Vom Thron geschubst…

Werner Schwabs Bizarres Schauspiel »Die Präsidentinnen« am 15. Oktober in den Kammerspielen

Wer träumt nicht auch davon? Im Rentenalter munter mit langjährigen Freunden bei Kaffee und Erdbeertorte in der Küche sitzen, plaudern und palavern über Gartenbau und Backrezepte und den neuesten Tratsch und Klatsch aus dem englischen Königshaus. Die Kinder sind hinausgezogen in die weite Welt, sind hochbezahlte Bank Business Management Assistants mit Familienhund und 2,5 Kindern, die Enkel am Wochenende zu Besuch, ein Häuschen in Frankreich, unendlicher Urlaub … Das Leben kann so herrlich sein!
Kann, muss aber nicht. Ein gutes Beispiel dafür geben Sparweltmeisterin Erna, Lebefrau Grete und die fromme Mariedl ab. Besonders Erna und Grete hat das Leben mit all seinen Boshaftigkeiten und Auswüchsen schwer gebeutelt. Hermann, großgesparter Sohn Ernas, lässt seine Mutter wegen permanenter Saufeskapaden nachts nicht ruhig schlafen und auch Grete, einmal Witwe, einmal geschieden, hat ein schweres Nachwuchs-Packerl zu tragen. Ihre Tochter Hannelore hat die Flucht nach Australien ergriffen, Kontakt gibt es keinen mehr, der Grund ist ein Tabuthema unserer Gesellschaft.
Beschimpfungen und Lebenserfahrungen kommen nun passend zum Ostersonntag auf den Küchentisch. Jede Frau will es noch schwerer gehabt haben und nur eine nimmt es leicht: Mariedl. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist nicht Seelenschutt und schwere Not mit dem Nachwuchs; Mariedl ist dafür bekannt, es »auch ohne« zu machen! Strafe dem, der jetzt Böses denkt! Rutscht es auf dem stillen Örtchen nicht nach unten, sondern quillt nach oben, greift die Mariedl mit bloßen Händen – ohne Gummihandschuhe! – in die Muschel und … Für Mariedl, die ungekrönte »Befreierin des Throns«, ein gutes Werk für Jesus Christus. Doch wer dankt einem wirklich alle Anstrengung und Mühen? »Niemand«, würden Grete, Erna und Mariedl unisono antworten. Da hilft nur eins: Träumen. Eintauchen in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Da wird die eine zur Unternehmergattin und die andere zur Großgrundbesitzerin, da wird hemmungslos geflirtet und zünftig gegessen, da findet die Mariedl in jedem verstopften Abort ein schöneres Geschenk vom Herrn Pfarrer. Die unerfüllten Sehnsüchte der Frauen laufen über, werden größer und phantastischer und zerschellen an der brutalen Realität der Mariedl, die plötzlich Hannelore und Hermann auftauchen lässt, um dem ganzen Treiben Einhalt zu gebieten.
Aus dem Präsidentinnen-Trio wird am Ende ein rachsüchtiges Verschwörer-Duo, das die anarchische Staatsfrau in Ernas Küche in einem großen Showdown vom Thron stößt. Und dann? Geht das Leben heiter weiter!

Stefanie Symmank, Dramaturgin

Im Beifallsrausch in die neue Spielzeit

Es gehört zu den schönsten Momenten von Theaterschaffenden, wenn sich das Publikum zum Beifall von den Plätzen erhebt und ausdauernd Beifall spendet. So geschehen zu unserer Auftakt-Premiere „Das Ballhaus“, diesem Schauspielabend ohne Worte, der allein mit Tanz und nonverbalem Spiel die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts erzählt. Dieser Moment der stehenden Ovationen gleicht einer großen Umarmung zwischen Ensemble und Publikum. Einige Premierengäste haben bereits auf der Premierenfeier verkündet, dass sie dieses Stück, bei dem so viel auf der Bühne passiert, dass man es keinesfalls alles erfassen kann, noch einmal anschauen wollen. Und tatsächlich haben bereits am Montag die ersten schon wieder Karten für eine der nachfolgenden Vorstellungen geordert.

„Die Zoogeschichte“ am zweiten Abend, dieses feine, intelligente Kammerspiel von Edward Albee in der Inszenierung von Alejandro Quintana mit den beiden Schauspielern Tobias Weber und Raik Singer, wurde nicht minder intensiv beklatscht. An beiden Abenden war übrigens eine Kritikerin von einer großen überregionalen Theaterzeitschrift in Heilbronn, die sich einen Eindruck verschaffen wollte. Und die hat uns zu unserem tollen Publikum gratuliert, das so intensiv zuschaut und zuhört und ein Gespür für feinste Nuancen hat.

Auch der dritte Abend des Auftaktwochenendes, der„Ritter Ludwig“, war sehr fein und wurde von den Zuschauern gefeiert. Ein Lustspiel mit ernsten Untertönen, das vom würdigen Altern und von verpassten Lebenschancen erzählt und zeigt, dass es nie zu spät ist, einen neuen Weg einzuschlagen, wenn man sich auf dem alten verrannt hat. Hier sah man so manchen im Publikum verstohlen die Augen auswischen – wobei nicht ganz klar wurde, ob es Lachtränen oder Tränen der Rührung waren, die das Spiel der Kolleginnen und Kollegen aus der Komödie im Marquardt hervorriefen.

Silke Zschäckel, Pressereferentin

Foto: Fotostudio M42

Jagdsaison im Central Park

Edward Albees Erstling »DIE ZOOGESCHICHTE« eröffnet heute um 20 Uhr die Saison in den Kammerspielen.

Endlich Wochenende! Endlich Sonntag! Ausschlafen, Ausspannen, Arbeitslos für einen Tag! Viele Menschen wissen schon montags, wie sie den Tag, an dem selbst Gott sich eine Pause gönnte, verbringen. Auch Peter, Vertreter der amerikanischen Mittelklasse und ein mit sich und der Welt zufriedener Verleger mit einer Frau, zwei Töchtern, zwei Katzen und zwei Wellensittichen, schnappt sich an einem sonnigen Sonntagnachmittag ein Buch, setzt sich im nahe gelegenen Central Park auf eine Bank und beginnt zu lesen. Die Vögel zwitschern, der Rasen grünt, ein leichter Wind weht. Doch plötzlich …: »Ich war im Zoo.« Eine scheinbar harmlose Feststellung, mit der Jerry, ein isoliert lebender und von Problemen heimgesuchter Mensch, der in einer Pension unter äußerst fragwürdigen Bedingungen lebt, Peter bei seinem Lesevergnügen stört. Was will die merkwürdige Person von ihm? Peter versucht, den kauzigen Typen zu ignorieren, doch Jerry schafft es, den Familienvater gekonnt in ein Gespräch zu verwickeln an dessen Ende klar ist, dass es für einen von beiden keinen Montag mehr geben wird. Doch was passiert? Herzinfarkt? Selbstmord? Oder gar Mord? Und wer wird in Edward Albees Erstlingswerk von 1958 das Zeitliche segnen? Gründe und Motive für ein Verbrechen gibt es genug. Einerseits ist es nachvollziehbar, dass Peters Herz schneller schlägt, wenn ein penetranter Störenfried plötzlich auftaucht und ihm ein Gespräch über den guten alten Norden aufdrängen will. Zu allem Überfluss macht Jerry ihm auch noch das geliebte Pfeiferauchen madig, indem er Peter auf die Langzeitfolgen des Tabakkonsums aufmerksam macht. Es ist weiterhin auch nur zu verständlich, wenn Peter in Rage gerät, weil Jerry ihm sein gut situiertes Leben vorwirft, gar anfängt, die sich dahinter verbergende Trostlosigkeit und Mittelmäßigkeit aufzudecken. Da würde doch wirklich jeder aus der Haut fahren, wenn ein völlig Fremder behaupten würde, man hätte sein ganzes Leben lang nur Kompromisse gemacht und hätte nie genug Mumm in den Knochen gehabt, seinen Willen durchzusetzen. Da kann man(n) schon mal seine guten Manieren vergessen und … Anderseits ist Jerry ein gewisses Aggressionspotential auch nicht abzusprechen, schließlich hat er schon versucht, den Hund der Nachbarin zu vergiften. Außerdem macht er den Eindruck eines Kleinkriminellen auf Peter. Bestimmt ist der Typ auch noch bewaffnet! Mit sprachlicher Brutalität zwingt Jerry Peter seine Lebensgeschichte auf, erzählt von seiner schweren Kindheit, seiner miserablen Wohnsituation, seiner Einsamkeit, seiner Sehnsucht nach einem tiefgründigen Gespräch. Jerry hat nie auf der Sonnenseite des Lebens gestanden und scheint zu allem bereit.
Zwei Welten prallen an diesem sonnigen Sonntagnachmittag im Central Park aufeinander. Wer ist Jäger? Wer Gejagter? Am Ende offenbart sich ein grausamer Plan, dessen Erfüllung in einem Unglück endet.
Die Legende besagt, dass Edward Albee in der Nacht seines 30sten Geburtstages die Entscheidung traf, seine Stelle als Laufbursche bei der Western Union zu kündigen, um Theaterautor zu werden. Also »lieh« sich Albee eine Schreibmaschine seines Noch-Arbeitgebers aus und begann zu tippen. Nach 3 Wochen war sein Debütstück »The Zoo Story« fertig. Der Grundstein für seine Karriere als einer der erfolgreichsten amerikanischen Theaterautoren war gelegt. Das meistgespielteste (und bekannteste) Stück des heute 83-jährigen ist allerdings nach wie vor »Wer hat Angst vor Virginia Woolf?«.Welches seiner knapp 30 Stücke gefällt Albee selbst am besten? »Immer das, welches ich noch nicht geschrieben habe. Bei diesem Stück konnte ich noch keinen Fehler machen.«

Stefanie Symmank, Dramaturgin

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Darf ich bitten!

Darf ich bitten! »Das Ballhaus« ist ein Tanz durch das vergangene Jahrhundert

Darf ich bitten«. Endlich hat sich der junge Mann, der heute seinen besten Anzug trägt, ein Herz gefasst und sie angesprochen – die schöne, junge Dame, die jede Woche ins Ballhaus kommt, sitzt und wartet, dass der Richtige sie zum Tanz und später vielleicht in ein gemeinsames Leben holt. Vielleicht dieser da, der jetzt so schüchtern und nervös vor ihr steht? Warum nicht? Sie steht auf und lässt ihn die Arme um sich legen und beide wiegen sich im Takt der Musik. Inmitten der anderen Ballhausbesucher, die sich in Paaren tanzend auf dem Parkett bewegen oder zuschauen und warten, dass das Glück in Gestalt eines liebenswerten Menschen bei ihnen anklopft.

80 Jahre lang werden wir als Zuschauer die Geschichte dieses Ballhauses und seiner Besucher beobachten. In einem großen Schauspiel, das ganz ohne Worte auskommt – das aber als Darsteller unbedingt Schauspieler und keine Tänzer braucht. Fast das ganze Ensemble steht auf der Bühne und tanzt sich durch das vergangene Jahrhundert, das in prägnanten Episoden wie ein großer Bilderbogen von den Zwanziger Jahren bis zur Deutschen Wiedervereinigung vorüberzieht. Über 160 Kostüme, viele historische Requisiten und die live gespielte Musik werden die geschichtlichen Veränderungen markieren. Sie bestimmen, wie sich die Menschen zueinander verhalten – selbst im Tanzsaal. Die Schauspielerinnen und Schauspieler verkörpern dabei nicht die Geschichten jeweils eines einzigen Menschen, sondern sie sind ganz bestimmte Typen, die es zu jeder Zeit gibt. Es begegnen uns: die Grand Dame; das Mädchen mit dem romantischen Tick; die Charismatische; die Dame, die weiß, wie man gehen muss; die Schöngeistige; die große Liebende; das kurzsichtige Huhn; der Mann an sich; der Denunziant; der Ganove; der Gigolo; der Verklemmte; der Exaltierte; der Sympathische; der Eintänzer; der junge Single und der Künstler. Die einzigen Figuren, die uns immer wieder begegnen, sind der Wirt und die Klofrau – die sich beide sehr mögen, ohne es voneinander zu wissen.

Anregung war das französische Stück »Le Bal« vom Theatre du Campagnol von 1983, das durch die Verfilmung von Ettore Scola weltberühmt wurde. Steffen Mensching hat zwei Theaterfassungen geschaffen – eine für die Neuen und eine für die Alten Bundesländer. Seit Mitte der 90er Jahre hat »Das Ballhaus« auf deutschen Bühnen seinen Siegeszug angetreten und die Zuschauer mitgerissen mit der Kraft der Musik und der Erinnerungen. (Silke Z.)

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Spannung steigt vor den ersten Premieren – das ganze Theater im Endprobenfieber

Bei uns steigt gerade die Spannung, denn es ist die sogenannte Endprobenwoche. In wenigen Tagen starten wir mit den ersten Premieren in die neue Spielzeit. Mit dem „Ballhaus“, diesem opulenten Tanz-Schauspiel, der „Zoogeschichte“, einem feinen Kammerspiel, und der Komödie „Ritter Ludwig“ erleben die Zuschauerrinnen und Zuschauer ein Kontrastprogramm. Man kann die Spannung, die während der Endproben am Theater herrscht, fast mit den Händen greifen. In dieser Woche werden alle Elemente, die eine Inszenierung ausmachen, zusammengefügt. Also Kostüm, Maske, Licht, Ton, Originalrequisiten – darin oder damit müssen sich die Schauspielerinnen und Schauspieler jetzt zurecht finden. Im „Ballhaus“ sitzen die Choreografien bereits. Jetzt werden die schnellen Kostüm- und Maskenwechsel geprobt – eine große Herausforderung auch für die Kolleginnen und Kollegen hinter den Kulissen. Die Band steht mit auf der Bühne und spielt live. Unsere Beleuchtungsabteilung zaubert mit dem Licht und gibt dem Ballsaal, in den sich unsere Bühne verwandelt hat, die richtige Stimmung. In der „Zoogeschichte“ geht es vor allem darum, die Konzentration, die dieses feine Kammerspiel verlangt, immer wieder aufzubauen. Alejandro Quintana setzt noch einmal die „Goldfeile“ an, um die Konturen der Inszenierung weiter zu verschärfen.

Eine der letzten Proben vor der Premiere ist die Fotoprobe. Dann gehen unsere beiden Hausfotografen Katja und Thomas vom Fotostudio m 42 mit diversen Kameras ausgerüstet hinein und halten die Inszenierungen fest. Das ist dann auch für uns von der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit die Gelegenheit, die Inszenierung schon mal anzuschauen. Ein wirklich aufregender Moment. Und ganz besonders schön ist es dann zu sehen, wie sich die Inszenierung in den wenigen Proben bis zur Premiere dann noch weiterentwickelt.

Silke Zschäckel, Pressereferentin

Theaterprobe provoziert Polizeieinsatz

„Ich war im Zoo.“ So beginnt das Stück, welches am Samstag, den 24. September in der Kammer Premiere feiern wird. Die Zoogeschichte heißt es und geschrieben hat es der „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“-Autor Edward Albee. Wir waren zwar nicht im Zoo, aber haben auch mal unseren dunklen Probenraum verlassen und sind hinaus in den Park gegangen, genau dorthin, wo das Stück auch spielt. Für die Schauspieler Tobias D. Weber und Raik Singer und auch für Regisseur Alejandro Quintana ein tolles Erlebnis, „in freier Wildbahn“ zu proben. Wie authentisch die zwei Männer waren, war an einem durch die Proben verursachten Polizeieinsatz zu erkennen. Im Stück gibt es einen Kampf zwischen Jerry und Peter, es fällt auch das ein oder andere unschöne Wort in entsprechend aufgebrachter Lautstärke. Manch ein Spaziergänger mag da tatsächlich vermutet haben, dass es sich hier um die brutale Wirklichkeit handelt, ein couragierter Parkbesucher griff zum Telefon und rief die Polizei. Das Probenteam konnte die Situation aber schnell klären und mit einem Lächeln auf den Lippen wünschten uns die „Freunde und Helfer“ alles Gute. Wir bedanken und an dieser Stelle auch bei dem hilfsbereiten Anrufer, denn nicht mal Regisseur Quintana konnte den beiden Schauspielern an diesem Tag ein besseres Lob geben.

Stefanie Symmank, Dramaturgin