Von der Suche nach einem Rezept für Reichtum und Glück

Kai Tietje und Thomas Winter haben die legendäre Kabarett-Revue »Wie werde ich reich und glücklich?« aus dem Jahr 1930 für Heilbronn wiederentdeckt

von Sophie Püschel

Lennart Olafsson, Eve Rades; Foto: Rebekka Gogl

Wer wäre nicht gern reich und glücklich? Das denkt sich auch der mittellose Kibis, der im Zentrum von Felix Joachimsons und Mischa Spolianskys Kabarett-Revue »Wie werde ich reich und glücklich?« steht, die 1930 zum Publikumsschlager avancierte und ein Jahr später fürs Kino verfilmt wurde. Denn neben einer turbulent-heiteren Geschichte mit allerhand unerwarteten Wendungen und einem Reigen an liebenswert-skurrilen Figuren, bietet die Revue auch Lieder mit Ohrwurmgarantie, die der musikalische Leiter Kai Tietje eigens für die Heilbronner Inszenierung arrangiert hat. Neben dem siebenköpfigen Ensemble werden insgesamt 13 Musikerinnen und Musiker das Publikum in die (musikalische) Welt der späten 20er-Jahre entführen. Für das optische Flair sorgt der Bühnen- und Kostümbildner Toto mit aufwendigen Kostümen im Stil der Zeit sowie einer verblüffenden Bühnenlösung, die den Blick freigibt auf das schwindelerregende Berliner Großstadt-Labyrinth.

Berlin 1930: Der arbeitslose Kibis (Lennart Olafsson) lebt auf Pump und schlägt sich mehr schlecht als recht durchs Leben. Gerade als ihm sein Vermieter wegen Zahlungsversäumnissen mit der fristlosen Kündigung droht, erreicht ihn der Ratgeber von Dr. C. M. Pausback mit dem verheißungsvollen Titel »Wie werde ich reich und glücklich?«, der die Lösung all seiner Probleme in nur wenigen Schritten verspricht. Auch im Briefkasten der wohlhabenden Marie (Eve Rades) landet der besagte Ratgeber, den sie aufmerksam studiert. Während sich Kibis nichts dringlicher wünscht, als mit Hilfe der Pausback’schen Leitsätze dem sozialen Elend zu entfliehen und endlich frei von finanziellen Sorgen zu sein, sehnt sich die vom Luxus gelangweilte Marie nach dem Glück. Im unbekümmerten Leben der jungen Frau dreht sich alles um Mode, Beauty und Lifestyle. Doch sie spürt, da muss es noch mehr geben! Die akribische Befolgung der Leitsätze führt Kibis und Marie schließlich zusammen. Beide erkennen, dass sie einander für den erfolgreichen Abschluss des Ratgeber-Kurses benötigen, weshalb sie Hals über Kopf heiraten. Kibis ist reich und Marie ist glücklich, oder? Anders als man erwarten könnte, endet die Handlung an dieser Stelle nicht, sondern nimmt erst richtig an Fahrt auf. Oder um ein Lied der Revue beim Wort zu nehmen: »Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt … «
Denn Maries Vater, der pragmatische Automobil-Warenhaus-Besitzer Regen (Stefan Eichberg), hat in dieser Geschichte ebenso ein Wörtchen mitzureden wie auch Kibis’ patente Jugendfreundin Lis (Sarah Finkel) und Regens dauergestresster Branchenfreund F. D. Lohrenz (Arlen Konietz). Durch die turbulentüberraschende Handlung führen in der Inszenierung von Thomas Winter die beiden Conférenciers Oliver Firit und Juliane Schwabe, die an diesem Abend in insgesamt 14 Rollen
schlüpfen werden.

Mitten in der Weltwirtschaftskrise, die die Weimarer Republik im Mark erschütterte, treiben Felix Joachimson und Mischa Spoliansky mit ihrer Kabarett-Revue das Credo, dass jeder selbst seines Glückes Schmied und sozialer Aufstieg für jeden möglich ist, satirisch auf die Spitze. Ihr augenzwinkerndes Rezept für Reichtum und Glück ist ganz im Sinne der modernen Konsumgesellschaft nicht in der Bibel, sondern in einer Reklamebroschüre zu finden. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher und politischer Krisen erfreut sich die Ratgeber-Literatur, die einfache Antworten auf komplexe Fragen bietet, besonderer Beliebtheit – damals wie heute.

Ob die Leitsätze von Dr. Pausback tatsächlich zu Reichtum und Glück verhelfen, erfahren Sie ab dem 9. März 2024 im Großen Haus.

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Cleverer Friseur verhilft verhindertem Liebespaar zum Glück

Rossinis »Der Barbier von Sevilla« kommt in zwei verschiedenen Gute-Laune-Inszenierungen nach Heilbronn

von Silke Zschäckel

Staatstheater Meiningen; Foto © Christina Iberl

Das ist der Stoff, aus dem Komödien gestrickt werden: Ein alter Mann begehrt ein junges Mädchen und noch viel mehr dessen Geld. Ein junger Mann erobert ihr Herz und schnappt sie ihm mit Hilfe zahlreicher Finten des örtlichen Barbiers Figaro weg. Wenn man diese turbulente Geschichte mit ihren zahlreichen Verwicklungen und Intrigen noch mit einer gleichermaßen betörend schönen und mitreißenden Musik untermalt, dann hat man eine komische Oper, die an sprudelndem Temperament und Witz kaum zu überbieten ist: »Der Barbier von Sevilla« von Gioachino Rossini. Der junge italienische Komponist war erst 23 Jahre alt, als er dieses Meisterwerk der leichten Unterhaltung mit seinen Ohrwurmmelodien schrieb. Die Vorlage war die gleichnamige Komödie von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais.

Staatstheater Meiningen; Foto © Christina Iberl

»Der Barbier von Sevilla« kommt in zwei verschiedenen Inszenierungen als Gastspiel nach Heilbronn. Die wunderbar leichtfüßige und warmherzige Inszenierung vom Staatstheater Meiningen lag in den Händen von Brigitte Fassbaender. Hier stehen zwischen dem 17. und 27. Januar vier Vorstellungen auf dem Programm. Am 15. Februar feiert die kunterbunte und vor skurrilem Humor nur so strotzende Inszenierung von Inga Levant vom Theater und Orchester Heidelberg Premiere, die bis zum 2. März fünfmal in Heilbronn zu sehen ist. Vielleicht ist es für manchen Musiktheaterfreund ein besonderes Vergnügen, sich beide Bearbeitungen dieser Oper anzuschauen und zu erfahren, wie unterschiedlich man ein und denselben Stoff interpretieren kann. Es lohnt sich in jedem Fall.

Theater und Orchester Heidelberg; Foto © Susanne Reichardt

Die Grundzüge der Handlung sind in beiden Inszenierungen gleich: Graf Almaviva ist schwer in die junge, schöne Rosina verliebt. Er nähert sich ihr heimlich, denn sie wird eifersüchtig von ihrem Vormund Doktor Bartolo bewacht, der selbst ein Auge auf sie geworfen hat und sie vor allem wegen ihrer Mitgift heiraten will. Almaviva besticht den ihm gut bekannten Figaro, der als Barbier auch im Hause des Dr. Bartolo arbeitet. Figaro schmuggelt die eine oder andere Liebesbotschaft hin und her. Damit Rosina ihn um seinetwillen und nicht wegen seines Adelstitels liebt, gibt sich der Graf als armer Student aus, und es gelingt ihm, die junge Frau für sich zu gewinnen. Um den alten Bartolo zu überlisten und näher an seine Angebetete heranzukommen, rät Figaro dem Grafen, sich zu verkleiden. Zunächst erscheint er als betrunkener Soldat mit einem gefälschten Einquartierungsbefehl, das geht gründlich schief. Der nächste Versuch ist schon wesentlich raffinierter: Als vermeintlicher Gesangslehrer erhält Almaviva alias Lindoro ungehindert Zugang zu Rosina. Am Ende siegt die Liebe. Zumindest fürs Erste.

Theater und Orchester Heidelberg; Foto © Susanne Reichardt

Denn dass das Eheglück dem Paar Almaviva und Rosina nicht allzu lange erhalten bleibt, erfahren wir im zweiten Teil der Figaro-Trilogie von Beaumarchais, die Wolfgang Amadeus Mozart als Vorlage für »Die Hochzeit des Figaro« diente. Almaviva begibt sich schon bald auf amouröse Abwege und steigt Figaros Verlobter Susanna hinterher. Diese Oper lief mit großem Erfolg in der vergangenen Spielzeit am Theater Heilbronn.

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Auf musikalischer Reise durch die Höhen und Tiefen einer Künstlerbiografie

Uraufführung des humorvoll-lebensklugen Stücks »Die Donauprinzessin« des bayerischen Ausnahmekünstlers Georg Ringsgwandl im Salon3

von Sophie Püschel

Juliane Schwabe; Foto © Verena Bauer

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Davon kann die junge Schauspielerin (Juliane Schwabe), die in Georg Ringsgwandls musikalischem Theaterstück »Die Donauprinzessin« durch den Abend führt, im wahrsten Sinne ein Lied singen. Einst war sie die große Nachwuchshoffnung des deutschen Theaters: Ihr erstes Engagement führte sie an ein Staatstheater der Oberliga, wo ihr einer der angesagtesten Regisseure Europas die Rolle der Nina in seiner »Möwe«-Inszenierung von Tschechow verschafft. Einladungen zu internationalen Festivals und Lobeshymnen der Presse folgten. Doch nach dem ersten großen Triumph bleibt ihr das Glück nicht lange treu! Wie Tschechows Nina muss auch Georg Ringsgwandls Protagonistin immer tiefer in die Niederungen des Künstlertums steigen und sich so mancher Bewährungsprobe stellen.

Aus Gastverträgen an kleinen Theatern werden schlecht bezahlte Auftritte bei Firmenevents und schließlich bleibt nur der Kellnerjob. Neben dem beruflichen Erfolg verabschiedet sich zu allem Überfluss auch ihr Freund Tim sang- und klanglos aus ihrem Leben. Da Jammern nichts hilft und Miete, Strom und Essen bezahlt werden müssen, landet die Schauspielerin schließlich auf dem Kreuzfahrtschiff »Donauprinzessin«, wo sie zusammen mit zwei Musikern die Passagiere mit Coverhits unterhält. Die »verkannte« Schauspielerin nimmt das Publikum in Georg Ringsgwandls ebenso komischem wie lebensklugem Stück mit auf den Donaudampfer, auf dem die Tage nach einem immer festen Rhythmus verlaufen. Die einzige Abwechslung bieten die ungewöhnlichen Lebensgeschichten und Schicksale der Mitreisenden, die sich nach den Auftritten zu ihr und der Band an die Bar setzen. Die skurrilen Erzählungen füllen mühelos einen ganzen Theaterabend. Während die Schauspielerin das eigene Leben mit den Geschichten der Mitreisenden abgleicht, verleiht sie ihren Gefühlen und Gedanken mit live gesungenen Songs Ausdruck, die von den Beatles bis zu den Dire Straits, von Tina Turner bis Friedrich Holländer, vom Country-Klassiker bis zum Volkslied reichen. Unterstützt wird Juliane Schwabe bei dieser musikalischen Reise von den Multiinstrumentalisten Erik Biscalchin und Micha Schlüter.

Mit bittersüßem Humor und entlarvend genauem Blick für die tragikomischen Details des Lebens blättert der vielfach ausgezeichnete Liedermacher, Kabarettist und Autor Ringsgwandl in »Die Donauprinzessin« die sozialen und seelischen Abgründe einer Künstlerbiografie auf. Analog zu Tschechows Nina erfährt auch Georg Ringsgwandls Schauspielerin am eigenen Leib, dass in der Kunst »nicht der Ruhm, nicht der Glanz die Hauptsache ist, sondern die Fähigkeit zu dulden. Wenn ich an meinen Beruf denke«, so lässt es Tschechow seine Nina formulieren, »habe ich keine Angst mehr vor dem Leben.« Georg Ringsgwandls musikalisch-heitere Dampferfahrt des Lebens wird von der Regisseurin Luise Leschik, die zuletzt Nick
Hornbys »NippleJesus« in Heilbronn inszeniert hat, am 5. Januar 2024 im Salon3 zur Uraufführung gebracht.

Der bayerische Ausnahmekünstler und musikalische Tausendsassa Georg Ringsgwandl (*1948) hat sich als »Karl Valentin des Rock’n’Roll« mit seinen literarisch-skurrilen Liedtexten einen Namen gemacht, wofür er u. a. mit dem »Salzburger Stier«, dem Deutschen Kleinkunstpreis und dem Bayerischen Kabarettpreis in der Kategorie Musik ausgezeichnet wurde. Neben zwölf Alben veröffentlichte er mehrere Theaterstücke und Erzählungen. 2023 erschien sein erster Roman »Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris« über Glanz und Grusel des Rock’n’Roll. Aktuell ist er gemeinsam mit seiner Band mit dem Programm »Arge Disco« auf Tour in Deutschland und Österreich.

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Demnächst in diesem Theater: »Born to Be Wild?« mit Julia Klotz

Für Julia Klotz war die Arbeit an »Born to Be Wild?« so etwas wie ein »Heimkommen«. Direkt nach ihrem Studium an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig war sie zwei Jahre lang Ensemblemitglied am Theater Heilbronn, sang und spielte sich vom »Weißen Rößl« bis zur »Abbey Road« (mit Regisseur Stefan Huber) und erhielt 2007 den Kilian für die Rolle der Norma Cassady in »Victor/Victoria«. Auch unter der Intendanz von Axel Vornam war sie mehrfach am Berliner Platz zu sehen: In »Der Vetter aus Dingsda«, »White!« (wieder unter der Regie von Stefan Huber) und als Eliza Doolittle bei einem Gastspiel von »My Fair Lady« aus Kaiserslautern.

Julia Klotz (Foto: Oliver Betke)

»Was ich am Festengagement am meisten vermisse,« gesteht die aus Mainz stammende Schauspielerin und Sängerin, »das ist ein Ensemble. Ich habe zwar als Gast am Gärtnerplatztheater in München über die letzten fünf Jahre oft mit denselben wunderbaren Kollegen zusammengearbeitet, trotzdem fährt jeder nach den Vorstellungen wieder nach Hause. Mir fehlt meine Theaterfamilie, denn ich bin sowohl privat, als auch in der Arbeit ein Herdentier.«

Dabei hat ihr die Freiheit der »Wanderjahre« einige wunderbare Rollen eingebracht. Für ihre Darstellung der Madame de Tourvel in der Uraufführung des Musicals »Gefährliche Liebschaften« erhielt Julia Klotz den Deutschen Musical Theater Preis 2015. Auch die brandneue Revueoperette »Drei Männer im Schnee«, bei der sie mitwirkt, wurde mit drei Musicaltheaterpreisen ausgezeichnet. »Ich bin selbst überrascht, dass „Born to Be Wild?“ schon meine neunte Uraufführung ist – drei davon waren in Heilbronn«, sprudelt es aus ihr heraus. »Wenn man mich vor ein paar Jahren gefragt hat, welche Rolle ich gerne spielen würde, dann hab ich immer geantwortet: Ich möchte gerne in einer Uraufführung mitwirken. Mich reizt daran besonders, noch früher in den Entstehungsprozess eines neuen Stückes eingebunden zu sein und eine Rolle mit zu kreieren.«

Und in »Born to Be Wild?« sind es gleich zwei. Julia Klotz lacht: »Ich mag meine beiden Rollen sehr, und sie könnten unterschiedlicher nicht sein.« Wie würde sie ihre Figuren charakterisieren? »Uschi von Kulenburg ist eine konservative und ehrgeizige Hausfrau der Nachkriegsgeneration, die sich über ihren Mann und seine Stellung definiert. Sie ist stets darum bemüht, den Schein zu wahren.« Und was ist mit Priscilla Joe, die bei der Show in der Show u.a. mit »Cinderella Rockefella« oder »River Deep Mountain High« auftritt? »Sie ist das Sinnbild der sich auflehnenden Generation, als Außenseiterin für mich eine tragische Figur. Freiheitsliebend, experimentell, auch was Drogen und die Liebe angeht.« Bei den Proben war der Bezug der Songs zum aktuellen Aufbegehren und Revoltieren junger Menschen häufig ein Thema. Auch Julia Klotz zieht Parallelen zum Hier und Heute: »Das ist absolut gegeben. Gerade das Lied, das Tietje und Huber für den Schluss ausgewählt haben und das für sich stehen soll, spricht heute noch Bände …« Aber mehr wollen wir jetzt nicht verraten.

Demnächst in diesem Theater: Born to Be Wild? – Mit Eve Rades

Pandemie-bedingt sind wir mit unserer Uraufführung, Kai Tietjes und Stefan Hubers 68er-Revue »Born to Be Wild?« bisher leider nur bis zur Generalprobe gekommen. Aber keine Sorge: Sobald es wieder geht, stehen Ihnen »wilde« Zeiten im Theater Heilbronn bevor. Um schon jetzt Lust auf den Abend zu machen, stellen wir den April über die Gäste und die kreativen Köpfe in und hinter der Show in einer Blog-Serie vor. Den Auftakt macht die Berliner Schauspielerin und Sängerin Eve Rades.

Eve Rades als Jane Hippins in »Born to Be Wild?« (Foto: Jochen Quast)

Bis auf einen Schauspieler aus unserer 8-köpfigen Besetzung – wir können es hier schon verraten: es ist Stefan Eichberg als der Moderator der Fernsehsendung »Mit Musik geht alles besser«, Vico von Kulenburg – haben alle Ensemblemitglieder zwei Rollen – onstage und backstage. »Meine beiden Figuren«, erklärt Eve Rades, »heißen Jane Hippins, eine britische Hippie-Folksängerin, und Rosemarie Bleicher, die persönliche Maskenbildnerin des Moderators der Fernseh-Show. Allein von ihrem Aussehen her unterscheiden sie sich schon ganz gut. Jane Hippins ist ja als Gaststar Teil der Show und steht im Rampenlicht vor den Kameras, während Rosemarie aus der Arbeiterklasse kommt und mit dieser ganzen Glamourwelt nichts am Hut hat und auch mit diesem Gehabe nicht viel anfangen kann. Das sind zwei komplett unterschiedliche Energien und zwischen den beiden zu wechseln, macht Spaß.«

Der Name des Autors und Regisseurs Stefan Huber war der Absolventin der Bayerischen Theaterakademie August Everding schon seit ihrer Studienzeit bekannt: »Stefan hat an unserer Akademie das Abschlussstück »Rent« inszeniert. Ich fand die Inszenierung toll, und viele der Studenten schwärmten von der Arbeit mit ihm. Da war ich natürlich neugierig, und mir blieb der Name präsent. Als dann drei Jahre nach meinem Studium ein Casting für »Next to Normal« an der Oper Dortmund ausgeschrieben wurde, mit ihm als Regisseur und Kai Tietje als musikalischem Leiter, war ich wirklich aufgeregt. Ich habe selten jemanden erlebt, der sich so viel Zeit für ein Vorsingen nimmt. Da fühle ich mich dann nicht wie eine Nummer. Man hat Zeit anzukommen und kann sich in der Arbeit kennenlernen.« Die Rolle der Natalie in dem Pulitzerpreis-gekrönten Erfolgsmusical hat Eve Rades dann gleich zwei Mal in Hubers Inszenierung gespielt – in Dortmund und später in Österreich.

Es folgen viele große Musicalpartien, ein wahres »Who’s Who« von Eliza Doolittle über Sally Bowles und Maria Magdalena bis zu Evita. Daneben war sie mehrere Saisonen in Berlin und Hamburg in »Hinterm Horizont« zu sehen. Und deutschlandweit on Tour als Hexe Bibi Blocksberg in »Bibi & Tina«. Gibt es eine Lieblingsrolle?  »Kann ich gar nicht sagen,« lacht die quirlige Berlinerin mit der rockigen Stimme. »Ich hatte bisher Glück, Rollen spielen und singen zu dürfen, in denen ich mich darstellerisch austoben konnte, und da möchte ich mich nicht entscheiden.«

Auch das Eintauchen in die Musik der 68er und der frühen 70er hat Eve Rades einen großen Spaß gemacht. »Viele der Songs sind nach wie vor bekannt und über Generationen weitergetragen worden, zum Beispiel »Revolution«, »Imagine« aber auch »Für mich soll´s rote Rosen regnen«. Es gibt einfach Musik, die bleibt immer aktuell und berührt, egal wie alt sie ist.«

Bei der »Dreigroschenoper« spielen acht Musiker das Instrumentarium eines ganzen Orchesters

Heiko Lippmann hält sich als musikalischer Leiter an die Praxis der Uraufführung

Heiko Lippmann, Foto:privat

Vorsicht Ohrwurm! Tagelang setzt sich nach dem Besuch der »Dreigroschenoper« die Musik im Kopf fest, schleichen sich Erinnerungen an Melodiefetzen ein, summt man das »Lied von der Seeräuber-Jenny« oder die »Moritat von Mackie Messer« vor sich hin. Schon 1928 nach der Uraufführung am 31. August 1928 waren die Melodien auf den Straßen Berlins allgegenwärtig – ob gesungen oder gepfiffen – die Stadt war im »Dreigroschenfieber«.  Munter hatte sich Komponist Kurt Weill aller möglichen Stilrichtungen bedient – ob bei Oper und Operette, beim Kirchenchoral oder der Tanz- und Jazzmusik der 20er Jahre. Seine Originalpartitur schrieb 23 Instrumente vor, die aber nie gleichzeitig, sondern abwechselnd zum Einsatz kamen. Diese wurden von nur acht Musikern gespielt, die alle verschiedene Instrumente beherrschten. Es war die Lewis Ruth Band, eine damals in Berlin äußerst populäre Jazz-Formation.
An dieser Aufführungspraxis orientiert sich auch Heiko Lippmann, der musikalische Leiter der Heilbronner  Inszenierung der »Dreigroschenoper«. Seine Dreigroschen-Band besteht aus freien Musikern, die für dieses Projekt zusammengestellt wurden, aber zum größten Teil schon bei mehreren musikalischen Produktionen am Theater mit dabei waren. Jeder ist Spezialist auf seinem Instrument oder seiner Instrumentenfamilie. Aber dass Posaunist Tobias Scheibeck nun als Zweitinstrument den Kontrabass spielt, die Gitarristen Johannes Weik und Philipp Tress das Cello streichen oder Schlagzeuger Christoph Sabadinowitsch seit neuestem Trompete bläst, hätten sie sich vor ihrem Engagement für die »DGO«, wie dieser Klassiker von Brecht und Weill theaterintern genannt wird, wohl kaum träumen lassen.
Es gibt zwei Möglichkeiten, den Anforderungen des Verlags zu entsprechen, erklärt Heiko Lippmann, der selbst während der Vorstellungen nicht nur Klavier, Harmonium und Celesta spielt, sondern auch noch dirigiert. Entweder man besetzt jedes Instrument einzeln und hat ein ganzes Orchester im Einsatz, selbst wenn manche Musiker nur wenige Takte zu spielen haben. Oder man entscheidet sich, wie schon Bertolt Brecht und Kurt Weill höchst selbst für die multibegabten Könner. Lippmann hat das mit den Musikern seines Vertrauens und mit der Theaterleitung besprochen. Und schickte dann vor rund einem Jahr, als die Entscheidung für die »Dreigroschenoper« und diese Umsetzung gefallen war, einige Musiker noch mal in die Musikschule. »Alle hatten genug Zeit und sie sind talentiert genug, sich auf diese Herausforderung einzulassen«, lobt Lippmann seine Band.  Natürlich haben sie sich speziell auf die Passagen, die sie auf den neuen Instrumenten zu spielen haben, vorbereitet und beherrschen alles zur Zufriedenheit ihres musikalischen Leiters. »Trotz der schnellen Instrumentenwechsel entsteht kein Chaos im Orchestergraben«, versichert Lippmann augenzwinkernd.
Übrigens versucht er auch in anderen Dingen der Uraufführungspraxis möglichst nahe zu kommen. Die Trommel, die hier zum Einsatz kommt, stammt aus jener Zeit und klingt ganz anders als heutige Instrumente. Die Trompete spielt mit einem System wie die damaligen Jazz- und Bigband-Trompeten. »Eine museale Aufführung möchte ich aber nicht«, sagt Lippmann, sondern eine frische, unverkrampfte Interpretation dieser großartigen, anspruchsvollen Musik, die auf den ersten Blick so unspektakulär daherkommt und einem nie wieder aus dem Kopf geht.

Die Band im Orchestergraben. Foto: Thomas Braun

Und das ist die Band:
Klavier/Harmonium/Celesta: Heiko Lippmann/Marcus Herzer
Altsaxofon/Flöte/Kleine Flöte/Klarinette/Sopransaxofon/Baritonsaxofon: Johannes Reinhuber/Dirk Rumig
Tenorsaxofon/Klarinette/Fagott/Sopransaxofon: Michael Toursel
Trompete 1: Igor Rudytskyy
Posaune/Kontrabass: Tobias Scheibeck
Schlagzeug/Trompete 2: Christoph Sabadinowitsch
Bandoneon: Karin Eckstein/Roland Senft
Gitarren/Cello: Johannes Weik/Philipp Tress

Meet the Cast – Das Herrenquartett

Sie kommen aus ganz unterschiedlichen (Himmels-)Richtungen und mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund nach Heilbronn und bilden doch ein Ensemble: Das Herrenquartett an Musicaldarstellern, das wir uns zur Verstärkung für »Zwei hoffnungslos verdorbene Schurken« engagiert haben. David Roßteutscher hat zum Beispiel seine Karriere im Tanz begonnen und wurde 2013 von der Fachzeitschrift »tanz« zum Tänzer des Jahres nominiert. Arne David und Andreas Röder sind zwei erfahrene Musicaldarsteller, die zwischen dem Berliner Friedrichstadtpalast, den Bad Hersfelder Festspielen und dem Deutschen Theater in München auf vielen bekannten Bühnen gestanden haben. Manuel Heuser spezialisiert sich nach dem Musicalstudium am Konservatorium Wien gerade auf ein Sologesangsstudium an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim.

»Zwei hoffnungslos verdorbene Schurken«

An Herausforderungen mangelt es ihnen in Thomas Winters turbulenter Inszenierung nicht. Die schnellen Umzüge und Szenenwechsel halten die Herren auf Trab, aber sie empfinden sich – da sind sich alle einig – als »eingespieltes Team«. Auf die Frage, welche der vielen kurzen,  kleinen Rollen ihnen jeweils am meisten gefällt, sprudeln die Antworten: »Mir hat sich der Page Pierre besonders ins Herz gespielt«, grinst Arne David. Für Manuel Heuser ist es »sicherlich der Eisbär, dank des liebevoll gestalteten Kostüms. Auch wenn ich in den wenigen Minuten, in denen ich das Kostüm trage, mehr schwitze als in den Tanzszenen.« David Roßteutscher dagegen findet, dass sein »schlecht gelaunter Geisterbahn-Clown« heraussticht, während Andreas Röder ein eigenes besonders Highlight hat: »Für mich es die Latin-Dance-Nummer. Da knallt einfach das Orchester und auf der Bühne tauchen wir alle in die Cha-Cha-, Tango- und Salsa-Schritte ein. Da ist die Energie so schön hoch!«

Die letzte Vorstellung von »Zwei hoffnungslos verdorbene Schurken« geht am Donnerstag, den 19. Juli über die Bühne des Theater Heilbronn.

Meet the Cast: Dance Captain – Sabrina Stein

Die erfahrene Musicaldarstellerin Sabrina Stein hat bei »Zwei hoffnungslos verdorbene Schurken« noch viel mehr zu tun, als »nur« auf der Bühne zu spielen, zu singen und zu tanzen. Sie hat dazu noch die Aufgabe des »Dance Captain« für alle 18 Vorstellungen übernommen. Da ist es hilfreich, dass sie seit 2001 auch als Tanzdozentin arbeitet.

Dance Captain Sabrina Stein, Mitte im grünen Kleid

Was sind die Aufgaben eines Dance Captain?
Der sogenannte »Dance Captain« ist dafür verantwortlich, die Show tänzerisch auf Premierenniveau zu halten. Er bietet dem Ensemble nach Möglichkeit ein »Warm up« an und korrigiert die Fehler, die sich mit der Zeit in die Vorstellungen einschleichen können. Besonders gefragt ist er dann, sollte eine Vorstellung nicht mit der Original-Besetzung auf die Bühne gehen. Je nachdem ob ein/e Künstler/in krankheitsbedingt ausfällt oder eine Position neu besetzt werden muß, stellt der Dance Captain die Formationen der Choreographien um oder trainiert den/die neue Künstler/in ein.

Was waren die besonderen Herausforderungen oder ein besonderer Reiz für dich bei den »Schurken«?
Der besondere Reiz war, dass ich dieses Stück zuvor nicht kannte, weder den Film noch eine Bühnenfassung. Bei einem selten gespielten Musical dabei zu sein, ist besonders toll. Die Herausforderung war, als Ensembledarstellerin in ständig wechselnde Figuren zu schlüpfen. Dazu kam ein sogenannter »Quick Change«, ein superschneller Umzug, der meinen Kampfgeist geweckt hat.

Was kommt als Nächstes für Sabrina Stein?
Ab August probe ich am Capitol Theater Mannheim für »Evita«, die Premiere ist im September.

Die letzten Gelegenheiten, unsere »Schurken« bei ihrem schurkischen Treiben zu erleben, sind am 5. und 19. Juli!
Weitere Informationen zum Stück: https://bit.ly/2sP06Pp

Meet the Cast: Anneke Brunekreeft und Lina Gerlitz

Sie haben beide gerade erst ihren Abschluss gemacht: Anneke Brunekreeft und Lina Gerlitz kommen frisch von der Ausbildung an der Folkwang Universität der Künste in Essen nach Heilbronn. Bei den „hoffnungslos verdorbenen Schurken“ sind sie durchgehend im Einsatz – fast von der ersten Minute an. Als „Schurkenopfer“ Marianne und Sophia, als Hotelgäste, Stubenmädchen, Jahrmarktsfiguren und und und … Singend, spielend, tanzend – und Teile der Ausstattung über die Bühne schiebend, um die atemberaubend schnellen Umbauten zu gewährleisten. „Die Arbeit war eine große Freude“, lacht die gebürtige Schweizerin Anneke Brunekreeft. Und Lina Gerlitz ergänzt: „Wir sind als ganzes Ensemble so vielseitig. Darsteller aus Schauspiel und Musical treffen aufeinander und bereichern sich gegenseitig und natürlich letztlich das Stück.“

Die nächsten (und letzten) Vorstellungen sind am 17. Juni (15 Uhr!), am 5. und am 19. Juli!

Informationen zum Stück unter: https://bit.ly/2sP06Pp

Meet the Cast: Julia Klawonn aus „Zwei hoffnungslos verdorbene Schurken“

Wirbelwind mit großer Stimme

Als eifrige »Prinzenjägerin« Muriel Eubanks aus Omaha, Nebraska, gibt Julia Klawonn im Musical »Zwei hoffnungslos verdorbene Schurken« die Komödiantin und wird dafür bejubelt.

Julia Klawonn und Gabriel Kemmether Foto: Thomas Braun

Und obwohl sie in den letzten Jahren mit unterschiedlichsten Rollen vor allem an der Comödie Dresden und auf dem Theaterschiff Stuttgart ihr Publikum zum Grinsen, Lachen und Prusten gebracht hat, hat die in Weimar geborene und aufgewachsene Schauspielerin in ihren Jahren am Mittelsächsischen Theater Freiberg auch oft die großen Klassikerrollen gespielt, von der Recha in »Nathan der Weise« bis zu Goethes Gretchen. Zusätzlich zu ihrem Schauspielstudium studierte Julia Klawonn noch Gesang und Musical bei Julia Klotz (in Heilbronn bekannt durch den Beatles-Abend »White!« und zuletzt als Eliza in »My Fair Lady«) und dem renommierten Regisseur Craig Simmons. Seitdem spielt, singt und tanzt sie sich mit Begeisterung nicht nur durch Klassiker wie »High Society« oder den »kleinen Horrorladen«, sondern auch in einer inzwischen beachtlichen Serie von musikalischen Solo-Programmen und Revuen. Als wir Julia Klawonn bei einem unserer Vorsprechen kennen lernten, begeisterte sie uns vor allem mit ihrer Lebhaftigkeit und ihrem sprühenden Witz. Und als wir später einen Gast für die schräge Rolle der Muriel Eubanks brauchten, mussten wir gar nicht mehr suchen.