„From Minsk to Minsk is quite a journey“

Montag, 21. Januar 2013. Gerade drei Wochen ist das Jahr alt, und schon vier Premieren stehen zu Buche. Klar, dass bei diesem Tempo die nächste Runde von Inszenierungen nicht lange auf sich warten lässt. Nach dem Probenstart von Die Schatzsucher“ (Uraufführung) ist es heute für das Musical „Das Apartment“ und für die Oper „Minsk“ soweit. Das besondere Projekt, das Theater Heilbronn und Württembergisches Kammerorchester jedes Jahr herausbringen, ist diesmal eine Opernuraufführung. Lavinia Greenlaw und Ian Wilson, eine Dichterin und ein Komponist von europäischem Rang sind die Schöpfer von „Minsk“. Die Regie Regie führt Christian Marten-Molnár, der bereits bei Wilsons und Greenlaws erster Oper, „Hamelin“ 2003 die Uraufführung inszenierte.

Die Erinnerung ist wie ein Gefäß, in dem sich die Vergangenheit absetzen. Bruchstücke davon können auftauchen, man kann sie aufsuchen, oder sie können einen heimsuchen. Immer ist das Erinnern aber ein Gang in das Innere. Anna, die in einer überfüllten Londoner U-Bahn nach Hause fährt, tritt einen solchen Gang ins Innere an, als sie in ihren Gedanken versinkt, die sie in ihre Heimatstadt Minsk führen. Im Traum begegnet Anna sich selbst als Zwanzigjähriger, von allen Anoushka gennant, und ihrem Geliebten Fyodor, den sie zurückließ, als sie vor zwanzig Jahren Minsk verließ. Die vierzigjährige Anna muss feststellen, dass sie in Minsk etwas verloren hat, das sie nicht ersetzen kann, ihre eigene Stärke, ihre Liebe und einen Ort, an den sie gehört. Anoushka will davon nichts hören und beharrt darauf, dass sie aus Minsk fort müsse, egal wohin. Nur fort aus der beengenden Umgebung, dorthin wo der Himmel weit ist. Annas Reise beginnt in der Londoner U-Bahn und führt doch „von Minsk nach Minsk“. „Quite a journey“ – eine beträchtliche Reise in Annas Inneres, von wo die Protagonistin am Ende Unerwartetes mitbringen wird …

Johannes Frohnsdorf

Bühne

Der erste Kultur-Tweetup eines Stadttheaters in Deutschland findet am Sa, dem 16.02.2013, um 9:45 Uhr zu einer Probe der Oper Minsk (UA) im Großen Haus des Theaters Heilbronn statt! Anmeldung an @theat_heilbronn oder @KultUp auf twitter oder an schroeder@theater-hn.de
Wer auf Twitter dem Hashtag #kultup folgt, wird bereits ab dem 21.01.2013 mit Neuigkeiten versorgt, kann am Veranstaltungstag so den Tweetup verfolgen und sich auch aktiv ins Gespräch einbringen. Wer selbst keinen Twitter-Account besitzt, kann die Tweets über die Twitterwall verfolgen:
http://kultup.tweetwally.com

Prickelnder Witz, gefühlvolle Klänge

Loriots Kultinszenierung der komischen Oper »Martha« aus München zu Gast (Premiere 17.01.2013)

Diese Inszenierung ist Kult. Bereits seit 1997 läuft die komische Oper »Martha« von Friedrich von Flotow im Staatstheater am Gärtnerplatz in München und gehört zu den Beliebtesten Aufführungen des Hauses. Diese Oper avancierte schon kurz nach ihrer Uraufführung 1847 zu einer Lieblingsoper der Deutschen. Grund für den langanhaltenden und bis heute ungebrochenen Erfolg gerade dieser Inszenierung ist jedoch, dass sich ein wahrer Meister des Humors, nämlich Loriot, dieses biedermeierlichen Stoffes angenommen hat. »Er kehrt mit hintersinnigem Ernst und sehr geschickt den Unernst der komischen und gefühlstriefenden Affären hervor, mehr noch: Er entdeckt darin den Witz, legt ihn bloß, und der zeigt sich auf einmal so prickelnd, so strahlend wie noch nie. Es geschieht fast ohne Übertreibungen, obwohl man immerzu Loriot, den verschlagenen Opernhumoristen, erkennt … Ein intelligenter musikalischer Spaß, das ist es.« So euphorisch urteilte der Kritiker der Wochenzeitung »Die Zeit«, Manfred Sack, 1986, als die Inszenierung am Stuttgarter Staatstheater Premiere feierte, bevor sie 11 Jahre später in München neu aufgenommen  wurde. Loriot zeichnete nicht nur für die bis ins kleinste Detail liebevoll gearbeitete Inszenierung verantwortlich, wie man es in dieser Akribie auch aus seinen Fernsehsketchen kennt, er schuf auch die Kostüme und das Bühnenbild und damit eine bezaubernd heitere Szenerie.

»Martha« erzählt die fröhlich-sentimentale Geschichte von Lady Harriet Durham und ihrer Freundin Nancy, die sich aus Langeweile als Mägde Martha und Julia ausgeben. Prompt werden sie auf dem Gesindemarkt engagiert, erweisen sich im Hause des reichen Pächters Plumkett und seines Ziehbruders Lyonel aber als für die Hausarbeit völlig ungeeignet. Das Spinnen etwa müssen ihnen die Männer beibringen. Der Begeisterung der Herren für die neuen Haushaltshilfen tut dies jedoch keinen Abbruch.  Plumkett verliebt sich in Julia und Lyonel in Martha und nach vielen Irrungen und Wirrungen kommt es zum unvermeidlichen  Happy End.
Schon seit seiner frühen Jugend war Loriot opernsüchtig. Als Gymnasiast in Stuttgart soll er in mindestens 25 Opern als Komparse aufgetreten sein und die Werke auswendig gekonnt haben. Als ihn 1986 der damalige Stuttgarter Generalintendant Wolfgang Gönnenwein einlud, eine Oper seiner Wahl zu inszenieren, sagte er gern zu. Ob er »Martha« deshalb wählte, weil ihr Schöpfer Friedrich von Flotow genau wie Loriot alias Vicco von Bülow aus einem alten mecklenburgischen Adelsgeschlecht stammt? Überliefert ist, dass Lortzing ihm zu nahe gelegen haben soll, bei Mozart sei ihm die Musik zu schade gewesen und Wagner wäre ihm, dem Parodisten, ausgeliefert gewesen.
So wählte er »Martha«. Wahrscheinlich war es »die wunderliche, mitunter pikante Mischung aus Komik und Sentimentalität, aus Heiterkeit, entwaffnender Naivität und tränennasser Gefühlsseligkeit« (Manfred Sack in der »Zeit«), die ihn für dieses Werk einnahm.
Dank der zauberhaft-ironischen Interpretation von Loriot ist es bis heute ein großes Vergnügen – jetzt auch für 11 Vorstellungen in Heilbronn.

Silke Zschäckel, Pressereferentin

Wir verlosen Karten!

Für Freunde des Polit-Kabaretts gibt es am Sonntag, 20. Januar, um 20 Uhr das erste Highlight des Jahres in der Reihe Theater Spezial im Komödienhaus des Heilbronner Theaters: „Nachgetrettert – die kabarettistische Jahresrevanche“ mit Mathias Tretter. Sein Credo: Wer vergessen will, muss sich erinnern. An 2012 – das, wie manche meinen, beste Jahr seit Gaddafis Sturz. An Olympia. Und an den Euro. An unseren lustigen Verfassungsschutz. Und an den Euro. An Günter Grass’ hippes neues Stilmittel, die Iranie. Und den Euro. An die Kastration Norbert Röttgens trotz Beschneidungsverbot. Den Euro. Und natürlich an die Drachme.
Hier ist die Chance, endlich abzuschließen: Ohne Couch, ohne Kindheit, mit Spaß statt Freud. Alles Wissenswerte leicht verpackt, böse feixend, genau recherchiert, scharfzüngig, witzig, hochintelligent.

Aufgepasst! Wir verlosen exklusiv für unsere online Fans 2×2 Karten für die Kabarettistische Jahresrevanche mit Mathias Tretter am Sonntag, 20. Januar um 20 Uhr  im Komödienhaus! Wer uns bis morgen, 12 Uhr eine E-Mail an schroeder@theater-hn.de schreibt und uns mitteilt, was für Euch DAS Ereignis des Jahres 2012 war, hat die Chance, die Karten zu gewinnen.

 

Mathias TretterFoto: Inka Meyer
Mathias Tretter
Foto: Inka Meyer

 

Rechtliche Hinweise
Die Karten werden unter allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern verlost, die bis zum  Donnerstag, den 17.01.2013, um 12 Uhr eine E-Mail an schroeder@theater-hn.de geschrieben haben. Die Karten werden noch am selben Tag unter allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern verlost. Die Gewinner(innen) werden per E-Mail benachrichtigt. Die Preise dürfen nicht getauscht oder verkauft werden, insbesondere findet keine Barauszahlung statt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Ein gutes Klassenklima ist die beste Prävention

Expertenteam zu Gast bei Proben von »Good morning, boys and girls«

Auf Hochtouren laufen derzeit die Proben zu Juli Zehs Schauspiel »Good Morning, Boys and Girls«. Premiere ist am 18. Januar 2013 um 20 Uhr in den Kammerspielen. In dem Stück geht es um die »Anatomie eines Amoklaufs«. Jens, ein 16-jähriger Außenseiter, der über sich und die Welt grübelt, plant diese Tat. In seiner Fantasie sieht er schon den Medienrummel, den seine Tat auslösen wird: Die Reporterteams, die seine Eltern befragen und in seiner Schule nach den Ursachen forschen. Er war so ein liebes Kind, voller Fantasie, sagt die Mutter. Er war ein Loser, sagt der Vater. Er war anders als seine Mitschüler. Das hat ihn zum Außenseiter gemacht, sagt die Lehrerin.
Bereits zu Beginn der Proben haben Inszenierungsteam,  Schauspielensemble und Theaterpädagogin Katrin Singer eine Expertenrunde eingeladen, um Fragen, die sich in der Arbeit an dem Stoff stellen, klären zu können. Mit all ihrem Wissen und ihrer Erfahrung stellten sich Frau Dr. Marianne Klein, Chefärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom Klinikum Weißenhof in Weinsberg, und Reiner Pimpel von der Kriminalpolizei Heilbronn, verantwortlich für den Bereich Kriminalprävention, zur Verfügung. Sehr interessant waren auch die Fragen und Anregungen von Schülerinnen und Schülern vom Psychologiekurs des Theodor-Heuss-Gymnasiums Heilbronn. Die Diskussion drehte sich um die Fragen: Was treibt einen Menschen zu so einer unfassbaren Tat? Kann man einen potentiellen »school shooter« erkennen? Gibt es Warnhinweise? Wann geht man zur Polizei?
Aufmerksam gegenüber seinen Mitmenschen zu sein, empfiehlt Kriminalpolizist Rainer Pimpel als wichtigstes Mittel der Prävention. Außerdem: Mobbing und Ausgrenzung nicht zuzulassen. Grundbedürfnis des Menschen ist, anerkannt und gesehen zu werden, eben »Jemand zu sein«. Wird ein Schüler in seiner Klasse ausgegrenzt oder gar gemobbt, macht sich der Gedanke, dass alle Welt ihn hasse, immer breiter in seinem Kopf.

Diskussionsrunde
Diskussionsrunde

Wird er auch von seiner Familie nicht aufgefangen, findet er keinen Lehrer, der die Not erkennt (so wie es Jens in dem Stück geht) kann es gefährlich werden.
Wie sind solche Menschen psychisch gestrickt, wollte Schauspieler Gabriel Kemmether wissen, der den Jens spielt. »Allen gemeinsam ist eine massiv hohe Kränkbarkeit und eine große soziale Isolation«, sagt  Dr. Marianne Klein. Es ist der stille Schüler. Vielleicht war er nicht immer still, aber er wurde immer stiller. Er »verpuppt« sich, Rachegedanken kanalisieren sich in Tötungsphantasien. Er schreibt innnerlich »das Drehbuch« seiner Rache. Machtfantasien, der Gedanke, durch diese Tat gesehen zu werden, tun ihr Übriges. Ballerspiele sind nicht der Auslöser, sondern eher ein Ventil, um angestaute Aggressionen herauszulassen. Gleichwohl sollte man nicht vergessen, dass diese Shooting-Spiele unter anderem in den USA dazu eingesetzt werden, um Tötungshemmungen der Soldaten herabzusetzen, erklärt Rainer Pimpel.
Eine wichtige Rolle spielen die Medien, beschreibt Frau Dr. Klein. Zum einen gebe es nach umfangreicher Berichterstattung häufiger Trittbrettfahrer, die Amokläufe ankündigen.Zum anderen spielt die mediale Aufmerksamkeit, die ein Amokläufer bekommt, eine große Rolle in den Racheplänen eines potentiellen Täters  (so wie es auch in dem Stück beschrieben wird).
Was erhoffen Sie sich von diesem Stück, fragt Dramaturg Johannes Frohnsdorf in die Runde. Dass das Thema nicht verdrängt wird, denn sich damit auseinanderzusetzen gehört mit zur Prävention, sagt Reiner Pimpel. Er wird auch im Anschluss an ausgewählte Vorstellungen als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Die Sensibilität für die Mitmenschen zu schärfen, das Geflecht an Ursachen wenigstens anzureißen, hofft Frau Dr. Klein.
Mobbing nicht zuzulassen, bei den Mitschülern genauer hinzuschauen, für ein gutes Klassenklima zu sorgen – diesen Effekt wünschen sich die Schüler in der Auseinandersetzung mit dem Stück »Good morning, boys and girls«.
Insofern ist dies nicht nur ein Stück über Amoklauf, sondern darüber, angenommen und gesehen zu werden.

Von Silke Zschäckel, Jana Strigel und Mona Pekarek

Und hoppla, jetzt werde ich 80

Mit Ingrid Richter-Wendel auf der Suche nach dem Geheimnis der ewigen Jugend

Es gibt Menschen, denen kann die Zeit nichts anhaben. Sie verblühen nicht, sie werden nicht unsichtbar, sie bleiben immer schön. Ingrid Richter-Wendel ist so ein Mensch. Am 20. Januar wird sie 80 Jahre alt. Wer sie sieht, ob auf der Bühne oder privat, der kann das kaum glauben. Intendant Axel Vornam erinnert sich an seine erste Begegnung mit ihr vor fünf Jahren in einem Heilbronner Café: »Da saß mir eine Mittsiebzigerin gegenüber, mit Augen, so lebendig wie bei einem jungen Mädchen, mit einem ansteckenden Lachen, einer großen Neugier und einer unglaublichen Attraktivität. Ich war hingerissen.«
Worin liegt das Geheimnis ihrer ewigen Jugend? »Ich zähle die Jahre nicht«, sagt Ingrid Richter-Wendel. »Ich spaziere von Anbeginn durchs Leben, mal frohgemut, mal mühselig und beladen und hoppla, jetzt werde ich 80.« Sie habe noch nicht einen Tag mit ihrem Alter gehadert. »Dafür hatte ich nie Zeit.« Als Schauspielerin mit vier Kindern, nach dem frühen Tod ihres ersten Mannes viele, viele Jahre alleinerziehend, waren ihre Tage übervoll und die Gelegenheiten, vor dem Spiegel nach Falten zu suchen, selten. Es galt, Proben, Vorstellungen und den Alltag für sich und die  Kinder zu organisieren: »Wenn mich heute einer fragt, wie das ging: Ich weiß es nicht. Aber es ging – auch dank meiner Nachbarn in der Weinsberger Straße, die mit auf meine Kinder aufgepasst haben und dank meiner Vermieterin, die sogar für uns gekocht hat.«

ingrid3 ingrid4

Außerdem habe sie sehr viel Glück gehabt, sagt sie mit blitzenden Augen und man ahnt, dass sie dieses Glück im Wesentlichen sich selbst zu verdanken hat. Ihr Schulrektor erkannte einst ihr Talent und schickte sie zum Vorsprechen an die Schauspielschule Leipzig. »An dem Tag war noch niemand genommen worden und ich war die Letzte. Die älteren Schauspielschüler haben mich gefragt, ob ich Stanislawski kenne, nach dessen Methode an der Schauspielschule unterrichtet würde. Keine Ahnung hatte ich davon und ich war mir sicher, dass ich es nicht schaffen würde.« Doch sie wurde genommen, war in einem Studienjahr mit Eberhard Esche und Klaus Piontek. Es folgten drei Jahre Schauspielschule mit einer hervorragenden Ausbildung (»Jeden Tag Sprecherziehung! – davon profitiere ich noch heute!«), ein praktisches Jahr in Dresden, das erste Engagement in Meiningen. Ihr Mann, der Regisseur Fritz Wendel, 25 Jahre älter als sie, war Westberliner und inszenierte vor dem Bau der Mauer an vielen Theatern in der DDR. Als das kleine Land im Osten begann, seine Menschen einzusperren, gingen die beiden in den Westen. »Dort bekam ich erst einmal die Kinder.« Ihr Mann arbeitete in den Theatern der Bundesrepublik, und sie eroberte nach und nach über Gastspielverträge die Bühne wieder zurück. Als ihr Mann, der auch in Heilbronn inszenierte, starb, erhielt sie einen Kondolenzbrief vom damaligen Heilbronner Intendanten Walter Bison, der ihr einen Gastvertrag als Schauspielerin anbot. Nach einem sehr kurzen Vorsprechen: »Spiel mal einen Ausbruch, kannst Du das?«, erhielt sie ein Festengagement und zog mit ihren Kindern nach Heilbronn. Die Intendanten Walter Bison und später Klaus Wagner sicherten ihr zu, dass sie sich niemals Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen müsse. »Das war ein sehr gutes Gefühl«, sagt Ingrid Richter-Wendel heute noch mit Dankbarkeit. Vor allem auch wegen der Kinder. Um diese nicht zu entwurzeln, hat sie Angebote anderer Häuser ausgeschlagen.  Seit über 40 Jahren steht sie in Heilbronn auf der Bühne und das Publikum liebt sie. »Es kam Intendant Martin Roeder-Zerndt und ich spielte weiter. Und jetzt ist Axel Vornam da und ich spiele weiter.«

Ingrid Richter-Wendel
Ingrid Richter-Wendel
Fotos: Fotostudio M42

Ganz klar ist das Theaterspielen für sie ein Jungbrunnen. Das Nachdenken über die zu verkörpernden Figuren und über die gesellschaftlichen Zusammenhänge ist ihr wichtig und es sorgt auf wohltuende Weise dafür, dass man sich selbst nicht so wichtig nimmt, meint sie. Sie ist eine Schauspielerin, die alles ausprobiert, sich für nichts zu schade ist – das schätzen ihre Kollegen an ihr. Wie ist es für sie, dass ihr Name quasi ein Synonym für das Theater Heilbronn ist? »Unheimlich«, sagt sie. »Aber auch schön. Ich erhalte Rückmeldungen für jede Inszenierung, Lob und Tadel. Und ich werde immer nach meiner Meinung  gefragt.« Dann bricht sie gern eine Lanze für Stücke, die das Publikum fordern. Sie kann es nicht begreifen, wenn jemand sich beschwert, dass ein Abend zu anstrengend sei. »Es macht Spaß, sich anzustrengen«, sagt sie. »Immer nur Schokolade essen, ist langweilig. Man muss auch mal was zu beißen haben.« Erst »Verbrennungen«, dann »Wie im Himmel« – deshalb liebt sie das Stadttheater.
Besonders ihr Stadttheater in Heilbronn, der Stadt, die sie warmherzig ihr Zuhause nennt. Hier fühlt sie sich geborgen und gut aufgehoben. »Es geht mir richtig gut.«
Wahrscheinlich ist dies das Geheimnis ihrer Jugend. Sie ist glücklich, weil sie glücklich sein will und aktiv dafür arbeitet. Sie genießt die Schönheiten des Lebens und betrachtet die Probleme als Herausforderungen. Sie liebt leidenschaftlich ihren Beruf, der sie immer wieder fordert und dessen Handwerk sie perfekt beherrscht. Sie schwärmt von ihrem Mann, dem bildenden Künstler Joachim Bertsch, mit dem sie seit über 30 Jahren wunderbar reden und auch heftig streiten kann. Sie erzählt liebevoll von ihren Kindern und Enkelkindern, zu denen sie eine innige Beziehung pflegt. Sie arbeitet gern mit ihren Kolleginnen und Kollegen, von denen sie sich  geschätzt fühlt. Sie hat ein Auge für die kleinen Feinheiten des Alltags und so viele Momente der Freude am Tag. Sie ist aufmerksam und sensibel für ihre Mitmenschen, über deren Erfolge sie sich ehrlich mitfreuen kann. Und sie ist von einer so liebenswerten Neugier und so unbändigen Lebenslust, dass man sich wünschte, die wären ansteckend.
Kurz vor ihrem 80. Geburtstag freut sie sich auf die nächsten Rollen: »Ja, ich spaziere noch ein bisschen weiter auf meinem Lebensweg, mal frohgemut, mal mühselig und beladen …« Sagt´s und lächelt schelmisch, wie ein junges Mädchen.

Mit einer Matinee in den Kammerspielen feiert das Theater am 20. Januar um 11 Uhr den Geburtstag von Ingrid Richter-Wendel. Gratulanten sind herzlich eingeladen.

Silke Zschäckel

»Seid fidel!«

Gerhart Hauptmanns »Einsame Menschen« ab dem 12. Januar im Großen Haus

Kann es zwischen einem Mann und einer fremden Frau eine kameradschaftliche, intellektuelle Verbindung geben, ohne dass seine Ehe deshalb in Gefahr gerät? Der in Niederschlesien geborene Autor und selbsternannte »Sohn von Goethe« Gerhart Hauptmann (1862-1946) spielt diese Frage in seinem 1890 entstandenen Drama »Einsame Menschen« durch und kommt zu dem – vielleicht nicht ganz so überraschenden – Schluss: Drei ist immer einer zuviel.
Das Stück spielt in einem Landhaus am Müggelsee. Der junge Gelehrte Johannes Vockerat und seine Frau Käthe haben ihr erstes Kind bekommen. Johannes kommt mit seiner wissenschaftlichen Arbeit nicht voran und wird zunehmend gereizter. Weder sein Freund, der Maler Braun, noch Käthe vermögen ihn zu beruhigen oder ihm die nötige Kraft zum Weiterschreiben zu geben. Erst als die russische Studentin Anna auftaucht, blüht Johannes plötzlich auf. Er ist hingerissen von der klugen, selbstbewussten und unabhängigen jungen Frau. In ihr findet er eine ebenbürtige Gesprächspartnerin. Doch die zunehmende Vertrautheit zwischen Anna und Johannes fordert ihren Preis. Käthe fühlt sich mehr und mehr überflüssig, auch Braun kommt nicht mehr zu Besuch und Johannes’ fromme Eltern äußern moralische Bedenken. Doch Johannes möchte Anna in seinem Leben nicht mehr missen. Die Katastrophe scheint unausweichlich.

Mit seiner Frau Käthe (Judith Lilly Raab) hat Johannes Vockerat (Sebastian Weiss) ein Kind bekommen. Doch als die Kluge Anna (Luise Schubert) in sein Leben tritt, Steht er zwischen zwei Frauen.Foto: Fotostudio M42
Mit seiner Frau Käthe (Judith Lilly Raab) hat Johannes Vockerat (Sebastian Weiss) ein Kind bekommen. Doch als die Kluge Anna (Luise Schubert) in sein Leben tritt, Steht er zwischen zwei Frauen.
Foto: Fotostudio M42

Gerhart Hauptmann galt und gilt als einer der Naturalisten des deutschen Dramas. Wirklichkeitsgetreu und ohne Deutung und Verklärung wollten die Naturalisten schreiben. Auch Hauptmann bediente sich vor allem vieler Themen und Situationen aus der Realität der zunehmenden Industrialisierung (»Die Weber«, 1892; »Vor Sonnenaufgang«, 1888/89), aber auch aus dem privaten Leben. »Einsame Menschen« sei immer sein liebstes Stück gewesen. Durchlebt wurde es bereits in aller Ausführlichkeit von seinem Bruder Carl. Drei Hauptmann-Brüder haben drei Thienemann-Schwestern geheiratet. Als die junge polnische Studentin Josepha in Carls Leben tritt, scheinen die engen Familienbande gefährdet.
Carl unternimmt lange Spaziergänge mit ihr, bittet sie, eine Zeit in Berlin mit seiner Frau zu verbringen und auch Gerhart stellt er sie vor. Doch bevor »das Gift einer eiternden Wunde binnen kurzem alles vergiften konnte«, wird Carl, nicht zuletzt von Bruder Gerhart, gedrängt, das »Verhältnis« zu beenden.
»Einsame Menschen« ist kein soziales Drama, sondern ein Familiendrama. Es beschreibt die Veränderung der sozialen Rollen im Zuge der Modernisierung des 20. Jahrhunderts. Wenn der Mann (Johannes) nicht mehr die Grundbedingungen des männlichen Geschlechtscharakters verkörpert, sondern eine junge Frau (Anna), dann muss das geschlechtskonforme Verhalten der Ehefrau (Käthe) ins Leere laufen und damit in einem Drama enden. Zurück bleiben moderne, aber schwache Menschen.

Einsame Menschen eben, deren Entfremdung in der Inszenierung von Chefregisseur Alejandro Quintana einen kraftvollen Ausdruck findet. Durch einen technisch-optischen Kniff wird im Bühnen- und Kostümbild von Stefan Brandtmayr und Cornelia Kraske die Haltlosigkeit dieser Menschen atmosphärisch-visuell unterstrichen.

Stefanie Symmank

Eines Tages werde ich alles vergessen haben

»Am Horizont« von Petra Wüllenweber hat am 11. Januar Premiere in den Kammerspielen 

ICH WERDE ALLES VERGESSEN. IRGENDWANN WERDE ICH SOGAR VERGESSEN HABEN, DASS DU MEIN ENKEL BIST erklärt der Opa seinem Enkelsohn Janek in dem Theaterstück »Am Horizont«.
Ungefähr 20 Prozent der deutschen Bevölkerung sind 65 Jahre und älter. Schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen leiden in Deutschland an der Alzheimer-Krankheit. Diese Diagnose bedeutet immer einen tiefen Einschnitt im Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen, denn zu den Symptomen gehören unter anderem Gedächtnisverlust, Verlust der Sprachfähigkeit und des Urteilsvermögens, weitgehende Veränderung der Persönlichkeit sowie starke Stimmungsschwankungen. Gerade Kinder sind mit der Situation überfordert, wenn die geliebten Großeltern sich auf einmal verändern. Dazu kommt, dass etwa 70 Prozent aller Demenz-Kranken zu Hause gepflegt werden und Kinder so noch viel direkter den Verlauf der Krankheit, für dies es bislang keine Heilung gibt, mitbekommen. Dass dies nicht einfach ist, zeigt das Stück »Am Horizont«, das die Überforderung der Familienmitglieder aus der Sicht eines 10-Jährigen erzählt.

Erst sah es nur aus wie Schusseligkeit, als der Großvater im Bademantel ins Kino wollte ... Stefan Eichberg spielt den demenzkranken Großvater von Janek.  Foto: Antjé Femfert
Erst sah es nur aus wie Schusseligkeit, als der Großvater im Bademantel ins Kino wollte … Stefan Eichberg spielt den demenzkranken Großvater von Janek.
Foto: Antjé Femfert

Janek und seinen Opa verbindet die Leidenschaft für den Schwimmsport. Sein Opa, der 1968 Mitglied der deutschen Olympia-Mannschaft im Schwimmen war, trainiert ihn. Janek ist zunächst gar nicht begeistert davon, dass der Großvater plötzlich bei ihnen einzieht. Doch nach und nach stellt sich heraus, warum Opa nicht mehr alleine leben kann: Er wird immer vergesslicher. Erst liest er die Zeitung von gestern, dann will er im Bademantel ins Kino gehen und schließlich erkennt er sein eigenes Spiegelbild nicht mehr. Diagnose: Alzheimer. In Anna, einer neuen Mitschülerin, findet Janek eine Freundin und Verbündete.
Petra Wüllenweber, die Autorin des Stückes, ist auch als Regisseurin bekannt. In der Spielzeit 2011/2012 inszenierte sie  »Das Herz eines Boxers« von Lutz Hübner. Sie schildert in »Am Horizont« die Not der Angehörigen, ihre Überforderung und ihre Verzweiflung. Und trotzdem gelingt es ihr, die schönen Momente festzuhalten, die Janek mit seinem Opa teilt. Das Stück wurde 2010 bei den Mülheimer Theatertagen nominiert und belegte den 3. Platz. Auf die Frage, wie viel Realität man 10-Jährigen im Theater zumuten kann, antwortet Petra Wüllenweber: »Das Drastische begegnet den Kindern im Leben. Und in diesem Fall viel unmittelbarer und nicht nur als »Theater«. Das Stück »Am Horizont« bietet eine Chance zu verstehen, was passiert, wenn jemand an Alzheimer erkrankt. Und es zeigt auch, wie schwer dieser Zustand für die Angehörigen ist. Das Thema Demenz existiert in unserer Gesellschaft – es aufzugreifen heißt, Kinder mit ihren Fragen dazu ernst zu nehmen.«
Regisseur Nils Brück, der als Schauspieler am Theater Heilbronn engagiert ist und gerade mit dem Kilianspreis ausgezeichnet wurde, setzt das Stück für Kinder ab 10 Jahren einfühlsam in Szene.

»Ich weiß jetzt, wie Opa in den Himmel gelangt. Schließlich ist er ein Delphinschwimmer. Wenn du am Strand stehst, siehst du, wie sich weit draußen Meer und Himmel berühren. Da schwimmt Opa hin. Er schwimmt zum Horizont.« Janek in »Am Horizont«

Antjé Femfert

 

Brückenbauer Zwischen Kunst und Technik

Wohl jeder Mitarbeiter des Theaters wurde in seinem Berufsleben schon einmal gefragt: »Und was machen Sie vormittags?« Viele Menschen haben im Kopf, dass an den Abenden die Vorstellungen im Theater laufen, und können sich nicht vorstellen, dass Mitarbeiter dort fast rund um die Uhr und natürlich auch vormittags arbeiten. Zum Beispiel die technische Leitung

Viele Bühnenbildner lieben das Theater Heilbronn. Das liegt vor allem an den Menschen, die dafür sorgen, dass aus ihren Entwürfen ein beeindruckender, gut bespielbarer Bühnenraum entsteht, der schnell ab- und aufgebaut werden kann und trotz opulenter Optik nicht zu teuer ist.
Die Verantwortung dafür trägt das technische Leitungsteam  bestehend aus dem Technischen Leiter Heiko Pfützner und der Produktionsleitung mit Karin von Kries und Reinhard Gerlinger – drei ganz unterschiedliche Menschen, die ein perfektes Team bilden. Heiko Pfützner ist seit Mai 2008 Technischer Leiter des Theaters Heilbronn. Der gelernte Maschinen- und Anlagenbauer kam aus Liebe zur Oper ans Theater. Er begann als Bühnentechniker am Staatstheater am Gärtnerplatz in München, wurde dann Seitenmeister, machte später an der Oper Leipzig seine Ausbildung zum Bühnenmeister, arbeitete in dieser Funktion wieder in München, ging dann nach Hamburg, um den Meister für Veranstaltungstechnik/Beleuchtung zu absolvieren und parallel an der Staatsoper Hamburg zu arbeiten. Dann wurde er stellvertretender technischer Direktor in Kassel. Jetzt hat er als technischer Leiter in Heilbronn die Verantwortung für alle technischen Abteilungen und die  Werkstätten. Er ist immer da und packt am liebsten selbst mit an. »Theater ist mein Hobby«, sagt er. Prägend war für ihn die Erfahrung mit der ersten Oper, bei der er mitgearbeitet hat: »Eugen Onegin« (1994) mit einem gigantischen Bühnenbild. »Ich war sooo stolz«, sagt er. Und dann hat das Publikum die Inszenierung ausgebuht. »Für mich war das unbegreiflich, das tat richtig weh.« Noch heute fiebert er bei jeder Inszenierung mit, lebt für den künstlerischen Erfolg seines Hauses.

TechnischeLeitung
Dass aus einem Bühnenbildmodell eine beeindruckende, gut bespielbarer Bühnenraum wird, dafür sorgen Karin von Kries, Heiko Pfützner und Reinhard Gerlinger – das technische Leitungsteam des Theaters.
Foto: Fotostudio M42

 

Dass er mit Herzblut bei der Arbeit ist und sich niemals »nur« für die technische Lösung seiner Aufgaben interessiert, teilt er mit seinen Kollegen. Reinhard Gerlinger ist gelernter Zimmermann und Bautechniker. Er kam 1985 an das Theater Heilbronn, als ein Mitarbeiter mit handwerklichem Geschick, Sinn für Verwaltung und künstlerischem Interesse gesucht wurde. Seitdem verantwortet er den Bau der Bühnenbilder. Langeweile bei der Arbeit? »Die gibt es nicht.« Wer erinnert sich nicht an den gigantischen 6×6 Meter großen Plattenspieler aus »Kiss me Kate«, der sich wie von Geisterhand öffnen konnte, einen sich drehenden und bespielbaren Plattenteller hatte, auf dem 20 Menschen tanzten und der trotzdem so leicht sein musste, dass er ganz einfach auf die Bühne geschoben werden konnte. Die Vorgabe lautete: Wir brauchen einen großen Plattenspieler, der so einiges können muss. Wie solche Wünsche umzusetzen sind, daran tüftelt Reinhard Gerlinger zusammen mit den Bühnenmeistern und den Werkstätten. Und seit dem Sommer zusätzlich mit  Karin von Kries, die als dritte im Bunde das Leitungsteam verstärkt. Sie hat Architektur studiert, aber schon während ihres Studiums als Bühnenbildassistentin gearbeitet und sich bald danach für das Theater entschieden. »Architektur ist mir zu langsam, und in den großen Büros ist man nur ein kleines Rädchen, hat nie die Verantwortung für ein ganzes Projekt.« Hier verantwortet sie den Bau von rund zehn Bühnenbildern im Jahr. Außerdem macht sie eigene Ausstattungen, wie derzeit für das Stück »Am Horizont«. Rund ein halbes Jahr vor einer Premiere kommt die technische Leitung mit dem Inszenierungsteam zusammen und bespricht das Bühnenbild. Konnten Regisseur und Bühnenbildner später in der Intendanz ihr Konzept überzeugend darlegen, geht es in die Bauprobe. Dort werden die Kulissen aus Sperrholz, Packpapier, Stoffen und alten Bühnenbildteilen angedeutet. Hier wird getestet, ob alle Sichtlinien in Ordnung sind. Können die Kulissen gelagert werden, wenn ein anderes Stück gespielt wird? Sind alle gewünschten Effekte technisch umzusetzen? Und ist das Bühnenbild finanzierbar? Ist alles geklärt, gibt es die Werkstattbesprechung: Bühnenbildner, Produktionsleiter, Bühnenmeister und die Leiter der Werkstätten sitzen zusammen und reden über Materialien, Farben, Stoffe, Oberflächen und die optimale Terminierung der Bauprozesse. Diese strikte Planung fordert von den Künstlern ein sehr klares Konzept. So wird sparsam mit Arbeitskraft und Geld umgegangen. Fragen können sofort geklärt werden, ohne dass Informationen in Hierarchien verloren gehen, und die Kompromisse sind von allen fair ausgehandelt. Hinterher fertigen Gerlinger und von Kries die technischen Zeichnungen, bestellen die Materialien und los gehen die Bauarbeiten. Rund zehn Tage vor der Premiere erleben sie dann gemeinsam mit den Werkstätten und den Technikern ihre kleine Premiere zur Technischen Einrichtung. Dann steht erstmals das komplette Bühnenbild und muss in den nächsten Proben beweisen, dass es alle Herausforderungen besteht. »Die Lösungen, die dieses Team findet, sind oft außergewöhnlich. Nie heißt es, dass etwas nicht geht«, schwärmt Bühnenbildner Tom Musch. Doch das ist für Heiko Pfützner, Reinhard Gerlinger und Karin von Kries nicht der Rede wert. Sie geben das Kompliment weiter an ihre Kollegen in den Werkstätten und der Technik. »Auch da wird kein Dienst nach Vorschrift gemacht, sondern alle tüfteln und suchen kreativ nach den besten Lösungen. Wir sind ein Team«, sagen die Drei, und das ist kein leeres Gerede.

Silke Zschäckel, Pressereferentin

Poetry! – Dead or Alive?

SWR2 Kulturnacht am 18. Januar im Komödienhaus

Im Wettstreit der Worte geht’s um Leben und Tod – Gegenwartspoeten mit eigenen, unveröffentlichten Texten treten gegen zum Teil bereits verstorbene Berufskollegen an, verkörpert von Schauspielerinnen und Schauspielern des Heilbronner Theaters.
Dichter also gegen Dichter, das Publikum der Richter: Das spektakuläre Poesie-Theater-Format »Poetry! – Dead or Alive?« wurde 2003 von den beiden Slam-Aktivisten Rayl Patzak und Ko Bylanzky in den Münchner Kammerspielen begründet. Heute ist es in vielen namhaften Häusern wie etwa dem Hamburger Schauspielhaus, dem Schauspielhaus Zürich oder an der Berliner Schaubühne dank seiner originellen Ausdruckskraft, seiner interaktiven Dynamik und überraschenden Lebendigkeit ein Publikumsmagnet. Schauplatz von »Poetry – Dead or alive?« im Rahmen der SWR2 Kulturnacht  am 18. Januar ist das Komödienhaus des Theaters Heilbronn. Der Modus: Jedem der Teilnehmer stehen für seinen Auftritt sechs Minuten Zeit zur Verfügung. Und zur Verführung: Es gilt, das interessierte, kritische und scharfrichtende Publikum auf die eigene Seite zu ziehen, mit dem, was seit jeher die Qualität von Sprache ausmacht: Witz, Poesie, Imagination, Esprit, Drive, »Überredungskunst«, kurz all dem, was Wörter zu Worten macht. Die sich duellierenden Gruppen – Slammer hier, SchauspielerInnen dort – absolvieren ihre Wortduelle, vom Publikum jeweils mit Punkten bewertet. Abschließend treten die zwei Wortgewaltigsten als Finalisten gegeneinander an – dann hat das Publikum das letzte Wort.

Poetry
Zeichnung: SWR2

Abgesehen natürlich vom Moderator – in diesem Falle Bernd Lechler von SWR2. Seitens der Gegenwarts-PoetInnen werden aufgeboten: Anke Fuchs aus Köln, eine Meisterin der leiseren, lyrischen Töne, Ahne aus Berlin, der wohl prominenteste Vertreter der Lesebühnen-Fraktion, der seine Zungenfertigkeit mittlerweile auch zu Papier gebracht hat (»Wie ich einmal die Welt rettete«), das Doppel Hanz ‘N Roses, die beiden charmanten Live-Performer aus dem Großraum Stuttgart, Daniel Wagner,  Sprech-Entertainer und furioser Wortspieler, dabei Geschichts- und Lateinstudent mit Ziel Lehramt aus Heidelberg, und Sulaiman Masomi aus Paderborn, ein Chronist der Strapazen des Alltags und im Auftrag des Goethe-Instituts weltweit aktiv als Botschafter der deutschen Literatur.
Das die Größen der Literaturgeschichte personifizierende Team vom Theater Heilbronn geht mit fünf Akteuren seines in zahlreichen Aufführungen nervengestählten, sprach- und darstellungsgewandten, über den Heilbronner Bühnenrand hinaus bekannten und bewährten Ensembles ins Wortrennen. Das sind Luise Schubert, Oliver Firit, Peter Volksdorf, Sebastian Weiss und Frank Lienert-Mondanelli.  Man darf gespannt sein, wer letztlich überlebt – die lebenden oder die toten Dichter…

Für die musikalischen Akzente des Abends sorgt der Heidelberger Jo Bartmes (die Heilbronner kennen ihn als musikalischen Leiter und Komponisten der Kultinszenierung »Eine Sommernacht«). Seine Band: Fola Dada (vocals), Jo Bartmes (organ, whistling, voc), Frank Spaniol (bassclarinet, effects), Sebastian Merk (drums). Virtuos bringt  die Formation die unterschiedlichsten Stilrichtungen und  Arrangements mit-, in- und gegeneinander ins Schwingen, von Nu-Jazz, Neo-Soul, Progressive Pop, Drum&Bass bis zu Filmmusik und Indie-Beat.

Reinold Hermanns

Veranstaltung:
Komödienhaus
Theater Heilbronn,
18. Januar 2013,
20.00 – ca. 23.00 Uhr

Sendung:
26. Januar 2013,
20.03 – 22.00 Uhr
SWR2