Zwei Welten

Wer kennt sie nicht, diese vielen kleinen Situationen, in denen man feststellt, dass man etwas verwechselt, oder gleich komplett vergessen hat? „So fängt es an“, hört man dann oft, und in gewisser Weise stimmt das auch.

Allein in Deutschland leiden Statistiken zufolge 1,2 Millionen Menschen an Demenz, Tendenz steigend. Prognosen rechnen mit bis zu 2,5 Millionen Betroffenen im Jahre 2030. Der Grund: Wir werden heute älter als noch vor 100 Jahren.

Horizont 9

„Wir werden alle irgendwann dement, wir müssen nur alt genug werden“, sagt auch Stefan Eichberg, der den langsam an Alzheimer erkrankenden Opa von Janek spielt. Er trainiert seinen Enkel im Delphinschwimmen, und zieht schließlich bei seiner Tochter und Janek ein. Janek muss nun mit zwei Situationen, die gegensätzlicher nicht sein können, zurechtkommen. Auf der einen Seite ist er ein ganz normaler Teenager, mit Problemen in der Schule, die er Dank der neuen Klassenkameradin Anna meistert, und andererseits muss er immer mehr auf seinen Opa aufpassen und sich um ihn kümmern. Petra Wüllenweber schildert in ihrem Schauspiel „Am Horizont“ einfühlsam die Not und Hilflosigkeit der Angehörigen, die die Zuschauer fesselt.

Das war auch bei dem Gespräch zwischen der Theaterpädagogin Antjé Femfert und den beiden Schauspielern Stefan Eichberg (Opa) undPeter Volksdorf (Enkel Janek) mit der 8. Klasse des Hohenlohe Gymnasiums Öhringen, zu spüren. Ob von der authentischen Inszenierung erschlagen, oder einfach nur von dem Thema ergriffen und den Erklärungen der Schauspieler verblüfft, dauerte es eine Weile, bis die Schüler ganz langsam warm wurden. Besonders gelobt wurde von ihnen, dass man trotz des ernsten Themas zwischendurch lachen konnte, und dass am Schluss der Titel aufgegriffen wird.

Janeks Opa stirbt am Ende des Stückes und Janek stellt sich vor, dass sein Opa um in den Himmel zu kommen bis zum Horizont schwimmt, wo sich Himmel und Erde berühren.

Von allgemeinen Fragen, wie:

„Ist es schwer, sich in eine Rolle hinein zu versetzten?“ – Stefan Eichberg grinst „Ich bin Schauspieler und versetze mich gerne in viele verschiedene Rollen.“

„Wie viele Rollen spielen Sie gerade parallel?“ – „Ich glaube, ich spiele gerade nur drei oder vier Rollen.“

oder: „Wie lange dauert es ein Stück einzuüben?“ – „Ca. sechs Wochen. Bei größeren Produktionen acht Wochen.“

bis hin zu: „Was war die schwerste Szene?“ – „Der Schluss. Wir haben lange darüber geredet und viel geprobt, wie wir den Tod von Janeks Opa darstellen.“

oder: „Wie haben Sie sich der Krankheit genähert?“ – „Ich habe sehr viel Sekundärliteratur gelesen und mich mit dem Krankheitsbild auseinandergesetzt. Man spielt ja viele Stücke und „Am Horizont“ hat mich sehr berührt.“

wurde alles beantwortet, und bei Antworten, wie: „Ich glaube, ich spiele gerade nur drei oder vier Rollen“, wurde gelacht. Nur!

Doch nicht nur die Tatsache, dass Stefan Eichberg und Peter Volksdorf drei oder vier Stücke parallel spielen und deren Texte parat haben, während manch ein Schüler Probleme hat sich seine 20 neuen Vokabeln bis morgen zu merken, sorgte für Lacher, sondern auch Stefan Eichbergs „Wie heißt sie doch gleich??“, als von Anna (Janeks Mitschülerin) die Rede ist.

Jaja, so fängts an….

Julia Heyer, Praktikantin

Positiver, menschlicher, emotionaler!

Sechs Workshops, fünf Vorstellungen, fünf Autorenportraits, vier Publikumsgespräche, zwei Stückeinführungen und das alles in fünf Tagen.
Die Themen-Abi-Tour-Woche des Heilbronner Theaters ist vorbei. Nachdem die letzte Vorstellung von „Kohlhaas“ in diesem Rahmen mit stehenden Ovationen beendet wurde, haben sich die Schüler, Schauspieler, Lehrer und Theaterpädagogen erst einmal eine Verschnaufpause verdient.

Nachgespraech Kohlhaas
Nachgespraech Kohlhaas

Bei der letzten Veranstaltung, dem Publikumsgespräch nach „Kohlhaas“, beantworteten Theaterpädagogin Katrin Singer und Dramaturgin Stefanie Symmank Fragen des Publikums. Heraus kamen interessante Fakten, die man als „normaler“ Theaterzuschauer sicherlich nicht erfahren hätte. Die in „Kohlhaas“ verwendete Musik war eher eine Zufallsauswahl der Regisseurin Constanze Kreusch, die sie bei Proben rein nach Gefühl herausgesucht hat. Eine Szene, in der sich Michael Kohlhaas an seine Frau Lisbet erinnert, ist ein Improvisation des Schauspielers Tobias D. Weber. Ein Detail aber haben die Zuschauer ohne Erklärung richtig gedeutet: Die vier Erdhaufen auf der Bühne erinnerten einen Schüler an ein Schlachtfeld oder auch an Grabbeete auf einem Friedhof. Für einen anderen Schüler war das Bühnenbild, so schlicht wie es ist, genau richtig. So konnte er das eigene Bild, das er sich nach dem Lesen der Novelle macht, aufrecht erhalten. Und doch hat sich die Sicht auf Kohlhaas und seine Taten nach dem Theaterbesuch für viele Zuschauer geändert.
„Viel positiver, menschlicher, emotionaler“, beschrieb Frau Hölzel, Lehrerin des Deutsch-Kurses vom Gymnasium Schenk-von-Limpurg, der am Freitag noch einmal das volle Abi-Tour-Programm besucht hat, den Kohlhaas, den sie im Theater gesehen hat. Sie findet: „Man kann ihm mehr verzeihen.“

Positiver können auch die Prüflinge, die während der Abi-Tour-Woche im Theater und den Workshops waren, der Abiturprüfung, zumindest in Deutsch, entgegen sehen.
Viel Erfolg!

Beitrag und Foto von Janine Osterberg, Praktikantin in der Theaterpädagogik

Heimlich unter der Bettdecke

Georg Büchner muss so etwas wie ein Wunderkind gewesen sein. In drei Jahren hat er mehr und vor allem tiefgründigere Werke verfasst, als so manch anderer Autor in einer zehnmal so langen Zeit. Obendrein hat er parallel dazu ein Medizinstudium mit Promotion abgeschlossen, die Liebe seines Lebens kennengelernt und war politisch äußerst aktiv.
Weil sein Vater aber vor allem die politischen Querelen seines Sohnes gar nicht gerne sah, hat er ihn zum Hausarrest vom Studienort Gießen nach Hause nach Darmstadt beordert. „Dantons Tod“ hat Büchner also quasi heimlich unter der Bettdecke, während dieser Zeit, geschrieben.

Autorenportrait2

Büchner versuchte sich mit dem Schreiben des Dramas zu erklären, warum seine eigenen Versuche etwas zu verändern, gescheitert waren.
Das alles und noch viel mehr zum Autor Georg Büchner, den Umständen unter denen „Dantons Tod“ entstanden ist und Hinweise auf die Besonderheiten der Heilbronner Inszenierung haben die Schülerinnen, die morgens schon den Workshop besucht hatten und weitere interessierte Zuhörer von Dramaturg Andreas Frane erfahren. Schauspieler Guido Schikore unterstütze ihn dabei und las einige Originaltexte von Georg Büchner.

Autorenportrait3Autorenpotrait1

Am Ende des Autorenportraits fragte Andreas Frane lächelnd:„Wer von Ihnen sitzt denn vorne rechts im Saal?“
Was den Zuschauern auf diesen Plätzen während der Aufführung blühte konnte garantiert am gestrigen Abend geklärt werden.

Beitrag und Fotos von Janine Osterberg, Praktikantin in der Theaterpädagogik

Einen schönen Tod sterben

Für 27 Schülerinnen der Christiane-Herzog-Schule ging es heute im dreistündigen Intensivworkshop zu „Dantons Tod“ darum, die Macht, die der Ohnmacht gegenübersteht und den Status, der die Figuren voneinander abgrenzt, selber zu spielen und dadurch die Themen des Dramas von Georg Büchner besser zu verstehen.

DSC_0052

Die Schülerinnen haben sich in Danton, Robespierre, deren Frauen und das einfache Volk verwandelt und mussten dabei genau überlegen, wie diese sich verhalten und wie man das auf der Bühne zeigt.
Die Bürger im Stück beispielsweise, sind wankelmütig, manipulativ und in der Heilbronner Inszenierung werden sie besonders überspitzt dumm und deshalb in einigen Szenen betrunken dargestellt. Beim Spiel „Texte fischen“ lasen die Mädchen Textzitate der Bürger darum mit einer imaginären heißen Kirsche auf der Zunge, stolpernd und mit ausufernden Gesten vor.
Als es zum Schluss darum ging verschieden Szenen nachzuspielen, wollten alle Julies stillen Tod aufführen. Katharina gab sich dabei besonders viel Mühe, denn „wenn man stirbt,
dann auch schön.“

Ob Julie wirklich so schön stirbt, wie Katharina und die anderen Mädchen es dargestellt haben, können sie heute Abend bei ihrem Theaterbesuch sehen. Sicherlich werden sie einiges wiedererkennen von dem was sie heute selbst dargestellt haben.

[slideshow post_id=”3904″]

Beitrag und Fotos von Janine Osterberg, Praktikantin in der Theaterpädagogik

Wochenendmüdigkeit mit Schwung beendet!

„Steht mal alle auf, wir machen das jetzt praktisch, nicht so theoretisch wie in der Schule.“, begrüßt die Theaterpädagogin Katrin Singer fröhlich die Teilnehmer des „Kohlhaas“-Workshops, der die Anfangsveranstaltung der „Themen-Abi-Tour“-Woche ist.

Aufstöhnen begleitet das Stühlewegschieben und Aufstehen der Schüler. Immerhin ist es
Montagmorgen und wäre jetzt Schule, könnten sie vor lauter Wochenendmüdigkeit noch ein wenig vor sich hin dösen, wenn der Lehrer gerade mal nicht hinschaut. Aber sie sind im Theater und da wird nicht geschlafen, sondern mitgemacht. Nach zwei kurzen Aufwachspielen sind dann schließlich alle so weit.
Auf dem Theaterstundenplan stehen Figurenspeeddating, in dem Kohlhaas auf die Dame Heloise trifft und Standbilder, bei denen die wichtigsten Schlüsselszenen dargestellt werden. Nach der Pause geht es weiter mit kreativen Improvisationen, bei denen schon mal Elisabeth auf den lieben Gott trifft, der sie als Zigeunerin zurück auf die Erde geschickt hat.
Auch ganz neue Sichtweisen sind möglich. Eine Schülergruppe hat es ausprobiert, die Geschichte aus der Sicht der Pferde zu erzählen.

[slideshow post_id=”3879″]

Als der etwas andere Unterricht zu Ende ist, steht für einen Schüler fest: „Die Personen im Stück kenne ich jetzt besser.“ Alle Teilnehmer haben die Erzählung „Michael Kohlhaas“ mal ganz anders kennengelernt. Mit Tüchern verkleidet und Holzschwertern bewaffnet, haben sie sich den Inhalt spielerisch erobert.

Weiter geht es heute Abend mit einem Autorenportrait über Heinrich von Kleist und einer „Kohlhaas“-Vorstellung mit anschließendem Nachgespräch, bei dem nach der heutigen Vorbereitung bestimmt nicht mehr viele Fragen offen sind.

Beitrag und Fotos von Janine Osterberg, Praktikantin in der Theaterpädagogik

Noch einmal kurz durchatmen und dann geht’s schon los

Heute startet die Themen-Abi-Tour, und damit das volle Programm an Veranstaltungen rund um die diesjährigen „Sternchenthemen“ im Fach Deutsch.

Vom 28. Januar bis 1. Februar können die Prüflinge, denen vor den bevorstehenden Prüfungen bestimmt schon die Knie schlottern, in Workshops, Inszenierungsgesprächen und Vorstellungsbesuchen  ihr Wissen zu den drei Pflichtlektüren auffrischen, bevor es dann wirklich ernst wird.

Eine bunte Tour von „Kohlhaas“, über „Dantons Tod“ zum „Process“, die von mir, Janine, Praktikantin am Heilbronner Theater, begleitet wird. Jeden Tag könnt ihr hier, frisch von der Bühne,  lesen welche Tipps die Schauspieler, Theaterpädagogen und Dramaturgen haben und was es Neues von Danton, Josef K. und Kohlhaas zu berichten gibt.
Viel Spaß und Erfolg für die kommenden Tage für alle Themen-Abi-Tour-is!

Janine Osterberg, Praktikantin in der Theaterpädagogik

Der Process
Der Process
Foto: Fotostudio M42