Oliver Firit macht Stop-Motion-Filme mit Star-Sprechern

FiritWenn jemand wie Darth Vader sich ändern kann, dann schafft es jeder. Das ist die Moral von der Geschicht‘ in Oliver Firits Version von Charles Dickens‘ Christmas Carol. Hier steht der dunkle Lord im Mittelpunkt und wird durch die Begegnungen mit den Geistern der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft von einem ignoranten, ja bösartigen Wesen zu einem liebevollen Vater, einem guten Lehrer und einem großen Vorbild. 57 Minuten dauert diese Stop-Motion-Produktion von »firi-film«. »A Sithmas Carol« ist sein bisher dritter Film, zwei davon abendfüllend, und Höhepunkt seiner Heuballen-Trilogie (weil in jeder Folge ein Heuballen auftaucht). Die ersten beiden Animationsstreifen heißen »Abenteuer auf Tatooine« (23 Minuten) und »The Omega Game« (72 Minuten). In diesen Action-Film-Persiflagen stolpern munter alle Haupthelden aus dem Star-Wars-Universum, aus »Herr der Ringe« und kämpferische Ninja Turtles durcheinander und werden zu Darstellern ganz neuer Geschichten, die Oliver Firit erfindet und mit vielen Effekten, Soundtracks und mit Profi-Sprechern umsetzt. Fast das ganze männliche Schauspielensemble und auch einige Schauspielerinnen des Heilbronner Theaters sind involviert und voller Begeisterung dabei – denn hier dürfen sie noch mal Kind sein. Und mit dabei ist auch ein echter Filmstar: Christian Friedel, der Darsteller des Elser aus »Elser – er hätte die Welt verändert«. Ein Freund von Oliver Firit seit Kindertagen. Beide sind zusammen in Magdeburg eingeschult worden, waren gemeinsam im Theaterjugendclub und haben dann beide Schauspiel studiert. Neben professionellen Sprechern haben die Animationsstreifen auch sonst alles, was zu großen Kino-Filmen gehört: Trailer, Plakate und ein lustiges Making Off.

Seit Anfang 2014 pflegt Oliver Firit sein, wie er zugibt, zeitraubendes Hobby. Alles begann damit, dass er für seinen ältesten, heute fünfjährigen Sohn Bastian eine Kiste mit alten Superheldenfiguren aus dem Keller holte und diese im Spiel zum Leben erweckte. »Und da erinnerte ich mich daran, dass ich eigentlich schon immer mal einen Puppentrickfilm machen wollte«, sagt er. Das Computerprogramm Movie-Maker machte es möglich: Mit einem Fotoapparat fotografierte er Veränderung für Veränderung – Arme und Beine, die sich heben und senken, Figuren, die in Flugobjekten durch den Raum fliegen. Bild für Bild wird bearbeitet, die Hände etwa, die Raketen durch den Raum fliegen lassen, werden rausretuschiert, stattdessen  blinkende Laserschwerter, sich bewegende Münder oder Lichteffekte hineinmontiert. Für Flugszenen am Himmel hat er ein ganzes Arsenal an schönen Wolken fotografiert, die je nach Bedarf zusammengefügt werden. Auch seine ganze Wohnung dient als Film-Kulisse. Das Bett mit einer dicken grauen Decke wird zu einer morbiden Gesteinslandschaft, bemalte Latexreste aus der Maske des Theaters werden zu Lavaströmen, die weißen Fliesen des häuslichen Bades zum hermetisch abgeriegelten Reich des Darth Vader auf dem Todesstern, sogar das Töpfchen von Benjamin, dem kleinsten Sprössling von Oliver Firit, dient in seiner spacigen Form als Kulisse. Ansonsten entstehen aus den Baukästen von Lego und Co, aus Pappe und Papier die wunderbarsten Hintergründe.

10 Bilder braucht er, um eine einzige Sekunde Film zu produzieren. Man kann sich vorstellen, wie lange er an einem Streifen sitzt. Angefangen von den gestellten Szenen, über die eingesprochenen Texte bis hin zum Schneiden und zur Postproduktion, wenn Sprache, Musik, Licht- und Toneffekte eins werden – alles wird mit Liebe und einem großen Augenzwinkern gemacht. Seine Frau Sabine ist nur manchmal ein bisschen sauer, wenn tatsächlich in der ganzen Wohnung Kulissen aufgebaut sind und sie kaum ein Bein vors andere setzen kann. Sie freut sich aber auch, wenn die Kinder Bastian, Lina und sicher irgendwann auch der Kleinste Benny, schon mitspielen und den Kinderfiguren ihre Stimmen leihen. Bastian und Lina haben sogar schon selbst angefangen, unter Anleitung vom Papa, kleine Animationsfilme mit ihren Spielsachen herzustellen. Hat er Lust, der Schauspielerei mal ganz den Rücken zu kehren und sich ausschließlich auf Animationsfilme zu konzentrieren? »Nein!«, sagt Oliver Firit. Erstens habe er als Schauspieler einen sehr spannenden Beruf – den er übrigens nicht nur als Sprecher, sondern auch manchmal als leibhaftiger gigantischer Actionheld, der im Film auf die Größe seiner Spielfiguren schrumpft, in seine Filme mit einbringt. Und zweitens würden ihm die Geduld und der Perfektionismus fehlen, welche die Macher von Filmen wie »Shaun das Schaf« und »Wallace und Gromit« an den Tag legen. Und er gesteht: »Das Sandmännchen«, auch eine animierte Figur, sehe er jetzt mit ganz anderen Augen. Voller Hochachtung für die Arbeit, die dahinter steckt.

Von Silke Zschäckel

Einmal Ruhestörer sein am 11. Juli!

Es liegt was Gelbes in der Luft …

… und damit meinen wir nicht den hartnäckigen Pollenstaub! In Vorbereitung auf ein großes Ereignis, sehen wir am Theater Heilbronn schon jetzt ziemlich viel gelb. Heute in genau 4 Wochen beginnt um Punkt 13.00 Uhr mit einem lauten Knall unser Tag der offenen Tür.
Getreu dem Motto der nächste Spielzeit „Querdenker und Störenfriede“ steht dieser Tag ganz im Zeichen von Stören und Stören lassen. Lassen Sie sich bei einer Gruselführung durch die Katakomben des Theaters nicht von schauerlichen Gestalten stören oder „stören“ Sie selbst beim „Rundgang für Selbststörer“ mit ihren Fragen die Mitarbeiter aus Maske, Schneiderei, Requisite, Malersaal und Tischlerei. Störfreien ist die Probebühne im Theater Heilbronn. Hier erlernen Sie mit Darstellern unseres Ensembles Grundlagen des Synchronsprechens und Schauspielens. Auch das Junge Theater rund um die Spielstätte BOXX hat an diesem Tag einige Störungen zu vermelden. Neben Kinderschminken, einer Theaterrallye und Graffiti-Kunst erlernen die kleinen „Ruhestörer“ das Kugellaufen und entwickeln mit Schauspielern des Ensembles eine tierische Laut-Performance. Genießen Sie ganz ungestört im Stör-Café musikalische Highlights dieser Spielzeit bei Kaffee und Kuchen, bevor die Bühnenshow im Großen Haus Einblicke in technische Tricks und Raffinessen der Theatermaschinerie bietet. Traditionell findet um 17.00 Uhr die Kostüm- und Requisitenversteigerung mit Auktionator und Intendant Axel Vornam und seinem störmisch-charmanten Assistenten statt. Aufmerksam machen wollen wir Sie auf unser buntes Programm mit der Farbe, die laut Farbenlehre die stimulierendste und kommunikativste Couleur ist, die es gibt: gelb. Dazu ein sattes schwarz kombiniert und fertig ist der Hingucker! Seitdem wir uns für dieses Outfit für unseren Tag der offenen Tür entschieden haben, sehen viele Mitarbeiter nur noch gelb. Gelbe Blumen, gelbe Autos, gelbes zerknülltes Papier … Die Fotos zeigen den ganzen gelben Wahnsinn. Vielleicht sind sie jetzt auch schon auf den gelben Geschmack gekommen? Wenn nicht, garantieren wir Ihnen, dass Sie spätesten am 11. Juli auch gelb sehen werden, wenn es Punkt 13.00 Uhr am Theater Heilbronn heißt: „Bitte stören Sie!“

Wie ein Spielplan entsteht …

v.l. Alejandro Quintana, Andreas Frane, Axel Vornam, Stefanie Symmank, Stefan Schletter

»Nach dem Spielplan ist vor dem Spielplan«: Wenn Mitte April auf der alljährlichen Pressekonferenz Intendant Axel Vornam, Hausregisseur Alejandro Quintana und die Dramaturgen die 25 Premieren der kommenden Spielzeit der Öffentlichkeit vorstellen, dann haben die Vorüberlegungen für die übernächste Saison bereits begonnen. Schon sind Kontakte zu anderen Theatern geknüpft, um Musiktheater- und Tanzgastspiele für die Zukunft anzudenken. Und das permanente Lesen aktueller Stücke, über die die Theaterverlage in regelmäßigen Abständen per E-Mail oder über ihre Broschüren informieren, hört sowieso nie auf.
Das Spielplan-Machen ist ein ständiger, durchaus langwieriger Prozess, für die Dramaturginnen und Dramaturgen der deutschen Theaterlandschaft ist es die Kür zur Pflicht des Tagesgeschäfts. Denn das ist ihr großes Spielfeld: Das Lesen und Auswählen, das Suchen und Finden, das Diskutieren und Abwägen. Andreas Frane und Stefanie Symmank schlagen die Stücke für Großes Haus und Komödienhaus, Stefan Schletter für die BOXX vor, die Entscheidungshoheit hat dabei Intendant Axel Vornam, der die thematische Diskussion anstößt und sich mit eigenen Vorschlägen, manchmal durchaus streitbar, in die Stück- und Stoffsuche einbringt.
Wie zu jedem Spiel, gehören allerdings auch zu diesem Regeln: Die Anzahl und Verteilung der Stücke auf die Spielstätten ist gesetzt, dazu kommen Gastspiele aus Oper, Operette, Ballett, Tanztheater und Boulevard, gerne auch mal auf Schwäbisch. Und dabei macht’s die intelligente Balance: Ein gutes Verhältnis aus Klassischem und Neuem, Unterhaltung und Anspruch, für alle Altersgruppen. Sternchenthemen und Schullektüren wollen dabei ebenso beachtet sein wie entscheidende Fragen wie »Was wird dieses Jahr das Weihnachtsmärchen?« oder »Was spielen wir an den Feiertagen und an Silvester?«. Dazu kommt noch: »Haben bzw. finden wir dafür die richtigen Regisseure?« und »Können wir alles mit unserem Ensemble besetzen?« Und natürlich sollten die Stücke möglichst in den letzten zehn Jahren nicht bereits gelaufen sein, denn nicht nur wir, sondern auch unsere Abonnenten lieben die Abwechslung.
Das klingt kompliziert, fast unlösbar und irgendwie »strategisch«? Keine Sorge, das sind nur die Rahmenbedingungen, denn innerhalb dieses Rahmens wird es spannend: Auf den sogenannten Spielplankonferenzen, zu denen sich Dramaturgie und Intendant im stillen Kämmerlein regelmäßig treffen, sind der Fantasie, dem Findungsreichtum und der Diskussionslust erst einmal keine Grenzen gesetzt. Welches Profil wollen wir dem Haus und den einzelnen Spielstätten geben? Welche Themen bewegen uns und unser Publikum gerade? Wie positioniert sich das Theater zu den gesellschaftspolitischen Fragen und Problemen unserer Zeit? Manchmal gerinnt aus diesen Diskussionen in Verbindung mit Stoffen und Texten bereits ein übergreifendes Thema, manchmal verständigt man sich erst über ein mögliches »Motto« der Spielzeit und macht sich dann auf die Suche nach Stücken dazu.
Doch wie hält sich die Aktualität und Relevanz eines Spielplans? Theater ist im Vergleich zu den modernen Massenmedien ein eher langsames Medium, das heißt, der Weg von der Spielplanplanung bis zur Premiere dauert mindestens ein halbes Jahr. Und was beim Planen auf den Nägeln brennt, könnte sich später als Strohfeuer erwiesen haben. Unsere Stärke allerdings liegt in der Kontinuität, der Vertiefung, der Zuspitzung und der »Nachhaltigkeit«, mit der wir uns mit Fragen und Themen beschäftigen. Und in der Konzentration, die das dem Publikum abverlangt. Wo sonst kommen noch so viele Menschen an einem Ort zusammen, um sich für zwei Stunden oder länger mit einer Inszenierung auseinander zu setzen? Ist der Spielplan komplett, wird es für uns ernst: Werden wir mit unseren Themen, Titeln und Inszenierungen das Publikum treffen – ins Hirn, ins Herz, manchmal auch ins Zwerchfell? Das entscheiden am Ende Sie!

Bert, der Bär, macht im Theater auf Kinderschutzbund Heilbronn aufmerksam

Mit der Aktion „Bert, 365 tage unterwegs“ machen der Kinderschutzbund Heilbronn und die TSG Heilbronn auf das Projekt „anna&marie“ aufmerksam. Bert ist ein Stoffbär, der 365 Tage in Heilbronner Institutionen, bei Privatpersonen und im Umland unterwegs ist. Am 16. April war er im Theater zu Gast. Ein kleines Fotoalbum zeigt, was er hier erlebt hat.

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Der Österreicher mit der russischen Seele

Foto: Thomas Braun
Foto: Thomas Braun

Eigentlich war er schon auf dem besten Wege in ein Kloster, aber zölibatär zu leben, das konnte sich Johannes Bahr als 22-Jähriger beim besten Willen nicht vorstellen. So brach er sein Theologiestudium in Wien ab, ging zurück in seine Heimatstadt Graz, studierte kurz Philosophie und Psychologie, um sich dann endlich für die Schauspielerei zu entscheiden. Gelockt hatte ihn das Theater schon lange. Gegen das Verbot seiner sehr frommen und strengen Mutter, die ihn bei Wind und Wetter morgens um 6 Uhr als Ministrant zur Frühmesse schickte, ging Johannes Bahr heimlich zur sozialistischen Jugend, den »Roten Falken«, wo auch Theater gespielt wurde. Später als Novize im Augsburger Dominikanerkloster blickte er aus seinem Fenster direkt auf den Parkplatz des Theaters. Er sah die Schauspieler zu den Proben gehen und erlebte auf der Bühne einen Mann, der ihn bis heute fasziniert, den Pantomimen Marcel Marceau. Der Franzose und Charlie Chaplin sind seine Vorbilder.
40 Jahre steht Johannes Bahr jetzt auf der Bühne, 33 davon in Heilbronn. Derzeit probt er seine letzte Rolle im Festengagement. Mit Ingrid Richter-Wendel als Großmutter an seiner Seite spielt er den Großvater in dem Ensemble-Stück »Das Fest« von Thomas Vinterberg und Mogens Rukov. »Meine Gesundheit war nie die stabilste. Jetzt weist sie mich in die Schranken«, sagt der Schauspieler. Deshalb geht er ab Mai in den (Un)Ruhestand. Im »Fest« geht es um ein dunkles Familiengeheimnis. Auch die Kindheit von Johannes Bahr wurde von einer Geschichte geprägt, die die Familie damals lieber für sich behielt. Seine Mutter stammt aus der Ukraine, die damals zur Sowjetunion gehörte. Während des Zweiten Weltkrieges hat die studierte Germanistin als Übersetzerin für deutsche Sprache gearbeitet und sich in den Feind verliebt, einen österreichischen Soldaten – Johannes‘ Vater. Das war Kollaboration und seine Mutter musste mit ihrem Geliebten nach Graz fliehen, fühlte sich aber dort sehr fremd. »Sie war schwermütig, und ich habe früh angefangen, mich in die Welt der Fantasie und der Bücher zurückzuziehen«, sagt Johannes Bahr. Ein Erbteil seiner Mutter ist das, was man die russische Seele nennt – tiefgründig und äußerst emotional. »Wenn ich auf der Bühne einen Menschen spiele, dem es schlecht geht, kann ich mich so intensiv in die Figur hineinfühlen, dass ich mit ihr weinen muss«, gesteht der Schauspieler. In seiner ersten Rolle als Romeo in Innsbruck habe er so intensiv gelitten, dass besonders die Frauen im Publikum in Tränen aufgelöst waren. »Ich war nie der strahlende Held, sondern habe eher ein Faible für gebrochene Figuren, die allen Grund haben, am Leben zu verzweifeln und trotzdem immer wieder ihr Glück suchen.« So einen Typen zu spielen wie derzeit Mr. Mushnik im Musical »Der kleine Horrorladen« macht ihm großen Spaß. Aber auch skurrile Charaktere liegen ihm – sehr gern erinnert er sich an seine Rollen als »Gespenst von Canterville« und als Kaiser im »Weißen Rößl«, als überbesorgter Königs-Vater in »König Drosselbart« und jetzt als Sandmann in »Peterchens Mondfahrt«.
Seit Bestehen des Theaters am Berliner Platz gehört Johannes Bahr zum Heilbronner Ensemble. Dabei war der Start für ihn nicht leicht. Seine erste Rolle sollte der Mephisto im »Faust« sein. Aber er legte sich ständig mit dem regieführenden Intendanten Klaus Wagner an und wollte alles besser wissen. Irgendwann wurde es dem Intendanten zu bunt und er schickte den jungen Hitzkopf nach Hause. Was für eine Niederlage. Aber Johannes Bahr hat daraus gelernt: »Theater ist Teamarbeit und der Schauspielerberuf verlangt ein Höchstmaß an Disziplin«. Klaus Wagner glaubte trotzdem an ihn und gab ihm viele schöne Chancen. Sein größtes Glück, das er hier gefunden hat, ist jedoch seine Familie. »Eines Tages stand auf dem Bahnhof in Stuttgart ein schönes Mädchen mit Hut und schaute mich freundlich an«, erinnert er sich. Johannes Bahr setzte sich im Zug neben sie und sprach sie an: »Ich glaube, wir müssen uns kennenlernen.« Dieses schöne Mädchen ist heute noch seine Frau, mit der er zwei – inzwischen erwachsene – Kinder hat und auf dem Familienweingut in Eberstadt lebt. »Da fühle ich mich richtig wohl«, erzählt er und freut sich darauf, künftig mehr Zeit für den Garten und seine kleine Schreinerei zu haben. Außerdem hängt Johannes Bahr auch die Schauspielerei nicht ganz an den Nagel. Er synchronisiert Filme und veranstaltet Lesungen – am liebsten mit österreichischer Literatur. Und falls im Theater wieder mal ein Großvater gebraucht wird, sagt er nicht nein.

Kollektives Knüllen für die Kunst

DSC_0089Da werden Erwachsene wieder zu Kindern: Zu einer spontanen Zeitungsknüllaktion fanden sich Mitarbeiter aus allen Abteilungen des Theaters zusammen. Aus großen Stapeln alter Zeitungen mussten Bälle geformt werden, die alle für das Bühnenbild von „Nur ein Tag“ gebraucht werden. Dieses besteht nämlich komplett aus Zeitungspapier: Wolken, ein Baum, und Inseln in einem See sind mit Zeitungen tapeziert. Der Clou sind aber die kollektiv geknüllten Zeitungsbälle. Sie werden in der Inszenierung zu Wasser in einem See, in das sich die drei Schauspieler des Kinderstückes: Anastasija Bräuniger als Eintagsfliege, Manuel Sieg als Wildschein und Henry Arturo Jimenez Morales Hals über Kopf stürzen oder darin untertauchen können und sich dabei so wohlfühlen wie Kinder im Bällchenbad …

Silke Zschäckel

Wo ein Fest stattfindet …

DAS FEST_Service (28) facebook… muss es auch Menschen geben, die die festliche Gesellschaft bedienen und bewirten. In unserem nächsten Stück im Großen Haus namens „Das Fest“ (Premiere am 7. März) feiert Familienpatriarch Helge Klingenfeld-Hansen seinen 60. Geburtstag. Eine große Party ist geplant, Familie und Freunde sind eingeladen und das hoteleigene Personal auf Höflichkeit und reibungslosen Ablauf getrimmt. Zum Essen gibt es reichlich und der Alkohol fließt in Strömen, da hat die Dienerschaft gut zu tun. Nun reden wir hier aber über ein Theaterstück, das ausschließlich von Schauspielern bestritten wird. Von diesen kann man zwar unter anderem erwarten, dass sie sich seitenweise Text merken, aber dass sie Tische eindecken und servieren können wie die Profis gehört nicht unbedingt zu einer klassischen Schauspielausbildung. Für die Inszenierung von „Das Fest“ ist es aber überaus wichtig, dass die drei Schauspieler Katharina Voß, Bettina Burchard und Gabriel Kemmether, die das Personal des Hotels verkörpern, ihre besten Servicequalitäten unter Beweis stellen. Um die vorhandenen Grundlagen (Messer rechts, Gabel links) weiter auszubauen, haben wir uns Hilfe von einem wirklichen Profi geholt. Sarah Kuchenbecker ist Chef de Rang im „Ratskeller“ in Heilbronn und hat den drei Serviceeleven einen Schnellkurs in Sachen Eindecken und Bedienen gegeben. Wo liegt der Löffel? Wo stehen Weißwein-, Rotwein- und Wasserglas? Von welcher Seite wird das Essen serviert, von welcher wieder abgeräumt? Wie trägt man mehrere Teller gleichzeitig und sind 10 Gläser in einer Hand wirklich zu transportieren? Wie organisiert man Besteck, Essenreste und Teller, ohne sich einen Wolf zu laufen und wer bedient eigentlich wen und nach welchen Merkmalen? Alter? Geschlecht? Oder bekommt der zuerst sein Essen, der den größten Hunger hat?

Es war ein wirklich spannender und erhellender Besuch im „Ratskeller“. Jeder Schauspieler war sich sicher, dass er das nächste Mal, wenn er in einem Restaurant bedient wird, genauer auf manche Dinge achten wird.

Angehende Foto- und Medientechniker haben einen besonderen Blick auf „Tschick“

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Da soll sich noch mal einer über die „Jugend von heute“ beklagen. 11 angehende Foto- und Medientechniker, die derzeit ihre Ausbildung an der Schule für Gestaltung beim Kolping Bildungszentrum Heilbronn absolvieren, kamen mit ihrem Schulleiter Jürgen Häffner freiwillig(!!!) mitten in den Ferien(!!!) ins Theater, um einmal die Theaterfotografie auszuprobieren. Die Foto-Probe von „Tschick“ in der BOXX stand auf dem Programm. Zunächst gab es ein paar Tipps von unserem Theaterfotografen Thomas Braun. Denn Theaterfotografie hat ihre Tücken: Man darf nicht blitzen oder irgendwelche anderen Lichtquellen verwenden als die auf der Bühne. Man kann sich die Akteure nicht arrangieren, sondern muss die besten Momente abpassen, um gute Fotos zu bekommen. Das wiederum bedeutet im Fall von „Tschick“ rund 100 Minuten volle Konzentration ohne Pause. „Drückt nicht einfach sinnlos auf den Auslöser, sondern versucht der Geschichte zu folgen und zu schauen, welche Beziehungen sich zwischen den Schauspielern entwickeln“, gab Thomas Braun den jungen Fotografen mit auf den Weg. „Und Respekt vor den Darstellern!“, sagt er noch. „Im Idealfall dürfen die gar nicht merken, dass Fotografen im Raum sind.“

Nun das ist bei so vielen Fotografen in der kleinen BOXX kaum zu vermeiden, dass die Schauspieler, die ja sehr dicht dran sind an den Zuschauern, die Fotografen bemerken. Trotz der vielen Fotoapparate war es in dieser Probe dennoch eine relativ entspannte Atmosphäre. Also Kompliment an die jungen Fotografen, die wirklich sehr ruhig und überlegt an ihre Aufgabe herangegangen sind: Die schönsten und spannendsten Momente aus „Tschick“ festzuhalten. Gut eine Woche nach der Fotoprobe haben wir die jungen Frauen und Männer in der Schule für Gestaltung besucht und die entstandenen Fotos mit ihnen gemeinsam analysiert. Verblüffend, wie viele schöne Motive entstanden sind. Einigen sind wundervolle Charakterstudien der Schauspieler Katharina Leonore Goebel, Hannes Schumacher und Manuel Sieg gelungen. Andere haben genau die Entwicklung der Handlung beobachtet und sehr treffende Situationen aus dem Stück eingefangen. Wiederum andere haben die Theaterfotos genutzt, um ganz eigene fotografische Kunstwerke daraus zu machen. Alles hat seine Berechtigung, denn der der Blickwinkel des jeweiligen Fotografen macht das Besondere aus. Von den vielen schönen Fotos haben wir einige ausgewählt, die ihr hier sehen könnt. Wir danken Joy Lauter, Annika Kraus, Diala Durmaz, Laura Schramm, Patricia Köberl, Felix Ulmer, Vanessa Max, Carolin Bauer, Yasmin Weber, Laurine Widmer und Marcell Steinwart für ihre schönen Fotos und wünschen viel Erfolg bei der weiteren Ausbildung.

Silke Zschäckel

 

Nach der Premiere ist vor der Premiere

So viele Kollegen aus dem Theater kommen für die Konzeptionsprobe für „Das Fest“ auf der Probebühne zusammen
So viele Kollegen aus dem Theater kommen für die Konzeptionsprobe für „Das Fest“ auf der Probebühne zusammen

Gerade ist der Januar-Premierenzyklus mit „Tschick“ in der BOXX und „Don Karlos“ im Großen Haus über die Bühne gegangen, da beginnen auch schon die Proben für die neuen Stücke: „Nur ein Tag“ in der BOXX (Premiere am 26. Februar); „Das Fest“ im Großen Haus (Premiere am 7. März) und „Die Nervensäge“ im Komödienhaus (Premiere am 12. März). Dieser Tage finden die Konzeptionsproben für alle drei Stücke statt, in denen das Regieteam den Schauspielern und den Mitarbeitern der verschiedensten Abteilungen des Hauses das Konzept für Inszenierung, Bühnen- und Kostümbild vorstellt und das Stück gemeinsam zum ersten Mal gelesen wird. Danach geht es gleich weiter mit den ersten szenischen Proben. Ja, das Räderwerk am Theater steht eben nur in der Sommerpause kurz still …

 Ein Blick auf die Probenkostüme für „Das Fest“
Ein Blick auf die Probenkostüme für „Das Fest“

von Silke Zschäckel

Sie haben den Dreh raus!

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Aberglaube und Theater gehören zusammen wie Pech und Schwefel. Gerade an Premierenabenden, an denen die Spannung ohnehin die einer Starkstromleitung um vieles übersteigt, darf man nichts falsch machen. So darf jedem Schauspieler erst dann „Toi, Toi, Toi“ gewünscht werden, wenn er bereits im Kostüm ist. Außerdem darf nur über die linke Schulter gespuckt werden (angeblich sitzt da der Teufel, den man von der Schulter … na Sie wissen schon) und der Schauspieler bzw. der Beglückwünschte darf sich auf keinen Fall für die guten Wünsche bedanken.

Ein schöner Brauch ist auch der des Premierengeschenks. Viele Produktionsbeteiligte machen sich Gedanken und überlegen sich was kleines Feines, was mit dem Stück in einem Zusammenhang steht. Zur Premiere von „Don Karlos“ am vergangenen Wochenende gab es von Bühnenmeister Pit Müller ein Drehbuch als Geschenk. Ein Drehbuch? Ja genau! Für alle, die „Don Karlos“ noch nicht gesehen haben: Sie dreht sich doch! Und zwar nicht nur die Drehscheibe, sondern auch 2 T-förmige Körper und das jeweils um die eigene Achse. Viele, die „Don Karlos“ am Premierenabend bereits gesehen haben, haben sich gewundert, wie sich diese beiden Körper wie von Zauberhand bewegen können. Um bei der Wahrheit zu bleiben: Es sind vier Zauberhände, die sich mit weiteren vier Zauberhänden bei den Vorstellungen abwechseln. Was Sie als Zuschauer nämlich nicht sehen, sind unsere zwei Techniker, die sich während des ganzen Abends hinter den Körpern verstecken, um diese im richtigen Moment in die richtige Position zu drehen. Vielleicht fühlt sich der ein oder andere Techniker nach knapp drei Stunden Durchdrehens selbst wie durchgedreht, denn die 6,80 m hohen Körper sind mit ihren jeweils 1,4 Tonnen nicht gerade ein Leichtgewicht und müssen fast 30 Mal über den Abend verteilt bewegt werden. Eine von vielen technischen Hochleistungen besteht darin, dem Wunsch des Bühnenbildners Tom Musch nachzukommen, dass sich „die Körper so leicht wie Drehtüren drehen lassen sollten“, dieser Abend besticht aber unbenommen auch durch eine, wenn auch unsichtbare, menschliche Hochleistung hinter den T-Körpern.

Damit sich aber alles so reibungslos dreht und bewegt, hat Pit Müller die „Lizenz zum Durchdrehen“ angefertigt, die den Bühnentechnikern genau zeigt, was wann wo und in welchem Winkel passieren soll. Da könnte man beim Draufschauen fast selbst durchdrehen vor lauter Zahlen, Pfeilen, Punkten. Aber unserer Technikmannschaft hat den Dreh raus, nicht nur was das Lesen des Drehbuchs, sondern auch das Drehen der Körper an sich angeht. Da kann jeder Drehwurm einpacken!

Ab dem 29. Januar können sie wieder erleben, wie im „Don Karlos“ Schauspieler, Techniker und Bühne ab-, um-, weg-, auf- und durchdrehen.

Von Stefanie Symmank