein solches Abenteuer kaum mehr zu bremsen. Was wäre, wenn sie das elterliche Verbot heimlich umgehen, die Welt jenseits des Gartenzauns entdecken und auf einen Jungen mit verschiedenfarbigen Augen treffen würde …?

*Hinter dem Ziel der merkwürdigen Reise der Familie Müller verbirgt sich nichts anderes als der Kosovo. Die sarkastische Bezeichnung UNMIKISTAN spielt auf den Umstand an, dass die Region seit 1999 unter Aufsicht einer Interims-Zivilregierung, der UNMIK (United Nations Interim Administration Mission in Kosovo) steht, deren Mitarbeitenden von kosovarischer Seite häufig Unregelmäßigkeiten, politische Willkür und sonstige Fehlverhalten vorgeworfen werden.