Mit einer kleinen Träne im Knopfloch

Uta Koschel verabschiedet sich als Chefregisseurin aus Heilbronn und wird Schauspieldirektorin in Schwedt

Uta Koschel; Foto: David Klumpp

Es ist eine Mischung aus Vorfreude und Wehmut, die Uta Koschel gegenwärtig durch den Tag begleitet: Vorfreude auf die neuen Aufgaben, die sie in ihrer neuen Funktion als Schauspieldirektorin an den Uckermärkischen Bühnen Schwedt erwarten. Wehmut, weil ihr der Abschied vom Theater Heilbronn, das sie seit Beginn der Intendanz von Axel Vornam mitgeprägt hat, nicht leicht fällt. Seit 11 Jahren gehört Uta Koschel zum Team von Regisseuren, die hier regelmäßig arbeiten. In den vergangenen drei Spielzeiten war sie fest als Chefregisseurin am Haus. Mit ihren beiden letzten, ganz unterschiedlichen Inszenierungen in dieser Funktion setzte sie noch einmal unvergessliche Akzente: Mit »Harper Regan« von Simon Stephens, der Tragödie einer Frau, die vor lauter Warten auf das Leben das Leben an sich vorbeiziehen lässt. Und mit »Hexenjagd« von Arthur Miller, einer Inszenierung, die zwar in einer puritanischen Gemeinde des Jahres 1692 angesiedelt ist, die aber als Parabel für eine Gesellschaft, in der Toleranz und Vernunft im öffentlichen Diskurs immer stärker einem hysterisch geführten, gefährlichen Disput weichen, mit aller Deutlichkeit ins Hier und Heute weist.  Erinnert sei auch an ihre Heilbronner Inszenierungen wie »Das Fest«, »Die Katze auf dem heißen Blechdach« oder »Der Besuch der alten Dame« oder den Komödienhit »Der nackte Wahnsinn« – da werden Bilder wieder lebendig. Ihr Markenzeichen als Regisseurin ist, dass sie kein Markenzeichen hat. Uta Koschel entwickelt die Inszenierung immer aus dem jeweiligen Stoff heraus gemeinsam mit ihrem Team, mit einer klugen, fein ziselierenden, die handelnden Figuren genau untersuchenden Arbeitsweise und einem guten Gespür für Timing und Rhythmus. Da vereinen sich in der Tochter einer Schauspielerin und eines Dramaturgen offenbar beide elterliche Talente.

Bei den Proben zu »Hexenjagd«gewährte Uta Koschel den Studenten der Heilbronner Hochschule exklusive Einblicke in die Entstehung des Stücks. In einer Premierenklasse durften die Studierenden einzelne Proben der Inszenierung begleiten.

Vermissen wird Uta Koschel das großartige, äußerst vielseitige Heilbronner Ensemble, mit dem es Freude macht zu arbeiten: »Mit jedem einzelnen«. Auch die Mitarbeiter in den Werkstätten seien ganz besonders: »Sie arbeiten immer für die Kunst und machen ALLES möglich.« Überhaupt sei das ganze Haus außergewöhnlich gut organisiert und von einem hohen Arbeitsethos geprägt. Heilbronn als Stadt werde immer quirliger und dynamischer, und das Publikum sei wach und dem Theater sehr zugetan. Aber einen Wermutstropfen hatte ihr Engagement im Südwesten immer: Ihren Lebensgefährten Jon- Kaare Koppe, Schauspieler in Potsdam, hat sie viel zu selten gesehen. Schon seit der Schauspielschule sind die beiden ein Paar.  

Von Schwedt, ihrer neuen Wirkungsstätte, sind es nur rund 70 Minuten bis zur gemeinsamen Wohnung in Berlin. Aber nicht nur deshalb freut sie sich auf die Arbeit in den Uckermärkischen Bühnen. »Das Theater ist das kulturelle Zentrum einer spannenden Region«, beschreibt Uta Koschel. Früher abseits am äußersten östlichen Rand der DDR gelegen, findet sich die Stadt jetzt mitten im Herzen Europas wieder – zehn Kilometer von Polen entfernt. Das Theater in Schwedt überwindet hier im wahrsten Sinne des Wortes die Grenze, ist federführend in der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit. Die Uckermärkischen Bühnen arbeiten mit der Musicalhochschule in Gdynia zusammen und realisieren zweimal im Jahr große Musicals. Im traditionellen Weihnachtsmärchen kommt ein Drittel der Besucher aus Polen. Es gibt zweisprachige Schauspieler im Ensemble, so dass Stücke mit polnischen Versatzstücken aufgeführt werden. »Eine wunderbar ungezwungene Art, um sich mit der Sprache des jeweiligen Nachbarlandes zu beschäftigen.« Schwedt bringt auch Deutschsprachige Erstaufführungen polnischer Stücke heraus. »Das alles finde ich sehr aufregend“, beschreibt Uta Koschel. Das Theater bekennt sich auch zu seiner politischen Verantwortung. Darin setzt der neue Intendant André Nicke, unter dessen Leitung Uta Koschel in Schwedt beginnt, die Arbeit seines langjährigen Vorgängers Rainer Simon fort.

Einen Vorteil hat Schwedt außerdem: Zwei Wochen Winterpause, weil das Theater auch im Sommer spielt. Einen Teil davon wird sie, so überlegt Uta Koschel, wahrscheinlich in Heilbronn verbringen, um nach ihrem alten Theater zu schauen. Außerdem wird sie sich jedes Vierteljahr eine Kiste mit Heilbronner Weinen in die Uckermark schicken lassen, genießen und sich mit dem Geschmack auf der Zunge an ihre intensive Zeit in Heilbronn erinnern.

Liebe Uta: Die Träne im Knopfloch, mit der Du Dich verabschiedest, die haben wir auch.

Wir sagen DANKE – einer tollen Regisseurin und einem feinen Menschen.

Die Inszenierung »Hexenjagd« ist noch bis zum 14. Juli 2019 im Großen Haus zu sehen. Allle Termine gibt es HIER –>.

»Hexenjagd«; Foto: Jochen Quast

»Gehört zu werden ist manchmal wichtiger als das Siegertreppchen«

Bariton Konstantin Krimmel gastiert nach »Orlando« zum zweiten Mal am Theater Heilbronn

Konstantin Krimmel als Roberto, Diener der Marchesa Violante, unter dem Namen Nardo, Gärtnerbursche beim Podestà mit Clémence Boullu; Foto: Thomas Braun

Seit seinen Auftritten als Zoroastro in unserer Inszenierung von Georg Friedrich Händels »Orlando« hat sich bei dem Bariton Konstantin Krimmel einiges getan: Erst vor kurzem ist er mit dem Preis des Deutschen Musikwettbewerbs UND des Internationalen Helmut-Deutsch-Liedwettbewerbs ausgezeichnet worden. Was bedeuten solche Preise für einen jungen Sänger? »Solche Wettbewerbe können für uns ein sehr großes Sprungbrett sein«, erklärt der Absolvent der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. »Die Jury ist meist besetzt mit hochkarätigen Sängern und Musikern, mit Agenten, Intendanten. Sie haben alle schon große Karriere gemacht und dadurch natürlich auch einen großen Wirkungskreis. Noch dazu sind die Finalrunden meist öffentlich, man kann sich vor Publikum präsentieren. Und gehört zu werden, das ist manchmal wichtiger als das Siegertreppchen.«

Konstantin Krimmel, Foto: Thomas Braun

Bei den vielen neuen und spannenden Auftritten und Projekten, die nun auf Konstantin zukommen, haben wir uns sehr gefreut, dass er Zeit und Lust hatte, auf der Sparkassenbühne der BUGA die Partie des Nardo zu übernehmen. Wie auch die anderen Figuren in »La finta giardiniera« stellt der vermeintliche Gärtner dem Objekt seiner Liebe hinterher – auch wenn es natürlich die Falsche ist. Könnte man ihn sogar ein bisschen als »Stalker« bezeichnen? Konstantin Krimmel lacht: »Das ist nicht ganz der richtige Begriff. Inmitten all dieser anderen Liebespaare ist Nardo einfach fasziniert vom Kammermädchen Serpetta. Und sie ist ja auch die Einzige, die wegen ihrer sozialen Stellung für ihn überhaupt in Frage kommt.« Ein ganz anderer Fall ist da seine »Kollegin« Sandrina … »Für sie würde er sehr weit gehen. Nardo ist ihr Diener. Aber weil sie sich nicht als Adelige zu erkennen geben darf, haben sie nach außen dieselbe Stellung, eigentlich. Und das gefällt ihm ganz  gut.«

Was wartet nun als Nächstes auf Konstantin Krimmel, wenn die acht Vorstellungen auf der BUGA vorbei sind? »Viel Lied und Konzert. Unter anderem in Köln und Stuttgart, aber auch Konzert- und Opern-Projekte auf Schloss Esterhazy im Burgenland und am Staatstheater Wiesbaden, in Oxford und London. Gibt also viel zu proben, und ich freue mich sehr darauf.«

Noch drei Mal gibt es »La finta giardiniera« auf der BUGA zu erleben. Alle Termine finden Sie HIER –>.

Konstantin Krimmel, Foto: Andreas Donders

Spiel mich – ein Klavierwettbewerb der besonderen Art

Solche Klaviere gab es noch nie. Jedes ist ein Unikat. Vom 25. Juli bis zum 10. September werden wieder außergewöhnliche Pianos an besonderen Orten in Heilbronn stehen.

Ein Klavier aus Beton?

Auch wenn man es ihnen auf den ersten Blick nicht ansieht, man kann wirklich darauf spielen. Denn das war die einzige Bedingung, die die Bürgerstiftung Heilbronn für die Aktion »Spiel mich« gestellt hat. Ansonsten waren der künstlerischen Freiheit keine Grenzen gesetzt. 30 Entwürfe gingen bei der Jury dieses Klavierwettbewerbs der besonderen Art ein. 13 davon wurden für die Realisierung ausgewählt und mit Geld für die Beschaffung der Materialien bedacht.

Helena Limberger und Sarah Ludes im Malersaal.

Unter den Auserwählten waren auch zwei Auszubildende zum Theatermaler aus dem Theater Heilbronn: Helena Limberger aus dem 2. Lehrjahr und Sarah Ludes aus dem 1. Lehrjahr. Ihre »Klavierbearbeitung« trägt den Titel  »Freiheit der Kunst«. Das Holzpiano sieht, nachdem es durch ihre Hände gegangen ist, aus, als hätte es einen Körper aus Beton. Irritierend, wenn man aus diesem Betonklotz trotzdem die wohlklingenden Klaviertöne vernimmt. Darauf haben Helena und Sarah in Regenbogenfarben – auch die Farbwahl ist schon eine Botschaft für Toleranz – Statements gemalt, die die Freiheit eines jeden einzelnen, die Liebe und Solidarität feiern. Bevor ihr Klavier am Götzenturm aufgestellt wird und von jedem, der mag, gespielt werden kann, haben die beiden Künstlerinnen schon ein großes Kompliment bekommen. »Ist das wirklich Beton?«, fragte ein Vertreter der Bürgerstiftung, als er die beiden im Malersaal aufsuchte, um sich nach dem Stand der Arbeit zu erkundigen. Volltreffer – da haben die angehenden Meisterinnen des schönen Scheins doch schon mal gezeigt, dass die Stroh zu Gold spinnen bzw. Holz in Beton verwandeln können.  

Das Modell auf dem noch grauen »Beton«-Klavier.

»Mozart ist einer meiner Lieblingskomponisten«

Clémence Boullu singt und spielt eine ehrgeizige Kammerzofe in »La finta giardiniera«

Clémence Boullu als Serpetta, Kindermädchen beim Podestà; Foto Thomas Braun

Wir wandern weiter durch unser internationales Ensemble von »La finta giardiniera«: Clémence Boullu stammt aus Frankreich und hat in Lyon, Lausanne, Luzern und Stuttgart Gesang und Oper studiert. So lebenslustig und quirlig sie im wirklichen Leben wirkt, ist es kein Wunder, dass sie auf der Bühne in Buffo-Rollen brilliert. »Ich hatte schon die Chance, Barbarina in »Le Nozze di Figaro« und Zerlina in »Don Giovanni« zu spielen«, erzählt Clémence. »Und ich habe riesigen Spaß mit den Soubretten-Figuren von Mozart. Sie haben so viele Farben!« Gilt das auch für Serpetta, das diebische Dienstmädchen in »La finta«? »Sie ist es leid, für Leute wie die Capricciosa Arminda zu arbeiten und träumt von einem höheren sozialen Status – am besten durch Heirat mit dem Podestà. Aber leider steht dem jetzt die neue Gärtnerin Sandrina im Weg. Und noch dazu ist der verliebte Nardo immer hinter ihr her. Sie versucht alles, um ihn los zu werden: Schimpfen, schreien, Eifersucht, ihm die Zunge herausstrecken, ihn lächerlich machen … Aber er kommt immer wieder!« Sie sprudelt nur so, wenn sie über ihre Partie erzählt.  

Konstantin Krimmel, Clémence Boullu

Mozart-Partien füllen Clémence Boullus Repertoireliste. Ist er ihr Lieblingskomponist? »Einer meiner Lieblingskomponisten«, gesteht sie. »Als ich zehn Jahre alt war, habe ich »Die Zauberflöte« mit Lucia Popp als Königin der Nacht gehört und gedacht: Das ist echter Zauber! Das will ich auch singen! Ich komme aus La Côte St. André, dem Geburtsort von Hector Berlioz. Und in unserem 5000-Seelen-Dorf gibt es jeden Sommer ein Festival mit den Besten der Musikwelt. Großes Orchester, große Gefühle, tolle Musik. Das hat meine Berufswahl wahrscheinlich auch ein bisschen beeinflusst.« Im August wird dort übrigens ihr »La finta«-Dirigent Case Scaglione zu Gast sein. Aber wie geht es nach dem Sommer weiter für Clémence? »Vorsingen, vorsingen, vorsingen«, lacht sie. Fest geplant sind aber schon einige Projekte mit dem SWR, dem Kammerchor Stuttgart und dem Orpheus Vokalensemble – »und Mozart ist natürlich auch dabei, aber diesmal mit geistlicher Musik, dem Requiem!«

Bis 5. Juli 2019 ist »La finta giardiniera« noch auf der Sparkassen-Bühne auf der BUGA zu erleben.

Clémence Boullu

»In der Maske brauche ich eine Stunde«

Die Mezzosopranistin Beatriz Simões singt und spielt als Cavalier Ramiro eine »Hosenrolle«

Beatriz Simões als Cavaliere Ramiro links, mit Ewandro Stenzowski, Foto: Thomas Braun

Ist die »Gärtnerin aus Liebe« in brasilianischer Hand? Wie ihre Kollegin Manuela Vieira und ihr Kollege Ewandro Stenzowski stammt auch die Mezzosopranistin Beatriz Simões (ganzer Name: Beatriz Pampolha Simões Baptista) aus dem südamerikanischen Land und ist sogar in  der Hauptstadt Rio de Janeiro geboren. Dort hat sie ihre ersten Erfahrungen als Opernsängerin gemacht, unter anderem in der Titeltrolle in Händels »Xerxes« oder als Knusperhexe in Humperdincks »Hänsel und Gretel«, bevor sie 2017 an die Opernschule nach Stuttgart kam. Wie unterscheidet sich der Opernbetrieb in Brasilien und in Deutschland? »Da gibt es riesige Unterschiede«, erklärt Beatriz. »Brasilien ist ein riesiges Land – ein Bundesland hat da schon die Größe von Deutschland – und es gibt nur 10 % so viele Opernhäuser wie hier. Und weil die Häuser so weit voneinander weg sind, ist Kommunikation und Austausch zwischen ihnen selten. Dazu wird man auch immer nur als Gast beschäftigt, es gibt kein festes Ensemble. Das Leben als Opernsängerin ist in Brasilien ohne Nebenjob nicht machbar.«

Beatriz Simões; Foto: Andreas Donders

Auf der Sparkassenbühne der BUGA steht Beatriz Simões vor einer Herausforderung, die ihre Kolleginnen und Kollegen von »La finta giardiniera« nicht teilen. Als Ramiro singt sie eine sogenannte »Hosenrolle«. Sie lacht: »Man muss das andere Geschlecht spielen und damit das Publikum überzeugen. Vorher hatte ich nicht viel über Körperhaltung bei Frauen und Männern nachgedacht, aber als ich angefangen habe, Männer zu singen und zu spielen, sind mir viele Fragen gekommen. Wie weit bestimmen biologische Unterschiede die Körperhaltung? Ist gesellschaftlich determiniert, was als männliches oder weibliches Verhalten akzeptabel ist?« Solche Fragen spielen natürlich auch für die Proben eine große Rolle. »Als ich endlich mein Originalkostüm hatte, ist mir alles viel leichter gefallen. In der Maske brauche ich ungefähr eine Stunde, und ich muss sagen, dass ich total überrascht bin, dass ich so männlich aussehen kann. Und falls Sie sich das fragen: Nein, der Bart juckt nicht, es ist alles geschminkt von unserem wunderbaren Maskenteam. Fantastisch, oder?«

Und was für eine Figur ist nun der Cavalier Ramiro in Mozarts Oper? Beatriz Simões geht ganz in der Rolle auf. »Ein Adliger, der von Arminda sitzengelassen wurde. Und jetzt versucht er die ganze Oper über, sie zurückzubekommen, mit Kalkül – er zeigt den Grafen wegen Mordes an –, Überredung oder am Ende mit Drohungen.« Sie seufzt: »Ich glaube, Ramiro denkt, dass er keine andere Frau finden kann, die ihn heiraten würde.« Ob er Erfolg hat? Sehen und hören Sie selbst!

Die nächste Aufführung ist am Sonntag, den 23. Juni um 20:00 Uhr auf der Sparkassenbühne der Buga. Alle Termine finden Sie auf unserer Webseite.

»Eine komische Oper funktioniert nur, wenn man ernst macht.«

Ewandro Stenzowski singt und spielt den »Podestà« in unserer Gartenoper

vlnr. Konstantin Krimmel, Ewandro Stenzowski, Clémence Boullu; Foto: Thomas Braun

»Ich bin in Brasilien geboren«, schreibt Ewandro Stenzowski auf seiner Internetseite, »und meine Familiengeschichte ist so etwas wie ein Ausdruck dessen, was mein Land ausmacht: eine komplexe Mischung aus Kulturen und Geschmäckern. Meine Wurzeln sind italienisch, afrikanisch, portugiesisch und polnisch. Das erklärt vielleicht, warum ich mich in praktisch jedem Land zu Hause fühle, in dem ich bisher gewesen bin.« Mit Musik und Gesang kam er schon früh in seiner Heimatstadt Curitiba in Berührung und blieb beidem auch über seine fünfjährige Dienstzeit bei der brasilianischen Marine treu. Seit seinem Masterabschluss an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Stuttgart hat Ewandro große Tenorrollen u.a. am Opernstudio der Staatsoper Stuttgart und am Landestheater Detmold gesungen, Cavaradossi in »Tosca«, Rodolfo in »La Bohème« und Erik im »fliegenden Holländer«.

Don Anchise, Podestà von Lagonero: Ewandro Stenzowski, mit Clémence Boullu;
Foto: Thomas Braun

In »La finta giardiniera« auf der Bundesgartenschau hat er als verliebter Podestà allerdings eine durch und durch komische, komödiantische Rolle. Ist das für ihn ein krasser Wechsel? »Vor ein paar Wochen stand ich noch als Cavaradossi auf der Bühne. Es ist toll, und ich liebe die Musik. Aber jetzt freue ich mich auf etwas Leichteres, wo niemand am Ende stirbt … Oops! Spoiler!« lacht der stets gut gelaunte Tenor. Und apropos komische Rollen: »Ich habe auch schon den Alfred in der »Fledermaus« gespielt – und war im »Schwarzwaldmädel« besetzt. Wenn man eine komische Oper singt und spielt, muss man verstehen, dass es nur funktioniert, wenn man ernst macht.«

Mit seiner Rolle in »La finta« hat er sich deshalb durchaus ernsthaft auseinandergesetzt. „Weißt du, was interessant an der Rolle ist? Der Podestà heißt eigentlich Don Anchise, aber wird im ganzen Stück kein einziges Mal so genannt, sondern immer nur mit seiner Funktion bezeichnet“, erklärt Ewandro. »Das Wort »Podestà« leitet sich vom italienischen »potere (Macht)« ab, und ist als Titel so etwas wie ein nicht demokratisch gewählter Oberbürgermeister. Ein Podestà hat das Recht, praktisch alle wichtigen politischen, rechtlichen und militärischen Strukturen in einer Stadt zu kontrollieren. Im Stück versucht Don Anchise, eine Hochzeit für die Nichte zu arrangieren, so dass er mehr Einfluss und Geld bekommen kann. Ein geld- und machtgieriger Provinzherrscher. Andererseits spricht er komplizierter als fast alle anderen, und ist sehr stolz darauf. (Er singt auch sehr laut, dass er ein »gelehrter Mann« ist.) Dabei ist er wieder sehr komisch.« Ist das dann die Herausforderung für das Spiel? Wieder lacht Ewandro: »Ja, genau, genau die Balance zu finden zwischen Autorität und Sympathie und Leichtigkeit in der Figur.«

Johanna Pommranz und Ewandro Stenzowski; Foto: Thomas Braun

Hier geht es zu allen Vorstellungsterminen!

»Wir brennen für die Musik!«

Manuela Vieira singt und spielt »Arminda« in »La finta giardiniera«

Arminda, edles Fräulein aus Mailand: Manuela Vieira (rechts) Foto: Thomas Braun

»Die Oper könnte nicht besser auf die BUGA passen«, freut sich Manuela Vieira. Die junge Sopranistin, die wie ihr Kollege Ewandro Stenzowski aus Brasilien stammt und ihren Master in Stuttgart gemacht hat, ist dem Heilbronner Publikum schon aus »Così fan tutte«, der ersten Kooperation zwischen dem Theater Heilbronn, dem WKO und der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart, bekannt. Damals sang sie die Fiordiligi, in unserer Oper auf der Bundesgartenschau nun die Partie der Arminda, beide starke, leidenschaftliche Frauen. »Mozart war 18 Jahre alt, als er »La finta« komponiert hat, und 16 Jahre später fand die Uraufführung von »Così« statt. Sein jeweiliger Reifegrad spiegelt sich in seiner Musik und in der Konzeption der Rollen«, erklärt Manuela. »Beide sind junge und reiche Frauen, beide singen sehr dramatische Bravourarien (»Vorrei punirti indegno« und »Come scoglio«), aber was sie verbindet ist viel geringer, als das, was sie unterscheidet: Arminda, die Nichte des Podestà, hat ein klares Ziel vor Augen, von Anfang bis Ende. Sie ist entschlossen, dreist und direkt, fast übertrieben wie eine lustige Karikatur. Dagegen hat Fiordiligi so viele Nuancen, Gedanken und Gefühle, dass es mir manchmal schwer gefallen ist, sie als Opernrolle und nicht als echte Person zu sehen.«

Manuela Vieira und Paul Sutton; Foto Thomas Braun

Ist Arminda also im Kontrast dazu eine komische Figur? Manuela Vieira lacht: »Sie weiß auf jeden Fall ganz genau, was sie will. Noch mehr Luxus, als sie bisher gewohnt ist. Sie ist es auch gewohnt, immer alles zu bekommen, aber plötzlich laufen ihre Pläne nicht so, wie sie es sich vorgestellt hat. Und sie will den Grafen haben und Gräfin werden, egal was sie dafür tun muss!«

Und wie ist es, eine Gartenoper im Garten zu spielen? »Case Scaglione und Axel Vornam haben zusammen ein großartiges Spektakel geschaffen. Und wir als junges Team auf der Bühne freuen uns über die wunderschönen Kostüme und brennen für die Musik! Wir haben schon durch die vielen Zuschauer während der Proben gemerkt, dass es eine tolle Gelegenheit für die Menschen ist, die (noch) keine großen Opernfans sind, diese Art von Theater kennen zu lernen. Und wir hoffen, dass das Publikum minimum so viel Spaß hat wie wir auf der Bühne!«

vlnr. Ewandro Stenzowski, Manuela Vieira, Paul Sutton; Foto Thomas Braun

Hier geht es zu den Vorstellungsterminen!

Ein glückliches Paar sieht anders aus …

Ein Probenbesuch bei der »Gärtnerin«
Mozarts »La finta giardiniera« probt (noch) auf der Probebühne

Die Pause ist vorbei. Geprobt wird der Anfang des zweiten Aktes. Laut Libretto befinden wir uns in einer Halle im Palast des Podestà, des Bürgermeisters von Lagonero (deutsch: Schwarzensee). Real befinden wir uns auf der Probebühne 2 im Probenzentrum in der Christophstraße. Noch sind die Stellwände aus Pappkarton. Die davor stehenden Gartenmöbel für die Gartenoper sind schon die Originale, die bei der Premiere von »La finta giardiniera« auf der BUGA zum Einsatz kommen werden.

Die Darsteller von »La finta giardiniera« hier noch im Probenzentrum. (Foto: Andreas Donders)

»Alles OK?« fragt Regisseur Axel Vornam seine (noch) unsichtbaren Sänger hinter der Kulisse. »Seid ihr so weit? Los geht’s.« Auftritt Manuela Vieira von rechts. Arminda war im ersten Akt eigentlich nach Lagonero gekommen, um sich mit dem Grafen Belfiore zu verloben. Dummerweise hat er kurz vor der Pause seine tot geglaubte Ex Violante wieder getroffen. Kein Wunder, dass die mondäne Arminda auf die Bühne rast, im kleinen Schwarzen, mit Sonnenbrille und topmodischer Handtasche, die sie in ihrer Erregung auf einen der Gartenstühle wirft.

So ist es zumindest gedacht. Diesmal fällt die Handtasche neben den Stuhl. »Stop«, unterbricht Axel Vornam lachend, »Manuela hat sich verworfen.« Die Szene beginnt von vorne. Wegen so einer Lappalie unterbrechen? Aber natürlich, denn jedes Detail einer Inszenierung hat seine Bedeutung. Dass die Handtasche da landet, wo sie landen soll, ist für den weiteren Verlauf des Geschehens nicht ganz unwichtig: In einer späteren Szene kommt sie genau auf diesem Stuhl als zentrales Requisit zum Einsatz, wenn das Dienstmädchen Serpetta (Clémence Boullu) ein diebisches Interesse am Inhalt hat.

Aber zurück zur Szene. Korrepetitorin Jinhee Park gibt am Klavier den Einsatz. Recitativo. Auftritt Paul Sutton von hinten. Der Graf Belfiore kommt auf die »Terrasse« und muss sich den Fragen und Vorwürfen Armindas stellen. Die steigern sich zur virtuosen Arie »Vorrei punirti indegno« (Ich wollte dich bestrafen, Unwürdiger), nicht umsonst »Aria agitata« bezeichnet. Aufgeputscht von Leidenschaft und Eifersucht reißt Arminda ihren abgewandten Bräutigam herum. Ein glückliches Paar sieht anders aus. Und hier sieht man, was sich in der Inszenierung Axel Vornams durch die ganze Oper ziehen wird: Es sind die Frauen, die die Hosen anhaben und den Männern zeigen, wo es lang geht. Im Falle von Beatriz Simoes in der »Hosenrolle« des Contino Ramiro ganz buchstäblich.

Noch etwas wird in der kleinen Szene klar: Mit »La finta giardiniera« bedient der damals erst 18jährige Wolfgang Amadeus Mozart zwar die gängigen Typen und Muster der komischen Oper seiner Zeit, aber – wie um 1775 üblich – gehören durchaus auch ernste Momente und tiefe Leidenschaften zum Repertoire. Deshalb nennt Mozart »La finta« auch »Dramma giocoso« – ein »lustiges Drama«.

Diese Probe ist schon fast eine der letzten im Probenzentrum. In der darauffolgenden Woche geht es auf die Bundesgartenschau. »Oh Dio, oh Numi« singt Manuela Vieira, alias Arminda, gerade im nächsten Rezitativ. Genau! Mögen die Wettergötter der Gärtnerin gewogen sein!

Die Premiere der Oper »La Finta Giardiniera« ist am Sonntag 9. Juni 2019, 20:00 Uhr auf der Sparkassenbühne auf dem BUGA-Gelände.