Angeregte Plaudereien aus dem Nähkästchen

Theaterkreis des Seniorenbüros blickt einmal im Monat hinter die Kulissen des Theaters

von Silke Zschäckel

Foto © Verena Bauer

Stefan Eichberg ist ein Zugpferd. Nicht nur auf der Bühne, sondern auch, wenn es darum geht, Theaterfreunde reiferen Alters am Nachmittag ins Obere Foyer zu locken, um wieder eine neue Facette des Heilbronner Theaters näher kennenzulernen. Einmal im Monat lädt das Seniorenbüro zu einem Theaterkreis ein. Und Steffi Gal, die Leiterin des Seniorenbüros, freut sich, dass es von Veranstaltung zu Veranstaltung mehr Interessierte sind, die sich eine launige Stunde im Theater gönnen und auf unterschiedlichste Weise hinter die Kulissen blicken.

Diesmal war es also Stefan Eichberg, der sich Löcher in den Bauch fragen ließ. Zum Einstieg interviewte ihn Sophie Püschel, Schauspielleiterin und Dramaturgin, zu seiner Herkunft und Ausbildung. So erfuhren die Damen und Herren, dass der beliebte Mime nicht, wie viele andere, schon sein ganzes Leben zum Theater wollte, sondern durch Zufall auf diese Option stieß. Die Leipziger Schauspielschule »Hans Otto« hatte damals aufgerufen, sich zu bewerben. Obwohl Stefan Eichberg vorher nur ungefähr viermal im Theater war, fand er das interessant. Als er erzählte, dass er am liebsten nach dem ersten Ausbildungsjahr wieder gegangen wäre, reagierten die Zuschauer erleichtert, dass er durchgehalten hat, sonst wäre er ja nicht da, wo er jetzt ist. Im Nachhinein ist er sehr dankbar für seine gute Ausbildung in Schauspiel, Sprache und Bewegung, von der er jetzt noch jeden Tag profitiert, erzählt er. Spannend war auch sein historischer Exkurs in die Wendezeit, die er noch als Student in Leipzig erlebte. Er gehörte mit zu den Demonstranten, die am 9. Oktober 1989 – als noch alles auf der Kippe stand – in Leipzig demonstrierten. In diesem Sommer hat er sich in seiner alten Studienstadt eine Ausstellung zu diesem Thema angeschaut und erst jetzt deutlich gespürt, was er damals als junger Mann sehr gut verdrängen konnte: Die Angst, dass der Mut der demonstrierenden DDR-Bürger in eine Unterdrückung des Aufstandes mit Waffengewalt münden könnte. Er liest gerade jetzt sehr viele Bücher über jene Zeit und das schwierige Zusammenwachsen Deutschlands, erzählt er. Sein erstes Engagement führte ihn 1990 an sein Wunschtheater, das »Hans-Otto-Theater« in Potsdam. Gebannt hörten die Damen und Herren des Theaterkreises zu und fragten, wie es war, nach der Wende Theater zu spielen. »Die Säle waren leer, die Leute hatten andere Sorgen«, erinnert sich Stefan Eichberg. Aber er hatte tolle Kollegen und durfte langsam in immer größere Rollen hineinwachsen. Spannend war für ihn, die unterschiedlichen Arbeitsweisen aus Ost und West kennenzulernen, als die ersten Regisseure aus den alten Bundesländern mit ihren Teams in Potsdam arbeiteten.

Besonders wichtig war seine Potsdamer Zeit für ihn privat, erzählt er liebevoll, weil er hier seine Frau Sabine Unger kennenlernte. Zehn Jahre blieb er in Potsdam, wechselte dann für zehn Jahre ans Schleswig-Holsteinische Landestheater – gemeinsam mit seiner Frau, die zwischendurch in Thüringen engagiert war. In Schleswig-Holstein arbeitet er viel mit dem damaligen Chefregisseur Axel Vornam, der als Intendant das Paar Unger/Eichberg schließlich nach Heilbronn holte. Hier sind die beiden jetzt im 13. Jahr, die längste Zeit, die sie je an einem Theater verbracht haben. Stefan Eichberg genießt es, an einem Haus zu arbeiten, das viel Wertschätzung beim Publikum erfährt. Hier spielte er eine große Rolle nach der anderen. Nach seiner Lieblingsrolle gefragt, nennt er den Walter Faber in »Homo faber«, auch weil er da mit seiner Frau Sabine so intensive Szenen spielen durfte. Nicht immer ist es leicht als Paar am Theater und man muss sich manchmal zwingen, nicht pausenlos darüber zu reden, berichtet er. Die Zuschauer überschütten ihn an diesem Nachmittag mit Sympathie und Wertschätzung, loben sein Spiel, egal, ob er nun in Komödien oder Tragödien zu erleben ist, und finden es auch toll, dass er so gut singen kann.

Was für ihn gutes Theater ausmache, wollen sie wissen. Die gesellschaftliche Relevanz, die man sowohl in alten als auch in neuen Stücken finde. Und er weiß, dass dieser Aspekt bei der Entwicklung des Spielplans immer eine große Rolle spiele. Die Fragen nehmen kein Ende. Wie sein Gehirn funktioniere, um sich die Mengen an Text von so unterschiedlichen Stücken zu merken? Ob er mit seiner Frau zusammen die Texte lerne? Welche Autoren in der DDR gespielt wurden? Ob er sich inzwischen in Heilbronn heimisch fühlt? Was er gern in der Freizeit unternehme? Und schließlich: »Essen Sie gern Spätzle?« – Nein, antwortet Stefan Eichberg. Er mag gern Soljanka, aber am allerliebsten »Tote Oma«, das ist warme Blutwurst (die kann man jeden Donnerstag auf dem Markt kaufen) mit Kartoffeln und Sauerkraut. »Siehst du, da haben wir heute wieder viel gelernt«, sagt eine der Besucherinnen am Ende zu ihrer Nachbarin. Sophie Püschel, die diese Nachmittage am Theater Heilbronn organisiert, präsentiert hier die gesamte Vielfalt dessen, was das Theater Heilbronn ausmacht. So gab es schon Veranstaltungen mit Regisseuren, mit Kollegen aus dem Malersaal, der Requisite, der Maske und der Schneiderei, mit anderen Kollegen aus dem Schauspielensemble, mit dem Künstlerischen Betriebsbüro, mit dem Intendanten, ja sogar mit einem Theaterfotografen. Und jede dieser Veranstaltungen eröffnet eine neue Perspektive auf die Wunderwelt Theater.

Kleider machen Leute – das rote Kleid der „Madame Bovary“

Juliane Götz als Madame Bovary, Foto: Thomas Braun
Juliane Götz als Madame Bovary, Foto: Thomas Braun

„Das sieht toll aus, darin siehst du aus wie eine kleine Pariserin“, sagt Rodolphe (Sebastian Weiss), als er seine spätere Geliebte, Emma Bovary (Juliane Götz) in ihrem roten Kleid sieht. Schon beim ersten Theaterfrühstück dieser Spielzeit ging ein Raunen durchs Publikum, als die Schneiderpuppe enthüllt wurde. Noch vor der Premiere von „Madame Bovary“ im Großen Haus hatte Bühnen- und Kostümbildner Tom Musch erlaubt, das rote Kleid der Madame Bovary mit seinem pechschwarzen „Unterteil“ den Zuschauern auf der Matinee zu zeigen.
Und da dieses Kostüm nicht nur unser Publikum zum Staunen bringt, sondern auch wir davon total begeistert sind, haben wir nochmal näher hingeschaut und bei der Leiterin unserer Schneiderei, Roswitha Egger, nachgehakt. „Die vielen schwarzen Tüll-Rüschen machen dieses Kleid und somit auch die Frau, die es trägt, zu etwas ganz Besonderem. Man könnte es als ‚Prinzessinnenkleid‘ bezeichnen, und das hat auch seinen Preis! An die 80 Stunden haben wir für daran gearbeitet, “ erklärt sie. Die Kostümabteilung des Theaters Heilbronn hat Gewaltiges geleistet.

Wie es so schön heißt: Kleider machen Leute. Also was will uns dieses ‚Prinzessinnenkleid‘, das seine wahre Raffinesse enthüllt, wenn Schauspielerin Juliane Götz darin über die Bühne schwingt, über Madame Bovary erzählen? Roswitha Egger versucht es so zu erklären: „Emma Bovary probt verschiedene Rollen, um ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Der kräftige schwarze Tüll versucht, ihre Träume eines luxuriösen Lebens zu vermitteln, und das dunkle, warme Rot die Leidenschaft, auf die sie bis zum Schluss hofft.“

Auf jeden Fall lässt das rote Kleid – wie auch andere Kostüme in der Inszenierung – viele Frauenherzen höher schlagen. Vielleicht auch Ihres: Nächste Vorstellungen am 17., 24. und 29. Oktober.

Ein klassischer Beruf und trotzdem immer wieder erklärungsbedürftig – Dramaturg

Die Kommunikationswerkstatt sinnundverstand hat zur Blogparade aufgerufen unter dem Thema „Und was machen Sie so beruflich?“. Dabei soll es um Jobbezeichnungen gehen, die selbst erfunden sind und keiner kennt. In unserem Beitrag zeigen wir, dass es auch bei Berufen, die die Agentur für Arbeit in ihren Registern führt, passieren kann, dass man gefragt wird: „was machst du eigentlich in deinem Beruf?“

Letztens, irgendwo in Heilbronn. Nicht näher miteinander bekannte Menschen sitzen an einer Geburtstagstafel. Zwischen Nussecken und Himbeerkuchen plötzlich die Frage: »Und was schafft ihr alle so?« Stille. Dann: »Ich bin Schauspieler«. Ehrfurchtsvolles Nicken. »Ich arbeite in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Theaters.« Hochachtungsvolle Zustimmung. »Ich bin Dramaturgin.« Nachdenkliches Gesicht. »Drama-was?« Nicht schlimm, Dramaturgen erklären das gern. Erklären gehört quasi zur Stellenbeschreibung dazu. »Dramaturgen sind so etwas wie die Innen- und Außenminister eines Theaters. Sie vermitteln in der Öffentlichkeit durch Einführungen und Gespräche mit Publikum, Schulklassen und Theaterliebhabern die Konzepte und Ideen von Spielplan und Inszenierungen, innerhalb des Theaters sind sie Wissenschaftler, Weichensteller und Visionär in einem«, sage ich. Aha!

Die Dramaturgen des Theater Heilbronn, Foto: Wolfgang Seidl

Für die drei Dramaturgen am Theater Heilbronn Andreas Frane, Johannes Frohnsdorf und Stefanie Symmank ist das ein Traumberuf. »Wir sind von der ersten Idee, ein Stück auf den Spielplan zu setzen, bis zum Applaus der letzten Vorstellung dabei«, so Johannes Frohnsdorf. »Welcher Regisseur welches Stück mit welchen Schauspielern inszeniert, haben wir mit zu verantworten«, beschreibt Chefdramaturg Andreas Frane. Die Dramaturgie eines Theaters wird neudeutsch auch gern als »Think Tank« – Denkfabrik – bezeichnet. Im Theater Heilbronn ist sie ein aufeinander abgestimmtes Triumvirat aus geballtem Wissen und Spaß an der Arbeit. »Die Vorstellung vom ,wandelnden Lexikon auf zwei Beinen’ ist überholt«, meint Johannes Frohnsdorf. »Eine umfassende Allgemeinbildung, gerade im Bereich der Literatur, und ein Interesse am aktuellen Zeitgeschehen sind für den Beruf aber unabdingbar.« »Auch ein gutes Gespür für den Umgang mit Menschen, egal ob Zuschauer, Schauspieler oder Techniker gehört dazu«, ergänzt Andreas Frane.

Neben Vermittler, Bücherwurm und Organisator sind die Dramaturgen vor allem eins: Partner. In enger Zusammenarbeit mit dem Intendanten Axel Vornam gestalten sie den Spielplan und tragen wesentlich zur Profilierung des Hauses bei. »Im Idealfall bilden auch Dramaturgen und Regisseure ein künstlerisches Dreamteam«, sagt Johannes Frohnsdorf. In enger Zusammenarbeit mit dem Regisseur erstellt der Dramaturg eine Strichfassung des zu inszenierenden Stückes. Im Hinblick auf Besetzung, Konzept und Spieldauer fallen dem Rotstift manchmal halbe Textseiten, manchmal ganze Rollen zum Opfer. Als ‚erster Zuschauer’ geht der Dramaturg im ca. 6-wöchigen Probenprozess dann mehrmals auf die Proben. Er ist das ‚neutrale Auge’ und schützt das Inszenierungsteam vor drohender Betriebsblindheit. Ein Dramaturg ist wie ein Sparringspartner für den Regisseur. Er beobachtet genau, zeigt die Schwachstellen auf und hält die Konzentration des Inszenierenden auf Konzept, Entwicklung und Inhalt wach. »Das ist keine Frage des eigenen Geschmacks«, betont Andreas Frane. »Wenn ich zum ersten Mal auf die Probe gehe, steckt die Inszenierung noch in den Kinderschuhen. Ich muss meine Kritik so formulieren können, dass das Team damit weiterarbeiten kann.« Solche Gespräche können durchaus bis in die späte Nacht dauern.

Drama, baby

Manchmal reicht aber auch schon ein »Drama, baby, drama!« oder »Weniger ist mehr!« und der Regisseur weiß, was gemeint ist. Der Dramaturg ist ebenfalls für die Schauspieler ein unverzichtbarer Ansprechpartner. »Der Kontakt zum Ensemble ist mit das Wichtigste«, weiß Andreas Frane, dessen muntere Maxime »Die Welt ist rund, das Leben ist bunt.« jedes noch so kleine Drama vom Tisch fegt. Heute schreibt der Dramaturg zwar kaum noch eigene Stücke, wie einst Gotthold Ephraim Lessing (der erste Dramaturg überhaupt!), der Schreibtisch ist für Frane & Co. neben muffigen Probebühnen und dunklen Theaterräumen trotzdem der erste Arbeitsplatz. Hier entsteht, neben Texten für Leporello, Vorschaubuch und Social Media-Beiträgen, das vielleicht einzig greifbare Ergebnis dramaturgischer Arbeit: das Programmheft. Es gilt als ein kleines Hoheitsgebiet des Dramaturgen. Er allein entscheidet, was von seinem vielen Wissen rund um Stück und Inszenierung hier erscheint »und was auch für den Zuschauer interessant sein könnte«, wie Johannes Frohnsdorf betont.

Der Dramaturg. Ein bisschen Faust. Ein bisschen Mephisto. Ein kühler Kopf mit brennendem Theaterherz. Er trägt bevorzugt Schwarz und immer ein Lächeln auf den Lippen, ist immer auf der Suche nach neuen Stücken und interessanten Regisseuren, ist gedanklich bei der Moderation des nächsten Theaterfrühstücks, während er körperlich zur nächsten Sitzung sprintet. Er gehört zu den »unsichtbaren« Mitarbeitern des Theaters, denen Sie, liebe Zuschauer, nach jeder Vorstellung auch applaudieren.

Stefanie Symmank, Dramaturgin

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Noch bis zum 31. März können unter www.sinnundverstand.net Beiträge zum eigenen Beruf eingereicht werden, und damit dazu beigetragen, dass die Frage „was machst du eigentlich beruflich“ endlich geklärt wird. 

Ich arbeite fürs Team – Regieassistentin Lara Schüßler

Regieassistenten sind „Gedächtnis und guter Geist jeder Inszenierung“. Sie unterstützen den Regisseur bei seiner Arbeit und führen das Regiebuch, in welchem alle Anweisungen zum Stück festgehalten werden. Die 19-jährige Lara Schüßler ist Regieassistentin bei Christian Marten-Molnár für die Oper Minsk. Nach der ersten Bühnenprobe mit Orchester haben wir mit ihr gesprochen.

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Minsk ist die erste Produktion, bei der du am Theater Heilbronn assistierst. Wann hat dich die Lust am Theater gepackt?

Ich habe mit etwa zwölf Jahren angefangen selbst Theater zu spielen, erst in der Jugendtheatergruppe, später Improtheater, dann kam ich in einen Theaterverein, bei dem ich auch heute noch aktiv bin. Dort  hat sich herauskristallisiert, dass ich mich da wohlfühle. Dann war irgendwann klar, dass es in Richtung Regie geht.

Ich hatte in der Schule ein Fach, das hieß Literatur und Theater. Da hatte ich die Chance eigene Projekte zu realisieren und selbst zu spielen. Außerdem schreibe ich für eine Zeitung in der Kulturredaktion. Das gibt mir die Möglichkeit anders zu reflektieren. Ich habe mich nach dem Abitur zwar für Studienplätze beworben, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass man gleich in einen Regiestudiengang reinkommt. Ich hab dann erst eine kleine Regieassistenz bei einem freien Theater in Stuttgart gemacht, und dann eine Hospitanz am Theater in der Josefstadt in Wien. Und jetzt bin ich hier.

Ich habe vor diesem Jahr allen Leuten, die ich kenne, die am Theater was machen gesagt, dass sie mir Bescheid geben sollen, wenn es irgendwo was Spannendes gibt. Dann hat mich Karin von Kries von hier aus der Technik angerufen und gesagt: „Lara, hier könnte es was geben, schreib’ doch eine Bewerbung“. Dann hab ich die Bewerbung geschrieben, mich mit Christian [Marten-Molnár] getroffen und er hat gesagt :„Ok, das machen wir“.

 

Wusstest du bei der Bewerbung schon, um welches Projekt es sich handelt?

Ich wusste es ungefähr. Dass es eine Oper ist, dass es modern wird – aber sonst wusste ich eigentlich ziemlich wenig darüber. Und das finde ich total spannend, weil ich davor mit Oper wenig am Hut hatte. Ich hatte Musik als Hauptfach in der Schule und kenn mich darum relativ gut aus mit Musik. Aber jetzt bei einer Operninszenierung dabei zu sein, das ist was ganz anderes und total spannend. Es ist eine tolle Möglichkeit für mich da reinzukommen, egal ob Schauspiel oder Oper. Das ist eine riesen Chance und für mich auf jeden Fall eine tolle Erfahrung.

 

Ist es dann ein Unterschied als Regieassistentin eine Uraufführung zu betreuen…?
Natürlich. Also gerade bei einer Oper mit moderner Musik. Normalerweise hat man zum Beispiel Aufnahmen, auf die man zurückgreifen kann. Man hat irgendwas, von dem man zehren kann. Man hat Referenzen, auf die man sich beziehen kann. Das ist natürlich eine Chance fürs Regieteam, die müssen sich mit niemandem vergleichen, aber sie sind völlig auf sich gestellt und müssen völlig neu alles erdenken.

 

Wie viel Einfluss hat man da als Regieassistentin auf die Inszenierung?

Keinen. Man hat in der Regel als Regieassistenz mit dem kreativen Prozess nichts zu tun.

 

Welche Fähigkeiten sollte man als Regieassistentin mitbringen?
Man muss auf jeden Fall wach sein, man muss einigermaßen gut organisieren können, man muss selbst organisiert und sortiert sein. Oder wenigstens vermitteln, dass man das ist. Und man muss mit Menschen umgehen können. Also man muss sich einfach trauen zu reden, auf Menschen zuzugehen. Gerade wenn man eine freie Assistenz macht und sich mit dem Haus gar nicht auskennt sind muss man sich eben durchfragen. Das muss man halt wollen und einfach machen. Einfach drauf los. Und man muss einfach Freude haben an diesem Prozess. Wenn ich jetzt keine Lust hätte an dem Probenprozess, in dem man Tag für Tag das gleiche Stück anschaut, dann wäre ich falsch am Platz.

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Was würdest du sagen, ist das Wichtigste, das man während der Assistenzzeit an Fähigkeiten lernt?

An Fähigkeiten? Also zum einen bekomme ich da ganz viel mit, was die unterschiedlichen Bereiche am Theater angeht. Und natürlich einen sehr tiefen Einblick in die Inszenierungsarbeit, in den Entstehungsprozess. Das kommt auch aufs Team an. Jeder Regisseur arbeitet anders, das ist spannend zu beobachten. Die Arbeit fordert einen Spagat zwischen Unterordnung und sich trotzdem einbringen und eigenständig sein. Ich wäre falsch am Platz, würde ich jetzt in den Proben sitzen und nur sagen „ Nein, ich finde das nicht gut so“.

 

Du hattest überlegt Schauspieler zu werden, dann war es Regie. Jetzt bist du hier. „Minsk“ ist eine Oper, in der Anna darüber nachdenkt, ob es richtig war als 20 Jährige ihre Heimat zu verlassen. Also diesen Schritt in die neue Welt hinterfragt. Du hast ein ähnliches Alter. Hat die Beschäftigung mit der Oper den Blickwinkel auf solche Lebensentscheidungen verändert?

Ich habe kürzlich mit Christian, also dem Regisseur, über das gleiche Thema gesprochen, weil ich wirklich vor einer Zukunftsentscheidung stehe: Will ich wirklich den Schritt machen in dieses unsichere Leben der Theaterwelt oder will ich auf Nummer sicher gehen und beispielsweise Lehramt studieren?

Ich habe genau das gesagt: „Ich wünschte mir, jetzt würde die ältere Lara kommen, 20 Jahre älter und sagen, so habe ich es gemacht und so war’s scheiße“. Und selbst wenn ich dann noch ins Theater gehen würde, dann hätte ich eine andere Argumentationsbasis. Das wäre was anderes als jetzt ins Blaue hinein. Aber ich glaube, dass es trotzdem nicht vergleichbar ist mit dem Stück. Anna, also Anoushka, gibt ja ihr ganzes Leben auf, ihre Familie, das was sie ist. Und ich gebe ja mich nicht auf. Ich sage ja nur, dieser Teil meines Charakters soll hervorgehoben werden in meinem Leben. Aber ich bleibe ja mir selbst treu.

 

Wünschst du dir manchmal nach einer Aufführung auch auf der Bühne zu stehen den Applaus genießen zu können und nicht nur im Dunkeln zu sitzen?

Nein, gar nicht so sehr. Ich brauch die Anerkennung des Publikums nicht, wenn ich die Anerkennung während des Probenprozesses habe. Wenn mir gesagt wird „Lara, das hast du gut gemacht“ das macht mich schon zufrieden. Ich bin ja quasi nicht die, die fürs Publikum arbeitet – ich arbeite fürs Team. Regie, Bühnenbild, Darsteller, die arbeiten fürs Publikum. Man muss sich den Dank immer da von denen holen, für die man arbeitet. Das Publikum bekommt ja nichts mit von meiner Arbeit. Und das ist ok so.

 

Die Oper „Minsk“ von Ian Wilson und Lavinia Greenlaw wird in Kooperation mit dem Württembergischen Kammerorchester am Theater Heilbronn am 03. März 2013 im großen Haus uraufgeführt. Weitere Informationen und Aufführungstermine auf der Theaterhomepage.

Das Interview führte Johannes Pfeffer

Alle Bilder: Lara Schüßler

Die starken Männer im Hintergrund

Der Blick auf den langen Arbeitstag der Bühnentechniker ist unser Beitrag zur Kultur-Blogparade 2013 der Residenz München.

In einer Kultur-Blogparade ruft ein Blogbetreiber andere Kulturinstitutionen auf, zu einem bestimmten Thema Artikel zu verfassen. Diese werden gesammelt und vom Aufrufenden zusammengefasst. So entsteht ein Online-Sammelband von Texten, diesmal zum Thema „Der Blick hinter die Kulisse – unser Arbeitsalltag“. Wir freuen uns als Theater die zahlreichen Museumsbeiträge beispielsweise aus dem Städel Frankfurt oder dem Deutschen Historischen Museum zu ergänzen.

Sie sind morgens die ersten, die das Theater betreten und nachts die letzten, die es verlassen. Täglich um 7.30 Uhr rückt die erste Schicht der Bühnentechniker an, um bis 10 Uhr alle Aufbauten für die Proben und Vormittagsvorstellungen erledigt zu haben. Der Tag beginnt mit einer kurzen Aufgabenverteilung – dann schwärmen die starken Männer in der schwarzen Kleidung aus, um das Große Haus, die Kammerspiele, das Komödienhaus und die drei Probebühnen einzurichten. Da die Zeiteinteilung sehr streng ist, sind Schnelligkeit und Pünktlichkeit wichtig. Vor allem aber auch Genauigkeit, denn davon hängt die Sicherheit der Schauspieler ab. 24 Mitarbeiter inklusive Auszubildende hat die Bühnentechnik. Pro Schicht sind 6-8 Kollegen eingeteilt. Einige sind schon seit Bestehen des Theaters am Berliner Platz dabei. Bernd Reber und Dieter Schmid beispielsweise – sie haben sich damals auf eine Anzeige beworben, als für den Theaterneubau Bühnentechniker gesucht wurden. Von Beruf waren sie Schlosser bzw. Schreiner und vom Theater hatten sie nicht viel Ahnung. Aber sie mussten mit dem Theater Heilbronn eines der modernsten Häuser Europas bedienen. »Wir haben alles bei der Arbeit gelernt. Nur ein Techniker kannte sich damals aus«, erinnern sich die beiden. Heute kennen sie alle Bühnen mit ihrer technischen Ausstattung wie ihre Westentasche – trotzdem wird es nie langweilig, versichern sie. Denn sie dienen mit ihrer Arbeit der Kunst. Das heißt, spontan und flexibel zu sein, wenn dem Inszenierungsteam während der Proben geniale Einfälle kommen. Manchmal müssen auch bereits realisierte technische Lösungen wieder verworfen werden. Aber solche Korrekturen bleiben hier im Rahmen – aus Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und den Finanzen. Für jedes Bühnenbild wird lange im Vorfeld einer Inszenierung besprochen, warum welches Element nötig ist. Die Meister der Bühnentechnik lassen es regnen und stürmen. Sie sorgen dafür, dass Kulissenteile hochfliegen und im Boden versinken. Sie sind verantwortlich, wenn die Welt – in diesem Fall die Bretter, die sie bedeuten – sich dreht. Und sie lassen Schauspieler durch die Luft schweben. Besonders in letzterer Situation brauchen die Darsteller absolutes Vertrauen zu den Technikern an den Seilzügen. Das verbindet. All diese Abläufe werden in den Proben geübt, in die auch die Herren von der Technik ab 10 Uhr eingebunden sind. Um 15 Uhr rückt das zweite Team an, um die Probebühnen für die Abendproben umzubauen und vor allem, um die Bühnen für die abendlichen Vorstellungen vorzubereiten. Bis 17.30 Uhr müssen sie fertig sein, denn hinterher richtet die Beleuchtungsabteilung alle Scheinwerfer für das jeweilige Stück ein. Während der Vorstellung agieren sie unsichtbar, und doch würde ohne sie nichts funktionieren. Sie sind eine verschworene Gemeinschaft. Viele wie Zissis Tsiapkinakis, Henry Bickel oder Frank Kammerer sind seit den 80er Jahren dabei. Zissis Tsiapkinakis hatte damals in der Theaterkneipe »Rampenlicht« gehört, dass Bühnentechniker gesucht werden. Henry Bickel und Frank Kammerer haben Mitte der 80er Jahre die DDR verlassen und sind hier am Theater gelandet.
Ganz neu ist Bühnenmeister Lutz Schmieder, der über Zeitz und Rudolstadt hierher kam und mit der Einrichtung und Betreuung des sehr aufwendigen Operetten-Gastspiels »Orpheus in der Unterwelt« seine Feuertaufe erlebte und mit Bravour bestand.
Die »starken Männer« sind stolz, dass in den 30 Jahren des Bestehens des Theaters nicht eine Vorstellung aus technischen Gründen ausfallen musste. Ein anderer Job kommt für sie nicht in Frage, auch wenn es kaum freie Sonn- und Feiertage gibt und die Arbeitstage sehr lang sind. Wenn der Vorhang gefallen ist, ist die Arbeit noch lange nicht zu Ende. Dann werden die Kulissen wieder abgebaut, bis die Bühne vollkommen leer ist. Oft verlassen die Männer erst nach Mitternacht das Haus. Am nächsten Morgen rückt wieder die Frühschicht an und der Tag, an dem auf der Bühne vier Mal auf- bzw. abgebaut wird, beginnt.

Silke Zschäckel, Pressereferentin

Unsere Bühnentechniker

 

In der Werkstatt wachsen Bühnenwelten

Nikolaus Porz, Ausstatter von „Minsk“ erläutert sein Bühnenbild und wie sich auf dem Theater London in Minsk verwandeln wird.

 

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Oberen Fotos: Bühnenbildmodell Minsk und London

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Der erste Kultur-Tweetup eines Stadttheaters in Deutschland findet am Sa, dem 16.02.2013, um 9:45 Uhr zu einer Probe der Oper Minsk (UA) im Großen Haus des Theaters Heilbronn statt! Anmeldung an @theat_heilbronn oder @KultUp auf twitter oder an schroeder@theater-hn.de
Wer auf Twitter dem Hashtag #kultup folgt, wird bereits ab dem 21.01.2013 mit Neuigkeiten versorgt, kann am Veranstaltungstag so den Tweetup verfolgen und sich auch aktiv ins Gespräch einbringen. Wer selbst keinen Twitter-Account besitzt, kann die Tweets über die Twitterwall verfolgen: http://kultup.tweetwally.com

Brückenbauer Zwischen Kunst und Technik

Wohl jeder Mitarbeiter des Theaters wurde in seinem Berufsleben schon einmal gefragt: »Und was machen Sie vormittags?« Viele Menschen haben im Kopf, dass an den Abenden die Vorstellungen im Theater laufen, und können sich nicht vorstellen, dass Mitarbeiter dort fast rund um die Uhr und natürlich auch vormittags arbeiten. Zum Beispiel die technische Leitung

Viele Bühnenbildner lieben das Theater Heilbronn. Das liegt vor allem an den Menschen, die dafür sorgen, dass aus ihren Entwürfen ein beeindruckender, gut bespielbarer Bühnenraum entsteht, der schnell ab- und aufgebaut werden kann und trotz opulenter Optik nicht zu teuer ist.
Die Verantwortung dafür trägt das technische Leitungsteam  bestehend aus dem Technischen Leiter Heiko Pfützner und der Produktionsleitung mit Karin von Kries und Reinhard Gerlinger – drei ganz unterschiedliche Menschen, die ein perfektes Team bilden. Heiko Pfützner ist seit Mai 2008 Technischer Leiter des Theaters Heilbronn. Der gelernte Maschinen- und Anlagenbauer kam aus Liebe zur Oper ans Theater. Er begann als Bühnentechniker am Staatstheater am Gärtnerplatz in München, wurde dann Seitenmeister, machte später an der Oper Leipzig seine Ausbildung zum Bühnenmeister, arbeitete in dieser Funktion wieder in München, ging dann nach Hamburg, um den Meister für Veranstaltungstechnik/Beleuchtung zu absolvieren und parallel an der Staatsoper Hamburg zu arbeiten. Dann wurde er stellvertretender technischer Direktor in Kassel. Jetzt hat er als technischer Leiter in Heilbronn die Verantwortung für alle technischen Abteilungen und die  Werkstätten. Er ist immer da und packt am liebsten selbst mit an. »Theater ist mein Hobby«, sagt er. Prägend war für ihn die Erfahrung mit der ersten Oper, bei der er mitgearbeitet hat: »Eugen Onegin« (1994) mit einem gigantischen Bühnenbild. »Ich war sooo stolz«, sagt er. Und dann hat das Publikum die Inszenierung ausgebuht. »Für mich war das unbegreiflich, das tat richtig weh.« Noch heute fiebert er bei jeder Inszenierung mit, lebt für den künstlerischen Erfolg seines Hauses.

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Dass aus einem Bühnenbildmodell eine beeindruckende, gut bespielbarer Bühnenraum wird, dafür sorgen Karin von Kries, Heiko Pfützner und Reinhard Gerlinger – das technische Leitungsteam des Theaters.
Foto: Fotostudio M42

 

Dass er mit Herzblut bei der Arbeit ist und sich niemals »nur« für die technische Lösung seiner Aufgaben interessiert, teilt er mit seinen Kollegen. Reinhard Gerlinger ist gelernter Zimmermann und Bautechniker. Er kam 1985 an das Theater Heilbronn, als ein Mitarbeiter mit handwerklichem Geschick, Sinn für Verwaltung und künstlerischem Interesse gesucht wurde. Seitdem verantwortet er den Bau der Bühnenbilder. Langeweile bei der Arbeit? »Die gibt es nicht.« Wer erinnert sich nicht an den gigantischen 6×6 Meter großen Plattenspieler aus »Kiss me Kate«, der sich wie von Geisterhand öffnen konnte, einen sich drehenden und bespielbaren Plattenteller hatte, auf dem 20 Menschen tanzten und der trotzdem so leicht sein musste, dass er ganz einfach auf die Bühne geschoben werden konnte. Die Vorgabe lautete: Wir brauchen einen großen Plattenspieler, der so einiges können muss. Wie solche Wünsche umzusetzen sind, daran tüftelt Reinhard Gerlinger zusammen mit den Bühnenmeistern und den Werkstätten. Und seit dem Sommer zusätzlich mit  Karin von Kries, die als dritte im Bunde das Leitungsteam verstärkt. Sie hat Architektur studiert, aber schon während ihres Studiums als Bühnenbildassistentin gearbeitet und sich bald danach für das Theater entschieden. »Architektur ist mir zu langsam, und in den großen Büros ist man nur ein kleines Rädchen, hat nie die Verantwortung für ein ganzes Projekt.« Hier verantwortet sie den Bau von rund zehn Bühnenbildern im Jahr. Außerdem macht sie eigene Ausstattungen, wie derzeit für das Stück »Am Horizont«. Rund ein halbes Jahr vor einer Premiere kommt die technische Leitung mit dem Inszenierungsteam zusammen und bespricht das Bühnenbild. Konnten Regisseur und Bühnenbildner später in der Intendanz ihr Konzept überzeugend darlegen, geht es in die Bauprobe. Dort werden die Kulissen aus Sperrholz, Packpapier, Stoffen und alten Bühnenbildteilen angedeutet. Hier wird getestet, ob alle Sichtlinien in Ordnung sind. Können die Kulissen gelagert werden, wenn ein anderes Stück gespielt wird? Sind alle gewünschten Effekte technisch umzusetzen? Und ist das Bühnenbild finanzierbar? Ist alles geklärt, gibt es die Werkstattbesprechung: Bühnenbildner, Produktionsleiter, Bühnenmeister und die Leiter der Werkstätten sitzen zusammen und reden über Materialien, Farben, Stoffe, Oberflächen und die optimale Terminierung der Bauprozesse. Diese strikte Planung fordert von den Künstlern ein sehr klares Konzept. So wird sparsam mit Arbeitskraft und Geld umgegangen. Fragen können sofort geklärt werden, ohne dass Informationen in Hierarchien verloren gehen, und die Kompromisse sind von allen fair ausgehandelt. Hinterher fertigen Gerlinger und von Kries die technischen Zeichnungen, bestellen die Materialien und los gehen die Bauarbeiten. Rund zehn Tage vor der Premiere erleben sie dann gemeinsam mit den Werkstätten und den Technikern ihre kleine Premiere zur Technischen Einrichtung. Dann steht erstmals das komplette Bühnenbild und muss in den nächsten Proben beweisen, dass es alle Herausforderungen besteht. »Die Lösungen, die dieses Team findet, sind oft außergewöhnlich. Nie heißt es, dass etwas nicht geht«, schwärmt Bühnenbildner Tom Musch. Doch das ist für Heiko Pfützner, Reinhard Gerlinger und Karin von Kries nicht der Rede wert. Sie geben das Kompliment weiter an ihre Kollegen in den Werkstätten und der Technik. »Auch da wird kein Dienst nach Vorschrift gemacht, sondern alle tüfteln und suchen kreativ nach den besten Lösungen. Wir sind ein Team«, sagen die Drei, und das ist kein leeres Gerede.

Silke Zschäckel, Pressereferentin

Unsere Neuen – Tricks und Raffinessen für den Nachwuchs

Chefmaskenbildnerin Caroline Steinhage liegt besonders die Ausbildung junger Leute am Herzen

»Ein Schauspieler vor der Premiere ist wie ein Hochleistungssportler direkt vor dem Start«, sagt Chefmaskenbildnerin Caroline Steinhage: »Hochkonzentriert, angespannt, aufgeregt. Bei uns in der Maske hat er die letzten Minuten vor dem Auftritt, in denen er sich sammeln kann. Er soll sich entspannen, gar nicht merken, dass an ihm gearbeitet wird, noch einmal die Ruhe genießen, bevor er raus muss.« Das Aufsetzen der Perücke und das Schminken des Gesichts helfen ihm schließlich in die Rolle hinein. Sich selbst zurückzunehmen und ganz in den Dienst der professionellen Verwandlung der Schauspieler zu stellen, so sieht Caroline Steinhage ihre Aufgabe am Abend. Tagsüber sitzen die Maskenbildner nicht in den Schminkräumen direkt neben der Bühne, sondern in ihrer Werkstatt unterm Dach. Dann werden Perücken,  Haarteile, Masken und Glatzen aus verschiedenen Materialien hergestellt oder Schminkmasken ausprobiert und mit den Kostümbildnern besprochen. Außerdem werden alle Perücken, die am Vorabend in der Vorstellung gebraucht wurden, gereinigt und wieder frisiert.
Seit September leitet Caroline Steinhage die Abteilung Maske am Theater Heilbronn. Aus privaten Gründen hat es sie von der Kieler Oper, wo sie bereits 8 Jahre lang als Chefmaskenbildnerin tätig war, nach Süddeutschland verschlagen. Für sie heißt die Arbeit in der Tagschicht nicht nur, selbst Hand anzulegen und die Arbeit ihrer drei Kollegen zu koordinieren, sondern auch den Etat zu verwalten und zu bestimmen, welche Materialien eingesetzt werden.
Vor allem aber gibt sie als Ausbilderin ihr Können an die zwei Azubis der Abteilung weiter. Handwerkliche Tricks und Raffinessen, Stilkunde, Modellieren, Frisier- und Schminktechniken … Die gute Ausbildung von Nachwuchs liegt ihr sehr am Herzen. Erst seit 10 Jahren gibt es staatlich anerkannte Rahmenbedingungen für diese Berufsausbildung. Die Praxis wird an den Theatern gelehrt, die Theorie in der Berufsschule. Den Beruf des Maskenbildners gibt es überhaupt erst seit 30-40 Jahren. Vorher kam der Friseur aus dem Geschäft nebenan und hat die Schauspieler, die sich selbst geschminkt haben, bei ihren Frisuren unterstützt.
Auch Caroline Steinhage hat nach dem Abitur in Wiesbaden eine Friseurlehre absolviert, um daran anknüpfend in Karlsruhe und Mainz eine Ausbildung zur Maskenbildnerin machen zu können. Dass sie das will, wusste sie schon als Jugendliche. Sie wirkte im Jugendtheaterclub des Staatstheaters Wiesbaden mit,  hatte Ballettunterricht und sah ihre Zukunft am Theater und nirgends sonst. »Für die Bühne fehlte mir die Passion«, gesteht sie. »Aber als Maskenbildnerin bin ich ganz dicht dran und habe die perfekte Kombination aus Handwerk, Kunst und dem ganz speziellen Theaterflair, das ich nie missen möchte.«

Silke Zschäckel, Pressereferentin

Unsere Neuen: Vom Börsenparkett ins Theater

Petra Ostermann ist die persönliche Referentin des Intendanten  

Vom Börsenparkett auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Kann es einen größeren Bruch in der beruflichen Laufbahn geben? Bei Petra Ostermann aus dem schönen Weinort Schwaigern, nahm das Leben genau diesen Lauf. Seit April ist die frühere Bankerin persönliche Referentin des Intendanten, nachdem sie vorher vier Jahre als Statistin auf der Bühne und als Souffleuse den Theaterbetrieb von der Pike auf kennengelernt hat. Doch der Reihe nach.
Nach dem Abitur am Wirtschaftsgymnasium machte sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau. Nach einigen Jahren in der Kundenberatung wechselte sie in ein Familyoffice, um sich um Wertpapiere, Kunst und  Immobilien einer Privatperson zu kümmern. »Das war eine spannende Zeit«, erinnert sie sich. Danach machte sie große Karrieresprünge, die allerdings in umgekehrtem Verhältnis zu ihrer persönlichen Zufriedenheit standen. Als Mitarbeiterin einer internationalen Kanzlei in Stuttgart, die in der Boomphase des Neuen Marktes die Börsengänge von Unternehmen begleitete, und als Schriftführerin im Aufsichtsrat einer börsennotierten Aktiengesellschaft wurde die Zeit zum Luftholen immer knapper. Sie ging zurück zur Bank, spezialisierte sich auf Wertpapiere und war in der Derivate-Beratung tätig. Doch die Interessen ihrer Bank und die der Kunden gleichermaßen zufriedenzustellen, das schien ihr oft eine Sache der Unmöglichkeit zu sein. »In der Mitte des Berufslebens kommt wohl bei vielen Menschen ein Moment, in dem sie sich fragen, ob sie so weitermachen wollen«, sagt Petra Ostermann. »Immerhin hat man noch die Hälfte der Arbeitsjahre vor sich.«
Sie gönnte sich eine Auszeit, wollte in Ruhe nachdenken. Da las sie in der Heilbronner Stimme einen Aufruf für ein Statisten-Casting. Tanz- und sangesfreudige junge Damen für das Musical »Cabaret« wurden gesucht. Da sie schon immer gesungen hat, sehr sportlich ist und sich gut bewegen kann, meldete sie sich an, wurde genommen, tauchte ein in die Theaterwelt, und das zweite (Berufs-)Leben der Petra Ostermann nahm seinen Lauf. Die nächste Rolle hatte sie als Krokodil im Märchen »Räuber Hotzenplotz«. Dann sprang sie für eine erkrankte Souffleuse ein, machte ihre Sache gut und wurde seither immer wieder engagiert. Als dann Arianne Gambino, ihre Vorgängerin im Amt der persönlichen Referentin des Intendanten, ein Angebot vom Schweizer Fernsehen bekam, das sie nicht ausschlagen konnte, fasste sich Petra Ostermann ein Herz und bewarb sich, um fest im Theater zu bleiben. Hier, als Chefmanagerin des Intendanzbüros, in dem sich ständig die Wege der Kunst- und der Geschäftswelt kreuzen, fühlt sie sich genau richtig. Ihre Leidenschaft für Betriebswirtschaft und ihre Fähigkeit zu präsentieren, kann sie genauso einbringen wie ihre Sensibilität und Begeisterung für die Künste, die in allen Ausprägungen am Theater versammelt sind. Was diese Arbeit am meisten von ihrer früheren unterscheidet? »Das Gemeinschaftsgefühl. Hier arbeitet nicht jeder für sich und für seinen größten persönlichen Gewinn, sondern alle zusammen arbeiten für den Erfolg eines Stückes, und sie sind alle zusammen froh, wenn es gut läuft.« Und für eines wird sie künftig immer sorgen: Dass sie nicht nur Zeit zum Luftholen, sondern auch für ihren Hund, fürs Musizieren und fürs Radfahren hat.

Silke Zschäckel, Pressereferentin

PETRA OSTERMANN WECHSELTE NACH DER BANKKARRIERE ANS THEATER UND MANAGT NUN DAS INTENDANZBÜRO.
Foto: Fotostudio M42

Unsere Neuen – Künstlerin mit Experimentier-gen

Carmen Riehl ist die neue Chefrequisiteurin

Es sind lediglich Haferflocken mit Theaterblut, die in der Komödie »Dänische Delikatessen« aussehen wie gerade durch die Knochenmühle gedrehtes Hack. Auch das »frische Muskelfleisch«, das die Metzger Svend und Bjarne alias Oliver Firit und Sebastian Weiss mit flinken (aber aus Bühnensicherheitsgründen stumpfen) Hackmesserhieben zu »Hühnchen in Marinade« verarbeiten, besteht aus nichts anderem als aus Mehl, Rote-Bete-Saft und Lebensmittelfarbe. Selbst aus der Nähe sieht die für jede Vorstellung neu zubereitete Masse aus wie richtiges Fleisch und lässt sich verblüffend echt bespielen. »Wir sind jetzt staatlich geprüfte Fake-Fleischhersteller«, scherzt Carmen Riehl, die seit September  Chefrequisiteurin am Theater Heilbronn ist. Einige Verfahren haben sie und ihre Kollegin Claudia Specht ausprobiert, bis sie den Dreh raus hatten.
Der Arbeitsraum von Carmen Riehl und ihren drei Kolleginnen der Abteilung Requisite gleicht einer Mischung aus Küche, Werkstatt und Chemielabor. Hier wird ausprobiert, wieder verworfen und solange mit den unterschiedlichsten Materialien experimentiert bis man Fake von Echt nicht mehr unterscheiden kann. Dass den Requisiteuren dabei von Regie und Ausstattung vorgegeben wird, WAS sie herstellen sollen, aber nicht WIE sie die Vorgaben umsetzen müssen, stellt für Carmen Riehl den besonderen Reiz an ihrem Beruf dar. Je kniffliger die Aufgabe, desto besser. Studiert hat Carmen Riehl Italienisch, Kunstgeschichte, Grafik und Malerei. Danach hat sie entschieden, dass Theater ein perfekter Ort ist, um die Kunst und die Praxis miteinander zu verbinden. Angefangen hat sie als Kostümassistentin in Hamburg, Mannheim, Gießen und Mülheim an der Ruhr unter anderem in Inszenierungen von Christoph Marthaler und Johann Kresnik. Dann war sie Kostümmalerin an der Bayerischen Staatsoper. Mit der Geburt ihres Sohnes hat sie das Zugvogeldasein aufgegeben. Sie absolvierte in Hamburg am Institut für angewandte Medien die Zusatzausbildung zur »Geprüften Requisiteurin«. Dann arbeitete sie als Requisiteurin am Münchner Residenztheater. Als in Heilbronn die Chefposition ausgeschrieben war, hat sie sich beworben. Ganz wichtig für sie ist, dass ihr mittlerweile achtjähriger Sohn sich in seiner neuen Schule wohlfühlt. Außerdem sind die beiden sehr gern in der »Experimenta». Denn das »Experimentier-Gen« scheint Carmen Riehl an ihren Filius weitergegeben zu haben.

Silke Zschäckel, Pressereferentin

CARMEN RIEHL BEREITET »FRISCHFLEISCH« AUS MEHL, ROTE-BETE-SAFT UND LEBENSMITTELFARBE ZU.
Foto: Fotostudio M42