Stimmungswechsel

Kennen Sie das?

Sie arbeiten fünf, sechs, sieben Tage die Woche, 10, 12, 15 Stunden lang, von morgens bis abends (das ist nur ein kleines bisschen übertrieben 🙂 ), hängen sich voll rein, und doch sind Sie noch nicht wirklich zufrieden mit sich?

So geht mir das auch. Ich freue mich also schon darauf jetzt nach Hause zu fahren. Aber da fällt mir ein, dass ich mich ja für heute Abend mit einer Freundin im Theater verabredet habe… Na großartig! Eigentlich wollte ich doch einfach nur nach Hause, kurz was essen und dann die Decke über den Kopf ziehen…

Was kommt denn heute? „Eine Sommernacht“ – Beziehungskomödie, genau das was ich jetzt brauche… Na gut, ausgemacht ist ausgemacht.

Ich sitze also, mit den Gedanken noch bei der Arbeit, im Theater. So richtig nach Beziehungskomödie ist mir immer noch nicht. Doch das ändert sich schon nach zwei Minuten. Die Schauspieler kommen auf die Bühne, trinken Wein oder Whisky (also natürlich ist nicht wirklich Alkohol in den Gläsern) und albern herum. Das Publikum ist irritiert und irgendwo hört man jemanden fragen: „Hat’s denn schon angefangen?“ Für den ersten Lacher wurde damit gesorgt.

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Und dann werde ich in die Welt von Helena (Judith Lilly Raab) und Bob (Raik Singer) entführt, die eigentlich eher zufällig eine feucht fröhliche Nacht miteinander verbringen und beschließen sich nicht mehr wiederzusehen. Eingebettet in den musikalischen Rahmen von „Love will break your heart“ zu „Love will change your heart“ erleben die zwei, bei ihrem Versuch sich nicht mehr wiederzusehen, viele witzige und schöne, aber auch traurige Momente.

Ich genieße also eine herrliche Abwechslung von Humor und den wirklich wichtigen Fragen des Lebens. Ich lache ein erstes, ein zweites, ein drittes Mal… – und nach 90 Minuten gehe ich gut gelaunt nach Hause. Ich denke weder an den Chef, noch an die nicht fertigen Arbeiten, sondern ich erwische mich dabei wie ich auf der Heimfahrt grinsend „Love will break your heart…..“ vor mich hinsumme.

Kennen Sie das?

…wenn nicht, dann kommen Sie doch einfach vorbei!

Die nächste Vorstellung ist am Freitag 19.04.2013, 20 Uhr in den Kammerspielen.

Julia Heyer

Frühjahrsputz im Bilderfundus

Pünktlich zum Frühjahrsanfang haben wir in der Abteilung Marketing mal wieder abgestaubt und aufgeräumt. Dabei haben wir auf den Festplatten auch einige Bilder vom Haus und dem Ensemble gefunden. Es handelt sich um Aufnahmen, die Wolfgang Seidl von Seidldesign  für das letzte Spielzeitbuch gemacht hat.

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Zwei Welten

Wer kennt sie nicht, diese vielen kleinen Situationen, in denen man feststellt, dass man etwas verwechselt, oder gleich komplett vergessen hat? „So fängt es an“, hört man dann oft, und in gewisser Weise stimmt das auch.

Allein in Deutschland leiden Statistiken zufolge 1,2 Millionen Menschen an Demenz, Tendenz steigend. Prognosen rechnen mit bis zu 2,5 Millionen Betroffenen im Jahre 2030. Der Grund: Wir werden heute älter als noch vor 100 Jahren.

Horizont 9

„Wir werden alle irgendwann dement, wir müssen nur alt genug werden“, sagt auch Stefan Eichberg, der den langsam an Alzheimer erkrankenden Opa von Janek spielt. Er trainiert seinen Enkel im Delphinschwimmen, und zieht schließlich bei seiner Tochter und Janek ein. Janek muss nun mit zwei Situationen, die gegensätzlicher nicht sein können, zurechtkommen. Auf der einen Seite ist er ein ganz normaler Teenager, mit Problemen in der Schule, die er Dank der neuen Klassenkameradin Anna meistert, und andererseits muss er immer mehr auf seinen Opa aufpassen und sich um ihn kümmern. Petra Wüllenweber schildert in ihrem Schauspiel „Am Horizont“ einfühlsam die Not und Hilflosigkeit der Angehörigen, die die Zuschauer fesselt.

Das war auch bei dem Gespräch zwischen der Theaterpädagogin Antjé Femfert und den beiden Schauspielern Stefan Eichberg (Opa) undPeter Volksdorf (Enkel Janek) mit der 8. Klasse des Hohenlohe Gymnasiums Öhringen, zu spüren. Ob von der authentischen Inszenierung erschlagen, oder einfach nur von dem Thema ergriffen und den Erklärungen der Schauspieler verblüfft, dauerte es eine Weile, bis die Schüler ganz langsam warm wurden. Besonders gelobt wurde von ihnen, dass man trotz des ernsten Themas zwischendurch lachen konnte, und dass am Schluss der Titel aufgegriffen wird.

Janeks Opa stirbt am Ende des Stückes und Janek stellt sich vor, dass sein Opa um in den Himmel zu kommen bis zum Horizont schwimmt, wo sich Himmel und Erde berühren.

Von allgemeinen Fragen, wie:

„Ist es schwer, sich in eine Rolle hinein zu versetzten?“ – Stefan Eichberg grinst „Ich bin Schauspieler und versetze mich gerne in viele verschiedene Rollen.“

„Wie viele Rollen spielen Sie gerade parallel?“ – „Ich glaube, ich spiele gerade nur drei oder vier Rollen.“

oder: „Wie lange dauert es ein Stück einzuüben?“ – „Ca. sechs Wochen. Bei größeren Produktionen acht Wochen.“

bis hin zu: „Was war die schwerste Szene?“ – „Der Schluss. Wir haben lange darüber geredet und viel geprobt, wie wir den Tod von Janeks Opa darstellen.“

oder: „Wie haben Sie sich der Krankheit genähert?“ – „Ich habe sehr viel Sekundärliteratur gelesen und mich mit dem Krankheitsbild auseinandergesetzt. Man spielt ja viele Stücke und „Am Horizont“ hat mich sehr berührt.“

wurde alles beantwortet, und bei Antworten, wie: „Ich glaube, ich spiele gerade nur drei oder vier Rollen“, wurde gelacht. Nur!

Doch nicht nur die Tatsache, dass Stefan Eichberg und Peter Volksdorf drei oder vier Stücke parallel spielen und deren Texte parat haben, während manch ein Schüler Probleme hat sich seine 20 neuen Vokabeln bis morgen zu merken, sorgte für Lacher, sondern auch Stefan Eichbergs „Wie heißt sie doch gleich??“, als von Anna (Janeks Mitschülerin) die Rede ist.

Jaja, so fängts an….

Julia Heyer, Praktikantin

Zwei Blicke ins Apartment

Wie unsere PraktikantInnen die Proben zum Musical erleben

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Iris Simon, Praktikantin in der Dramaturgie

Der Donner grollt, die Blitze zucken. Ein Abend um sich gleich nach der Arbeit in sein Bett zu verkriechen. Das hatte auch Chuck Baxter so geplant; doch nun steht er bei diesem Wetter auf Manhattans Straßen und singt davon, was er nicht alles für ein bisschen Erfolg im Beruf auf sich nimmt.

Am Ende des Songs plötzlich laut die Stimme des musikalischen Leiters Heiko Lippmann: „Gut gemacht, Gabriel, aber bitte noch einmal von vorne! Und könnte ich bitte den Regen dazu haben!“ Carsten Bänfer, der tontechnische Leiter, gibt via Funk seinen Tontechnikern in der Tonloge Bescheid.

Kurz vorher war man noch im New York der Sechziger und verfolgte das Leben eines einfachen Buchhalters, da holt einen die Realität der Theaterwelt wieder zurück in die Gegenwart.

Es ist 10:30 Uhr an einem Dienstagvormittag. Im Großen Haus findet die sogenannte Bühnen- und Orchesterprobe (BO-Probe) für das Stück„Das Apartment“ statt.

Für die Musicalfassung des Billy-Wilder-Films wird noch ohne Make-up und Kostüme geprobt. Heute stehen vor allem die Lieder der Darsteller im Mittelpunkt. So können noch nach und nach die technischen Feinheiten wie das Licht, die Soundeffekte und der Ton optimal abgestimmt werden.

Gabriel Kemmether beginnt von Neuem. Leise besprechen sich die Regisseurin Katja Wolff, der musikalische Leiter Heiko Lippmann und der Bühnenbildner Jan Freese am Regiepult.

Um die Zeitreise in das Leben von Baxter und seiner heimlichen Flamme Fran (Luise Schubert) perfekt zu machen, muss noch so manches eingestellt, umgestellt und verändert werden.

Doch es bleibt einem gar nicht viel Zeit darüber nachzudenken, wie viel Arbeit in jedem noch so winzigen Detail steckt; denn schon hat einen die Atmosphäre des Bühnenbilds und die Musik wieder voll in den Bann gezogen: „Raindrops keep falling on my head“.

 

Julia Heyer und Johannes Pfeffer, Praktikanten der Abteilung Marketing

Musik setzt ein. Auftritt Oliver Firit im roten Kostüm. Stop. Nochmal.
Musik setzt ein. Auftritt Oliver Firit im roten Kostüm. Etwas schneller. Stop. Nochmal.
Musik setzt ein. Auftritt Oliver Firit im roten Kostüm. Wieder langsamer. Diesmal unterbricht niemand.

Die Regisseurin Katja Wolff und der musikalische Leiter Heiko Lippmann fordern von den Schauspielern unseres Ensembles für das Musical „Das Apartment“ höchste Perfektion. Die Abstimmung zwischen der Musik und der Handlung auf der Bühne ist unerlässlich. Dazu gehört der exakte Start und das Tempo einer Bewegung. Auch wohin die Schauspieler sich bewegen, wird genau besprochen und geprobt, damit in Tanzszenen mit bis zu zwölf Schauspielern keiner dem anderen auf die Füße tritt.

Dem Regieteam entgeht nichts, was auf der Bühne stattfindet, gerade die kleinen Details, die der Besucher kaum wahrnimmt, machen nachher die perfekte Bühnenchoreografie aus. Viele Fragen werden wieder und wieder diskutiert und geklärt, bis alle Beteiligten zufrieden sind.

  • Wer stellt welches Requisit wohin?
  • Wie überrascht sieht Fran aus, wenn sie die Wahrheit erfährt?
  • Und wann geht welches Licht an?

Noch ist die Bühne in kaltes Probenlicht getaucht. Doch der Dramaturg Andreas Frane verspricht: „Durch die Lichtchoreografie wird das Bühnenbild in den Aufführungen zum lebendigen Spielort“. Dazu wird das Licht in diesen Tagen nach und nach in den Spielablauf mit einbezogen.

Noch drei Hauptproben und die Generalprobe stehen dem Ensemble, den Musikern und den Technikern zur Verfügung, bis jede Kleinigkeit sitzt, und am Samstag das Licht über der Skyline von New York erstrahlt zur Premiere von „Das Apartment“

Aufführungstermine:

  • 16.03.2013 Premiere
  • 17.03.2013
  • 20.03.2013
  • 23.03.2013
  • 26.03.2013

 

Getwittert und geprobt – Live im Theater

Noch bis zum 24. März läuft die Blogparade von livekritik.de  zum Thema „Via Smartphone live aus einer Kulturveranstaltung berichten – gut oder schlecht?“. Am 16. Februar haben wir im Theater Heilbronn mit dem ersten Kultur Tweetup aus einem Stadttheater bei einer Probe zur Uraufführung der Oper „Minsk“ unsere Erfahrungen gesammelt. Kann das auch in einer regulären Vorstellung erfolgreich sein?

@bb_wortgewandt
@bb_wortgewandt

Um es gleich vorweg zu nehmen. Der Kultup am 16. Februar bei Minsk war in unseren Augen sehr erfolgreich. Fast 100 Twitterer im Theater und via Twitter haben daran teilgenommen und ihre Berichte mit ihren Followern geteilt. Die Teilnehmer waren begeistert von der Möglichkeit schon vor der Uraufführung Einblicke in das Werk zu bekommen und sich mit anderen darüber auszutauschen. Die Berichterstattung in den klassischen Medien Rundfunk und Fernsehen war äußerst aufgeschlossen und interessiert.

Gerade in der Probensituation bei einer bisher unbekannten Oper bietet das Twittern einen Mehrwert. Das Probenpublikum verhält sich leise, denn statt zu reden wird beinahe lautlos auf Touchscreens getippt. Dadurch kann die Intimität der Probensituation besser erhalten bleiben. Das Twittern bietet den Besuchern die Möglichkeit sich auszutauschen über das was auf der Bühne geschieht. Über die Accounts @Theat_Heilbronn und @kultup wurden die Twitterer während der Veranstaltung mit Hintergrundinformationen versorgt. Eine solche Moderation ist insbesondere auch für die wichtig, welche nicht selbst im Theater sitzen und den #Kultup von zu Hause oder unterwegs verfolgen.

 

In den vorangegangenen drei Wochen waren die Leser auf den Kultup über den Blog und die übrigen Social Media Kanäle des Theaters auf die Probe vorbereitet worden. In regelmäßigen Beiträgen wurde gezeigt, was alles zum Entstehen eines Stückes dazu gehört. Der Blick hinter die Kulissen weckte die Neugier bei den Zuschauern. Auch nach dem Kultup gab es dort viel über den Fortgang der Proben bis zur Premiere zu lesen. Durch diese intensive Begleitung, bleibt der Kultup kein einmaliges, kurzfristiges Event, sondern dient der langfristigen Bindung an das Haus und ist eingebunden in die Kommunikationsstrategie. Beim Minsk-Kultup gaben der Regisseur Christian Marten-Molnár und der Dramaturg Johannes Frohnsdorf darüber hinaus den Probengästen selbst Erläuterungen zum Stück, was für das Verständnis hilfreich war und die Ideen des Regieteams deutlicher werden lies.

 

Gleichwohl gab es sogar unter Intensiv-Twitterern Vorbehalte gegenüber dem Twittern aus regulären Vorstellungen. Dabei sind zwei Punkte zu erwähnen, die gegen Smartphones in Aufführungen sprechen.

Zum einen ist dies die Konzentration, welche beim Twittern regelmäßig vom Bühnengeschehen abgelenkt wird. Ein Problem besonders im Schauspiel, lebt es doch gerade von einer fortlaufenden, sich ständig entwickelnden Handlung, die die Aufmerksamkeit des Zuschauers verlangt. Die Nutzung von Smartphones und Twitter lenkt selbst Multitaskingtalente auf Dauer vom Bühnengeschehen ab. Es entsteht in gewisser Weise eine zweite Bühne, die ihre eigenen Themen verhandelt. Die Gefahr besteht also, dass das Ereignis auf der Bühne zur Nebensache wird und dadurch der Reiz des Schauspiels verloren geht.

 

Ein weiterer Grund ist die Störung durch leuchtende Handydisplays. Diese nehmen nicht nur die Sitznachbarn, sondern auch die Schauspieler auf der Bühne wahr. Schauspieler sind es gewohnt in ein „schwarzes Loch“ zu blicken, während sie sich in Aufführungen auf den Text und das Geschehen konzentrieren. Wenn in diesem „Loch“ in Zukunft in unregelmäßigen Abständen hellblau erleuchtete Gesichter aufscheinen ist das eine große Herausforderung für die Konzentration auf der Bühne. In amerikanischen Musicaltheatern bekommen zum Teil Twitterer Plätze in der letzten Reihe zugewiesen, doch selbst da ist die Gefahr groß, dass sich Sitznachbarn gestört fühlen, wie der Broadway Blogger nach einer Veranstaltung im Providence Performing Arts Center berichtet.

 

Dennoch ist die Nutzung von Twitter als Instrument des Theatermarketings während Proben vielversprechend. Zum einen sind die Besucher des Tweetup Multiplikatoren, die ihren Followern in gewisser Weise das Theater empfehlen (so sie vom Tweetup begeistert sind). Zum anderen dient die persönliche Rückmeldung von regelmäßigen Social-Media-Nutzern und Kulturbesuchern, wie es die Besucher des Tweetup in der Regel sind, der Evaluation der eigenen Arbeit und dem Gedankenaustausch.

Auch für die Kulturvermittlung kann die Live Nutzung von Social Media interessant sein. Die Besucher haben die Möglichkeit direkt auf das Erlebte zu reagieren und Reaktionen mit anderen auszutauschen. Durch die intensive Vorbereitung und eine Moderation können auch neue und komplexere Themen des Theaters behandelt werden.

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Um das Erlebnis Theater in seiner intensiven Form jedoch nicht zu beinträchtigen scheint es sinnvoll für die Nutzung eigene Veranstaltungsformen zu entwickeln, wie eine Tweetup-Probe. Die Probensituation bietet eher die Möglichkeit des gedanklichen Abschweifens und Wiederkehrens des Publikums. Da das Stück auf der Bühne selbst im Entstehen ist, stören Unsicherheiten bei den Schauspielern nicht den Fortgang. Dennoch braucht es großes Vertrauen seitens der Schauspieler in die Twitterer, dass diese die Vertraulichkeit der Probensituation wahren. Sowohl Schauspieler als auch Besucher des Tweetup wissen, was sie erwartet und können sich darauf einstellen. Der twitterfreie Genuss einer Theaterveranstaltung sollte weiterhin möglich sein – im „schwarzen Loch“ bei voller Konzentration.

Johannes Pfeffer

Nachtrag (14.03.2013): Die twitternde Theaterbesucherin Bianka Blavustyak (@bb_wortgewandt) nimmt ebenfalls an der Blogparade von livekritik.de teil und schreibt über ihre Gedanken nach dem #Kultup. Zum Artikel „Na, ich weiß noch nicht so recht – Digital im Theatersaal“.

»Pure Sechziger. Von Anfang bis Ende«

Das Musical »Das Apartment« schwelgt im Sound und Look der Sixties

Apartment
Fotocollage
Foto Gabriel Kemmether von Fotostudio M42

Bap Bap Dara Ba Bap Bap – bappt, Verzeihung: singt Tobias D. Weber. Mit dem ganzen Ensemble steht er um das schwarze Klavier herum. Es ist Dienstagabend auf der Probebühne Alte Kelter. An den Tasten sitzt ganz leger ein Mann mit Bartstoppeln, in Jeans und grauem Pulli. Plötzlich rückt er sich die Brille zurecht und spannt den Oberkörper. Der Arm schnellt mit ausgestrecktem Zeigefinger in Richtung Gabriel Kemmether: »Gabriel, gibst du mir auch mal die Mittelstimme? Okay, dann gehen wir alle in den Anfang, ich gebe fünf Takte vor.« Kemmether singt, Julia Apfelthaler wiegt sich im Takt, Johannes Bahr sieht konzentriert in seine Noten. Ist da nicht eine kleine Pause nach Ziffer 9?
Heiko Lippmann, musikalischer Leiter bei »Das Apartment«, arbeitet zum ersten Mal am Theater Heilbronn. Nach zwei Probenwochen kommt es einem aber schon so vor, als kennen er und das Ensemble sich seit zwei Spielzeiten. Es wird konzentriert gearbeitet, aber ruhig und unaufgeregt. Der gebürtige Chemnitzer und Wahl-Hamburger hat sich schon bei seinem ersten Engagement in Gera dem Musical verschrieben – und ist dem Genre bis heute mit spürbarer Begeisterung treu geblieben. Bei großen Stella/Stage Entertainment-Produktionen wie »Das Phantom der Oper«, »Der Glöckner von Notre Dame«, »Cats« und »AIDA« war er Dirigent und musikalischer Leiter, hat von Open Air bis zu internationalen Tourneen alles mitgemacht und schreibt gerade die Musik zur Uraufführung des Musicals »Maria, ihm schmeckt’s nicht!«, das im Sommer bei den Gandersheimer Domfestspielen herauskommen soll.
Für »Das Apartment« sind die Berliner Regisseurin Katja Wolff und er nun nach Heilbronn gekommen und werfen sich mit Begeisterung in die Arbeit mit den Schauspielern und Musikern. Die Musicalfassung von Billy Wilders Oscar-preisgekröntem Filmhit dreht sich – nah am Drehbuch – um C.C. Baxter (Gabriel Kemmether), einen kleinen Angestellten in einem großen Unternehmen, der seinen Apartment-Schlüssel an seine Chefs verleiht. Für außereheliche Schäferstündchen und gegen Beförderungs-Versprechungen. Bis er feststellt, dass die von ihm angebetete Fran Kubelik (Luise Schubert) eines der Schäferstündchen ist. »Das Apartment« ist das einzige Musical des Hit-Komponisten Burt Bacharach, der mit seinen Songs für Dionne Warwick, Dusty Springfield und Aretha Franklin (u. a. »Don’t Make Me Over«, »That’s What Friends Are For«, »Raindrops Keep Falling On My Head«) Popgeschichte geschrieben hat.
Wie ist denn die Musik im »Apartment«? »Ich höre sofort die Sechziger«, schwärmt Heiko Lippmann. »Schöne Big-Band-Geschichten, bei denen man sofort an der Instrumentierung merkt, man ist genau in der Zeit. Pure Sechziger. Von Anfang bis Ende.« Der Look und vor allem die Mode der Sechziger, wie sie unter anderem durch die amerikanische TV-Serie »Mad Men« wieder populär geworden sind, werden auch das Bühnenbild (Jan Freese) und die Kostüme (Heike Seidler) bestimmen. Letztere lassen sich auf der Probebühne schon erahnen: Die Herren des Ensembles tragen Anzug, manche Schlips.
In der Alten Kelter geht die Probe weiter. »Die Musik macht einfach Spaß«, freut sich Regieassistentin Katrin Minkley. »Pst!« kommt es vom Klavier. »Können wir Ruhe haben? Gut. Eins zwo drei vier, zwo zwo drei vier.« Gabriel Kemmether legt los: »Null Prozent von Rockefeller …« Und diesmal wippt nicht nur Julia Apfelthaler mit. Ja, Musical macht einfach Spaß!

Andreas Frane, Dramaturg

From Minsk to Minsk is quite a journey

Der Weg zu einer Uraufführung

Sechs Wochen sind vergangen zwischen dem ersten Blogartikel über die Uraufführung der Oper „Minsk“ und der Premiere am 3. März im großen Haus. Sechs Wochen Zeit hatten die Werkstätten, das Regieteam, die Schauspieler und die Musiker des Württembergischen Kammerorchester Heilbronn seit der Konzeptionsprobe um die von Ian Wilson uminstrumentierte Kammeroper auf die Bühne zu bringen. Eigentlich für das Festival in Feldkirch mit traditionellen Instrumenten geplant, wurde sie in Heilbronn in einer Fassung für Streichorchester und Schlagzeug uraufgeführt. Die musikalische Leitung hatte Ruben Gazarian, Regie führte Christian Marten-Molnár, der bereits in Flensburg „Hamelin“, eine frühere Oper Wilsons inszenierte.

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Minsk or elsewhere*

Im Blog haben wir die Entwicklung der Oper intensiv begleitet. Dabei haben wir uns zuallererst dem Thema „Heimat und Heimatlosigkeit“ genähert. Wir haben erforscht, wie russische Migranten heute in London leben und in welchem Umfeld die Oper spielt. Das Württembergische Kammerorchester hat das Thema gemeinsam mit SchülerInnen der Wartbergschule in Heilbronn mit Filmarbeiten untersucht, die Orte der Heimat und des Fremdseins in Heilbronn dokumentieren.

Außergewöhnlich viele Details zur Inszenierung wurden bereits vor der Premiere im Blog verraten. Mit Beginn der Probenarbeiten haben wir bereits das Bühnenbild als Modell und im Werkzustand vorgestellt. Der Ausstatter Nikolaus Porz hat seine Idee im Videogespräch mit Dramaturg Johannes Frohnsdorf präsentiert. Wie die Anonymität Londons auf der Bühne entstehen soll, verraten bereits die grauen, gesichtlosen Masken, die die Statisten tragen. Kurz vor der Premiere haben wir mit der jungen Regieassistentin und Abendspielleiterin Lara Schüßler über die Wirkung der Oper auf eigene Zukunftsentscheidungen gesprochen.


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There is one way to be shure

Durch diese Offenheit wurde es erst möglich, dass wir am 16. Februar den ersten Tweetup eines Stadttheaters in Deutschland im Rahmen einer Probe zur Oper „Minsk“ veranstalteten. Rund 30 theaterbegeisterte Twitterer hatten die Möglichkeit zwei Wochen vor der Premiere Einblicke in das Zusammenspiel von Bühnenbild, Schauspiel und Musik zu bekommen und diese mit der Öffentlichkeit zu teilen.

Sechs Wochen Probenzeit gehen schnell vorbei. Mit Spannung wurde die Premiere am 3. März im vollbesetzten großen Haus erwartet. Zum ersten Mal war die von Wilson auf das Libretto von Lavinia Greenlaw komponierte Musik zu hören, die sich frei von Stilzwängen bewegt. Frieder Reininghaus beschreibt ihre Bestandteile im Deutschlandradio  „wie vom Neoklassizismus inspiriert, andere von locker eingewobener Minimal music (…)“. Des Weiteren berichteten die Neue Musikzeitung, die Heilbronner Stimme, die Ludwigsburger Kreiszeitung und die Fränkischen Nachrichten begeistert über die Uraufführung.

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I’m not a version, I am you

Die Kammeroper Minsk ist im großen Haus nochmals am 21. und 22. März zu erleben. Johanna Greulich spielt die energiegeladene 20-jährige Anna, von allen Anoushka genannt, Ksenija Lukic spielt die in London lebende Anna und Niklas Romer den Geliebten Fyodor.

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Johannes Pfeffer

*Zitate aus dem Libretto

-› Minsk wird gefördert vom British Council und Pro Helvetia ‹–