Positiver, menschlicher, emotionaler!

Sechs Workshops, fünf Vorstellungen, fünf Autorenportraits, vier Publikumsgespräche, zwei Stückeinführungen und das alles in fünf Tagen.
Die Themen-Abi-Tour-Woche des Heilbronner Theaters ist vorbei. Nachdem die letzte Vorstellung von „Kohlhaas“ in diesem Rahmen mit stehenden Ovationen beendet wurde, haben sich die Schüler, Schauspieler, Lehrer und Theaterpädagogen erst einmal eine Verschnaufpause verdient.

Nachgespraech Kohlhaas
Nachgespraech Kohlhaas

Bei der letzten Veranstaltung, dem Publikumsgespräch nach „Kohlhaas“, beantworteten Theaterpädagogin Katrin Singer und Dramaturgin Stefanie Symmank Fragen des Publikums. Heraus kamen interessante Fakten, die man als „normaler“ Theaterzuschauer sicherlich nicht erfahren hätte. Die in „Kohlhaas“ verwendete Musik war eher eine Zufallsauswahl der Regisseurin Constanze Kreusch, die sie bei Proben rein nach Gefühl herausgesucht hat. Eine Szene, in der sich Michael Kohlhaas an seine Frau Lisbet erinnert, ist ein Improvisation des Schauspielers Tobias D. Weber. Ein Detail aber haben die Zuschauer ohne Erklärung richtig gedeutet: Die vier Erdhaufen auf der Bühne erinnerten einen Schüler an ein Schlachtfeld oder auch an Grabbeete auf einem Friedhof. Für einen anderen Schüler war das Bühnenbild, so schlicht wie es ist, genau richtig. So konnte er das eigene Bild, das er sich nach dem Lesen der Novelle macht, aufrecht erhalten. Und doch hat sich die Sicht auf Kohlhaas und seine Taten nach dem Theaterbesuch für viele Zuschauer geändert.
„Viel positiver, menschlicher, emotionaler“, beschrieb Frau Hölzel, Lehrerin des Deutsch-Kurses vom Gymnasium Schenk-von-Limpurg, der am Freitag noch einmal das volle Abi-Tour-Programm besucht hat, den Kohlhaas, den sie im Theater gesehen hat. Sie findet: „Man kann ihm mehr verzeihen.“

Positiver können auch die Prüflinge, die während der Abi-Tour-Woche im Theater und den Workshops waren, der Abiturprüfung, zumindest in Deutsch, entgegen sehen.
Viel Erfolg!

Beitrag und Foto von Janine Osterberg, Praktikantin in der Theaterpädagogik

Wochenendmüdigkeit mit Schwung beendet!

„Steht mal alle auf, wir machen das jetzt praktisch, nicht so theoretisch wie in der Schule.“, begrüßt die Theaterpädagogin Katrin Singer fröhlich die Teilnehmer des „Kohlhaas“-Workshops, der die Anfangsveranstaltung der „Themen-Abi-Tour“-Woche ist.

Aufstöhnen begleitet das Stühlewegschieben und Aufstehen der Schüler. Immerhin ist es
Montagmorgen und wäre jetzt Schule, könnten sie vor lauter Wochenendmüdigkeit noch ein wenig vor sich hin dösen, wenn der Lehrer gerade mal nicht hinschaut. Aber sie sind im Theater und da wird nicht geschlafen, sondern mitgemacht. Nach zwei kurzen Aufwachspielen sind dann schließlich alle so weit.
Auf dem Theaterstundenplan stehen Figurenspeeddating, in dem Kohlhaas auf die Dame Heloise trifft und Standbilder, bei denen die wichtigsten Schlüsselszenen dargestellt werden. Nach der Pause geht es weiter mit kreativen Improvisationen, bei denen schon mal Elisabeth auf den lieben Gott trifft, der sie als Zigeunerin zurück auf die Erde geschickt hat.
Auch ganz neue Sichtweisen sind möglich. Eine Schülergruppe hat es ausprobiert, die Geschichte aus der Sicht der Pferde zu erzählen.

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Als der etwas andere Unterricht zu Ende ist, steht für einen Schüler fest: „Die Personen im Stück kenne ich jetzt besser.“ Alle Teilnehmer haben die Erzählung „Michael Kohlhaas“ mal ganz anders kennengelernt. Mit Tüchern verkleidet und Holzschwertern bewaffnet, haben sie sich den Inhalt spielerisch erobert.

Weiter geht es heute Abend mit einem Autorenportrait über Heinrich von Kleist und einer „Kohlhaas“-Vorstellung mit anschließendem Nachgespräch, bei dem nach der heutigen Vorbereitung bestimmt nicht mehr viele Fragen offen sind.

Beitrag und Fotos von Janine Osterberg, Praktikantin in der Theaterpädagogik

Noch einmal kurz durchatmen und dann geht’s schon los

Heute startet die Themen-Abi-Tour, und damit das volle Programm an Veranstaltungen rund um die diesjährigen „Sternchenthemen“ im Fach Deutsch.

Vom 28. Januar bis 1. Februar können die Prüflinge, denen vor den bevorstehenden Prüfungen bestimmt schon die Knie schlottern, in Workshops, Inszenierungsgesprächen und Vorstellungsbesuchen  ihr Wissen zu den drei Pflichtlektüren auffrischen, bevor es dann wirklich ernst wird.

Eine bunte Tour von „Kohlhaas“, über „Dantons Tod“ zum „Process“, die von mir, Janine, Praktikantin am Heilbronner Theater, begleitet wird. Jeden Tag könnt ihr hier, frisch von der Bühne,  lesen welche Tipps die Schauspieler, Theaterpädagogen und Dramaturgen haben und was es Neues von Danton, Josef K. und Kohlhaas zu berichten gibt.
Viel Spaß und Erfolg für die kommenden Tage für alle Themen-Abi-Tour-is!

Janine Osterberg, Praktikantin in der Theaterpädagogik

Der Process
Der Process
Foto: Fotostudio M42

Einer der rechtschaffensten und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit…

Einer der rechtschaffensten und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit…
»Kohlhaas« – Schauspiel nach der Novelle von Heinrich von Kleist  in den Kammerspielen

»An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des 16. Jahrhunderts, ein Rosshändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit.« Mit diesem Satz beginnt Heinrich von Kleists Novelle »Michael Kohlhaas«, in der ein fleißiger und gewissenhafter Pferdehändler zum Mörder und Brandstifter wird, weil ihm Unrecht widerfährt. Kleists Novelle ist bis heute einer der stärksten und aktuellsten Texte, wenn es um den Widerspruch zwischen Recht haben und Recht bekommen und um den Kampf des Einzelnen gegen Willkürherrschaft geht. Nun kommt das Schauspiel »Kohlhaas« auf die Bühne der Kammerspiele. Premiere der Inszenierung von Constanze Kreusch mit Tobias D. Weber als Michael Kohlhaas ist am 23. Februar um 20 Uhr. Regisseurin Constanze Kreusch und Dramaturgin Stefanie Symmank haben aus Kleists Novelle eine Bühnenfassung für einen Schauspieler geschrieben. Das Schauspiel bleibt sehr dicht an Kleists Novelle – sowohl in der Handlung als auch in der Sprache. Die Ausstattung von Petra Wilke zitiert in den Kostümen die Entstehungszeit der Novelle und macht im Bühnenbild Kohlhaas’ Weg von einem geordneten bäuerlichen Leben zu einem verzweifelten Kampf  um sein Recht sinnlich erfahrbar.
Das Stück beginnt am Abend vor der Urteilsverkündung. Kohlhaas, einsam und auf sich geworfen, erzählt seine Geschichte, die ihn bis zu diesem Punkt geführt hat:

Probenfoto

Eines Tages ist Kohlhaas mit prachtvollen Tieren auf dem Weg zum Markt nach Dresden. An der Tronkenburg, die einen neuen Junker hat, wird plötzlich ein Passierschein von ihm verlangt, was bisher nie der Fall war. Da er den nicht vorweisen kann, soll er zwei schöne Rappen als Pfand zurücklassen und einen Knecht, der die Tiere so lange versorgt. In Dresden erfährt er, dass das Verlangen des Passierscheins ein reiner Willkürakt des Junkers Wenzel von Tronka war. Vom Markt zurückgekehrt, findet er seine Pferde halb verhungert vor. Sie wurden, ohne ausreichend Futter zu bekommen, zu schwerer Feldarbeit eingesetzt. Der Knecht wurde aus der Burg geprügelt. Kohlhaas zeigt den Vorfall bei Gericht an und wartet geduldig auf die Aufnahme des Verfahrens. Nach einem Jahr erfährt er, dass die Klage dank einflussreicher Verwandter des Junkers abgewiesen wurde.  Michael Kohlhaas wendet sich an den Kurfürsten von Brandenburg, der die Bittschrift an den Kurfürsten von Sachsen weiterleitet. Dieser weist Kohlhaas als »unnützen Querulanten« ab. Daraufhin versucht Kohlhaas’  Frau Lisbeth dem Kurfürsten von Brandenburg persönlich eine Bittschrift zu überbringen. Bei der Übergabe wird sie tödlich verletzt. Von nun an nimmt der Pferdehändler das Recht in die eigenen Hand. Mit einer kleinen Schar von Knechten brennt er die Tronkenburg nieder. Der Junker flieht, Kohlhaas verfolgt ihn mit seiner ständig wachsenden Anhängerschaft, die ihn als Würgeengel gegen ihre Unterdrücker sehen, und legt Feuer in den Orten, in denen er den Junker vermutet. Ein Einschreiten Martin Luthers lässt ihn innehalten. Luther handelt für ihn freies Geleit und die Annahme seiner Klage vor Gericht aus. Kohlhaas ist sofort bereit, die Waffen ruhen zu lassen, wenn der Junker seine Pferde wieder gesund füttert und ihm zurückgibt. Wie aber soll das Gericht mit der grausamen Selbstjustiz des Kohlhaas umgehen? Und was hat es mit dem geheimnisvollen Zettel auf sich, von dem eine Zigeunerin behauptet, er werde Kohlhaas dereinst das Leben retten?

1810 schrieb Kleist diese Novelle nach einem authentischen Fall. Das Top-Thema, das in der Zeit, in der Napoleon Europa überrollte, heftig diskutiert wurde, war das Recht auf Widerstand gegen Herrscher- Willkür. Das historische Vorbild von Kleists Titelfigur trug den Namen Hans Kohlhase, wurde um 1500 geboren und 1540 hingerichtet.
Noch heute ist dieser Stoff Grundlage für Diskussionen: Welcher Zweck heiligt die Mittel? Wie weit darf man für sein Recht gehen? Welche Chance hat der Einzelne, sich gegen Willkür und Vetternwirtschaft durchzusetzen?

Silke Zschäckel, Pressereferentin

Jede Menge los im Theater!

Das Theater lebt!
Vergangene Wochen haben die Proben für gleich vier neue Produktionen begonnen: „La Cage aux folles“ (Premiere am 10.03.2012), „Der dressierte Mann“ (Premiere am 02.03.2012), „Kohlhaas“ (Premiere am 23.02.2012) und „Tito, mein Vater und ich“ (Premiere am 08.03.2012).

Das bedeutet eine hohe Regisseur-Dichte in der Dramaturgie, eine hohe Schauspieler- und Gästedichte in der Kantine und geschäftiges Schneiden, Sägen, Schweißen und Schneidern in sämtlichen Werkstätten. Welch ein Gewusel herrscht auch auf den Probebühnen! Auf der einen singt Nils Brück gerade „Ich bin was ich bin“ während ein paar Türen weiter mit professionellen Musicaldarsteller das Opening zu „La Cages aux folles“ geprobt bzw. choreographiert wird. Dazu finden parallel die szenischen Proben mit den Schauspielern auf einer weiteren Probebühne statt.

Auf unseren Probebühnen in der Paulinenstraße zieht die Winterreise (Premiere am 17.02.2012) ihre musikalischen Kreise und wird ein Mann auf höchst amüsante Art und Weise dressiert.

Sogar in der TheaterWerkStatt wird fleißig unser Klassenzimmerstück geprobt. Und weil damit auch schon alle Probebühnen belegt sind, probt unser Michael Kohlhaas in einem extra für ihn angemieteten Probenraum, nämlich im Deutschhofkeller der Volkshochschule. Ein Ort, wie geschaffen für die Kleist-Novelle um den rechtschaffenen Familienvater, der durch Willkür und Vetternwirtschaft nicht zu seinem Recht kommt und deshalb das Recht in die eigene Hand nimmt und zum Räuber und Mörder wird. Erste verheißungsvolle und exklusive Eindrücke könnt Ihr hier sehen. (Stefanie S.)
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Recht so!?

»Kohlhaas« in den Kammerspielen

Nicht immer heißt Recht haben auch Recht bekommen. Da geht es den Leuten wie den Menschen. Michael Kohlhaas gibt ein gutes Beispiel, wie aus einem unbescholtenen Familienvater und Bürger ein Räuber und Mörder wird, weil Klüngel und politisches Kalkül den Einzelnen nicht zu seinem Recht kommen lassen. Michael Kohlhaas begehrt auf und stürzt ein ganzes Land in eine Krise.

Dabei fing alles ganz harmlos an. Der Rosshändler Kohlhaas ist auf dem Weg von Kohlhaasenbrück in Brandenburg in die sächsische Haupt- und Residenzstadt Dresden, als er vom Junker Wenzel von Tronka nach einem Passierschein zur Durchreise durch fremdes Gebiet gefragt wird. Kohlhaas verneint den Besitz, verspricht aber, sich in Dresden eine Erlaubnis ausstellen zu lassen. Als Pfand lässt er zwei seiner Rappen und seinen Knecht Herse beim Junker. Verwundert über das Märchen vom Passierschein will Kohlhaas Wochen später seine Rappen wieder abholen und muss feststellen, dass diese zur Feldarbeit missbraucht, völlig abgemagert und somit unverkäuflich geworden sind. Sein Knecht wurde verprügelt und vertrieben. Kohlhaas will den Junker bei Gericht in Dresden auf Wiedergutmachung für Mensch und Tier verklagen, gerät jedoch in die schmierigen Fäden der Vetternwirtschaft bei Hofe und wird als Querulant abgestempelt. Als bei der Übergabe einer neuen Petition an den Kurfürsten von Brandenburg seine Frau Lisbeth tödlich verletzt wird und sein Fall erneut kein Gehör findet, verkauft Kohlhaas seine Besitztümer und beschließt, sein Recht auf eigene Faust zu erstreiten. Mit einer wachsenden Anhängerschaft überfällt er die Tronkenburg und steckt mehrmals die Stadt Wittenberg in Brand, da Kohlhaas den Junker dort vermutet. Als er auch in Leipzig Feuer legt, schaltet sich Martin Luther ein und versucht mit einer Amnestie für Kohlhaas, den Weg für Recht und Ordnung zu ebnen. Doch Missgunst, Rachegelüste und politisches Kalkül lassen alles anders kommen, und der selbsternannte Retter des Rechts kann sich nur noch mithilfe eines prophetischen Zettels einer geheimnisvollen Frau vor dem Todesurteil retten.

Heinrich von Kleist begann seine Novelle »Michael Kohlhaas« im Jahre 1805 zu schreiben. Er bezog sich mit seiner Geschichte auf ein historisches Vorbild. Hans Kohlhase musste bereits im 16. Jahrhundert ähnliche Erfahrungen mit Recht und Gerechtigkeit machen. Kleist bediente sich dieser Chronik, um seine rechtlich-politischen Forderungen zum Ausdruck zu bringen, ohne gleich der politischen Agitation verdächtigt zu werden. Um 1800 sorgten in Preußen sowohl die außenpolitischen Misserfolge wie die Niederlage im Krieg gegen Napoleon als auch das unterschiedliche Verhalten deutscher Fürsten gegenüber Napoleon bei Kleist, einem ausgesprochenen Gegner Napoleons, für Unzufriedenheit.
Erste Fragmente von »Michael Kohlhaas« erscheinen 1808 in der von Kleist herausgegebenen Literaturzeitschrift »Phöbus«. 1810, ein Jahr vor dem Selbstmord Kleists, erscheint die vollständige Novelle im ersten Band der Erzählungen.

Wutbürger oder Prinzipienreiter, Märtyrer oder Staatsfeind Nr. 1, Terrorist oder Rechtsfanatiker – die Figur Michael Kohlhaas muss und musste im Kleist-Jahr 2011 als Synonym und Beispielfigur für so einige Vorgänge im tagesaktuellen Zeitgeschehen herhalten. Doch kann man sich am Vorgehen des Michael Kohlhaas wirklich ein Beispiel nehmen?

Wie weit würden Sie für Ihr Recht gehen?

Stefanie Symmank, Dramaturgin

Weil ihm Unrecht widerfährt, wird der rechtschaffene Kohlhaas zum Brandstifter.

Premiere am 23. Februar 2012

Regie
Constanze Kreusch
Ausstattung
Petra Wilke
Dramaturgie
Stefanie Symmank
Mit
Tobias D. Weber