Wie Georg Büchner fragt Axel Vornam in seiner Inszenierung von »Dantons Tod« nach den Chancen und Konsequenzen revolutionären Handelns
Was ist das, was in uns lügt, hurt, stiehlt und mordet? lässt Georg Büchner seinen Georg Danton fragen. Genau diese Frage hat Büchner auch seiner Verlobten – oder sich selbst – in einem berühmten Brief von 1833 gestellt. Im Stück lässt er Danton weiter sprechen: »Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst!«
»Dantons Tod« ist das erste literarische Werk von Georg Büchner. Mit 20 Jahren hat er zu schreiben begonnen, mit 23 Jahren ist er im Zürcher Exil gestorben. Die drei Theaterstücke und die eine Erzählung, die er in dieser kurzen Zeitspanne geschrieben hat, können es aber, was Reife und Modernität betrifft, mit dem Lebenswerk vieler anderer, späterer und älterer Autoren aufnehmen.
Beim Lesen, Hören und Sehen von »Dantons Tod« muss man sich immer vor Augen halten, dass dieses gewaltige, unbändige Geschichtsdrama von einem sehr jungen Mann geschrieben wurde. Und das in einer ganz konkreten, extrem belastenden Situation: Büchner, der sich von Kindheit an für die französische Revolution interessiert und während seiner Studienjahre in Straßburg 1831 bis 1833 die Folgen der bürgerlichen Julirevolution in Frankreich kennengelernt hatte, war aktiv an revolutionären Bestrebungen in seiner Heimat Hessen beteiligt gewesen. Zusammen mit dem Butzbacher Rektor Weidig und anderen Freunden hatte er 1834 die politische Agitationsschrift »Der hessische Landbote« (»Friede den Hütten! Krieg den Palästen!«) herausgegeben, gedruckt und unter das Volk gebracht. Im Oktober 1834 war das Unternehmen durch einen Verräter bereits gescheitert. Büchner musste damit rechnen, wie Weidig und andere Gefährten vorgeladen, verhaftet und eingekerkert zu werden. Bei seiner Familie in Darmstadt stand er unter väterlichem Hausarrest und wurde argwöhnisch von den Polizeikräften überwacht. Die Möglichkeit, politische und soziale Veränderungen herbeizuführen, war in weite Ferne gerückt, wenn nicht unmöglich geworden.
In dieser Situation schrieb der 21-Jährige das Drama der französischen Revolution. Und er schrieb bewusst nicht über ihren Beginn und Aufbruch, sondern über ihr Scheitern und ihr Ende. Georg Büchner zeigt den anderen Georg (Danton) und seine Mit-Revolutionäre an einem Punkt, an dem sie sich nicht mehr als Gestalter, sondern nur noch als Werkzeuge der Geschichte empfinden können: »Wir haben nicht die Revolution gemacht, sondern die Revolution hat uns gemacht«.
An diesem Punkt setzt auch Regisseur Axel Vornams Arbeit mit seinem 14-köpfigen Ensemble an: Er zeigt die Revolutionäre als junge Menschen, die – wie Büchner bei seiner Arbeit an »Dantons Tod« — vor der Frage stehen, ob der oder die Einzelne überhaupt noch die Chance hat, soziale und politische Veränderungen herbeizuführen. Was macht die Erfahrung des Scheiterns aus den Revolutionären, aus ihren Idealen und Ideologien? Endet der radikale gesellschaftliche Wandel notwendig im Schrecken? Frisst die Revolution ihre Kinder? Mit einem Blick auf Ausstatter Tom Muschs monumentales Bühnenbildmodell, in dessen Zentrum ein Becken voller Schlick steht, bringt Vornam sein Konzept für die verzweifelnden Dantonisten auf eine Formel: »Wie fühlt es sich an, mit Tempo im Dreck stecken zu bleiben?«
Andreas Frane, Dramaturg
Dantons Tod
Drama von Georg Büchner
Premiere am 17. November 2012, 19.30 Uhr, im Grossen Haus