Auf musikalischer Reise durch die Höhen und Tiefen einer Künstlerbiografie

Uraufführung des humorvoll-lebensklugen Stücks »Die Donauprinzessin« des bayerischen Ausnahmekünstlers Georg Ringsgwandl im Salon3

von Sophie Püschel

Juliane Schwabe; Foto © Verena Bauer

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Davon kann die junge Schauspielerin (Juliane Schwabe), die in Georg Ringsgwandls musikalischem Theaterstück »Die Donauprinzessin« durch den Abend führt, im wahrsten Sinne ein Lied singen. Einst war sie die große Nachwuchshoffnung des deutschen Theaters: Ihr erstes Engagement führte sie an ein Staatstheater der Oberliga, wo ihr einer der angesagtesten Regisseure Europas die Rolle der Nina in seiner »Möwe«-Inszenierung von Tschechow verschafft. Einladungen zu internationalen Festivals und Lobeshymnen der Presse folgten. Doch nach dem ersten großen Triumph bleibt ihr das Glück nicht lange treu! Wie Tschechows Nina muss auch Georg Ringsgwandls Protagonistin immer tiefer in die Niederungen des Künstlertums steigen und sich so mancher Bewährungsprobe stellen.

Aus Gastverträgen an kleinen Theatern werden schlecht bezahlte Auftritte bei Firmenevents und schließlich bleibt nur der Kellnerjob. Neben dem beruflichen Erfolg verabschiedet sich zu allem Überfluss auch ihr Freund Tim sang- und klanglos aus ihrem Leben. Da Jammern nichts hilft und Miete, Strom und Essen bezahlt werden müssen, landet die Schauspielerin schließlich auf dem Kreuzfahrtschiff »Donauprinzessin«, wo sie zusammen mit zwei Musikern die Passagiere mit Coverhits unterhält. Die »verkannte« Schauspielerin nimmt das Publikum in Georg Ringsgwandls ebenso komischem wie lebensklugem Stück mit auf den Donaudampfer, auf dem die Tage nach einem immer festen Rhythmus verlaufen. Die einzige Abwechslung bieten die ungewöhnlichen Lebensgeschichten und Schicksale der Mitreisenden, die sich nach den Auftritten zu ihr und der Band an die Bar setzen. Die skurrilen Erzählungen füllen mühelos einen ganzen Theaterabend. Während die Schauspielerin das eigene Leben mit den Geschichten der Mitreisenden abgleicht, verleiht sie ihren Gefühlen und Gedanken mit live gesungenen Songs Ausdruck, die von den Beatles bis zu den Dire Straits, von Tina Turner bis Friedrich Holländer, vom Country-Klassiker bis zum Volkslied reichen. Unterstützt wird Juliane Schwabe bei dieser musikalischen Reise von den Multiinstrumentalisten Erik Biscalchin und Micha Schlüter.

Mit bittersüßem Humor und entlarvend genauem Blick für die tragikomischen Details des Lebens blättert der vielfach ausgezeichnete Liedermacher, Kabarettist und Autor Ringsgwandl in »Die Donauprinzessin« die sozialen und seelischen Abgründe einer Künstlerbiografie auf. Analog zu Tschechows Nina erfährt auch Georg Ringsgwandls Schauspielerin am eigenen Leib, dass in der Kunst »nicht der Ruhm, nicht der Glanz die Hauptsache ist, sondern die Fähigkeit zu dulden. Wenn ich an meinen Beruf denke«, so lässt es Tschechow seine Nina formulieren, »habe ich keine Angst mehr vor dem Leben.« Georg Ringsgwandls musikalisch-heitere Dampferfahrt des Lebens wird von der Regisseurin Luise Leschik, die zuletzt Nick
Hornbys »NippleJesus« in Heilbronn inszeniert hat, am 5. Januar 2024 im Salon3 zur Uraufführung gebracht.

Der bayerische Ausnahmekünstler und musikalische Tausendsassa Georg Ringsgwandl (*1948) hat sich als »Karl Valentin des Rock’n’Roll« mit seinen literarisch-skurrilen Liedtexten einen Namen gemacht, wofür er u. a. mit dem »Salzburger Stier«, dem Deutschen Kleinkunstpreis und dem Bayerischen Kabarettpreis in der Kategorie Musik ausgezeichnet wurde. Neben zwölf Alben veröffentlichte er mehrere Theaterstücke und Erzählungen. 2023 erschien sein erster Roman »Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris« über Glanz und Grusel des Rock’n’Roll. Aktuell ist er gemeinsam mit seiner Band mit dem Programm »Arge Disco« auf Tour in Deutschland und Österreich.

Zur Stückseite von »Die Donauprinzessin« (UA) gelangen Sie HIER

Cosmic A* — Mythologische Körperbilder vereint mit gesellschaftspolitischer Reflexion

Im März 2020 war Charlie Prince als Artist in Residence am Theater Heilbronn zu Gast und hat sein Tanzstück »Cosmic A*« entwickelt. Es wird nun als Deutsche Erstaufführung bei der diesjährigen Ausgabe von »Tanz! Heilbronn« zu sehen sein. Der libanesisch-kanadische Künstler begibt sich auf die Suche nach Darstellungsweisen einer arabischen Identität – jenseits von Vorurteilen und äußeren Zuweisungen. Prince selbst ordnet das Stück dem Arab-Futurismus zu – einer relativ neuen, selbstbewussten künstlerischen Bewegung. Dabei gibt er aber zu bedenken, dass es nicht die eine arabische Identität gibt.

»Cosmic A*« von Charlie Prince, Foto: Paul Sixta

Aufgewachsen in einem Dorf in den Bergen Libanons emigriert der damals 10-jährige Charlie Prince 2001 mit seiner Familie nach Kanada. Wenige Jahre später zieht die Familie wieder in den Libanon und als 16-Jähriger kehrt Prince zurück nach Kanada. Er studiert Musik, klassischen und zeitgenössischen Tanz in Montreal. Stets ist er konfrontiert mit der Frage nach Herkunft und Tradition. Und in Europa, wo er heute lebt, trägt sein Körper noch immer die Schwingungen seiner Heimat in sich. Durch die Unruhen im Libanon, der kurz vor dem Staatsbankrott stand, kam Charlie Prince 2019 die Idee zum Titel seines Stücks: Cosmic A*. Der Titel bezieht sich im kosmischen Sinn auf Alles und auf Nichts. Im Libanon sah Prince viele junge Menschen, die sich gegen das korrupte System auflehnten, »sah ihre Kraft, die Freude, den Zorn und wie Körper sich vermischen«, erzählt er in einem Interview mit der Heilbronner Stimme vom 20. März 2020.

Prince erschafft Körperbilder, die an Zentauren und hybride Fabelwesen erinnern.
Fotos: Paul Sixta

Sein Körper wird in »Cosmic A*« zu einem archäologischen Raum, der sich an Ausgrabungen beteiligt. Er taucht ein in eine imaginierte Mythologie und erschafft Körperbilder, die an Zentauren und hybride Fabelwesen erinnern. Mit seiner choreografischen Arbeit will Prince die Vergangenheit aus der Gegenwart wiederherstellen, um so Zukunft zu schaffen. Begleitet werden seine Bewegungen auf der Bühne durch den Live-Percussionisten Joss Turnbull, der mit traditionellen arabischen Instrumenten wie der Zarb und elektronischer Verfremdung dichte zeitgenössische Klänge erzeugt.

Entstanden ist ein beeindruckender Tanzabend, den ihr am 18. Mai 2022 um 19:30 Uhr im Komödienhaus erleben könnt. Tickets für »Cosmic A*« gibt es auf unserer Webseite und an der Theaterkasse.

Die Wunderkammer des Zeitreisenden

Als 1895 H.G. Wells‘ »Die Zeitmaschine« erschien, herrschte in England das viktorianische Zeitalter, die industrielle Revolution ließ Großbritanniens Wirtschaft aufblühen, das Land galt als Vorreiter in Sachen Technologie. Die Fortschrittsgedanken prägten natürlich die Geschichte und die Idee, in der Zeit zu reisen. Heute gilt der Science-Fiction-Klassiker als ein Schlüsselwerk zur Entstehung des Steampunk, der in seiner Ästhetik das Viktorianische England aufgreift.
Das findet sich auch im Bühnenbild von Ausstatter Daniel Unger in der Inszenierung von Brian Bell wieder.

Hier steht die Sammlung des Zeitreisenden noch im Malersaal.

Der Raum, in den der Zeitreisende sein Publikum einlädt, ist von dieser Epoche geprägt. Ausstatter Daniel Unger hat ihm ein Laboratorium im Stil einer Wunderkammer gegeben. Der Zeitreisende ist ein Suchender und Forschender, den die Neugier antreibt, zu wissen, wohin sich die Menschheit entwickelt und wie sie entstanden ist. Eingerahmt wird der Raum von Regalen, in denen zahlreiche wundersame Objekte stehen, die auf seinen Forschungsdrang hindeuten, seinen Willen, die Menschheit zu verstehen, widerspiegeln. Er ist umgeben von einer Sammlung, die Biologie, Evolution, Anthropologie und andere Kulturen abbildet, mit denen der Zeitreisende die Entwicklung der Menschheit erforscht – kombiniert mit Maschinen, mechanischen Konstruktionen, die auf seinen Erfindergeist verweisen. Viele dieser Objekte konnte die Requisitenabteilung aus dem Fundus beisteuern. Was Requisiteurin Silke Bertsch dort nicht finden konnte, hat sie eigens in liebevoller Handarbeit hergestellt. So sind eigentümliche Maschinen und Objekte entstanden, deren Funktion geheimnisvoll bleibt. Für Freunde des Steampunk ist es eine Freude, die Objekte zu betrachten, die der Zeitreisende um sich versammelt. Eine schöne Reminiszenz an dieses Kunstgenre.

Die Sammlungsobjekte des Zeitreisenden.

Doch Daniel Unger hat mit der Wunderkammer nicht nur ein wundersames Sammlungskabinett geschaffen, sondern sie auch mit ihrer Wandlungsfähigkeit zu einer solchen gemacht. Denn hinter den Regalen befindet sich eine andere Realität, die an dieser Stelle noch nicht verraten werden soll.

Was sich hinter den Regalen verbirgt und wie das Ensemble in der Zeit vor- und zurückreisen wird, dass seht ihr ab dem 19. März bis 16. April 2022 im Komödienhaus.

Karten gibts es unter Die Zeitmaschine (UA) | Theater Heilbronn (theater-heilbronn.de)

Gemeinsam in die Zukunft spielen – experimenta und Theater Heilbronn richten gemeinsam ein Festival aus

Was haben Wissenschaft und Theater gemeinsam? Wie können sie sich gegenseitig befruchten? Das sind die Fragen, aus denen sich das Heilbronner Festival »Science & Theatre« entwickelt hat. Zum zweiten Mal laden experimenta und Theater Heilbronn vom 17. bis zum 21. November zum Forschen, Entdecken und Staunen ein.

Sechs ganz unterschiedliche Inszenierungen zeigen, was die Bühnenkunst aus und mit Wissenschaft alles anstellen kann: Ein bekannter Autor lässt von sich selbst ein Roboter-Double anfertigen, das in einem Stück auftritt. Zwei Schwestern sehen in Künstlicher Intelligenz die Lösung ihrer persönlichen Pflegeprobleme. Kuriose Maschinen machen in der lustvollen Performance einer niederländischen Gruppe Musik »auf Kollisionskurs«. Oder bei einer spannenden Mitmachaktion erfahren Kinder, was Zucker in ihrem Körper so alles auslösen kann. Und ein knallbunter Bühnencomic wirft einen ebenso skurrilen wie gruseligen Blick in die Zukunft.

»Schwarze Schwäne« von Christina Kettering ist das Gewinnerstück des ersten Autorenwettbewerbs »­Science & Theatre« des Jahres 2019, den das Theater Heilbronn ausgelobt hatte und wird nun im Science Dome der experimenta uraufgeführt.

In die Zukunft richtet sich auch der Dramenwettbewerb, der Teil des Festivals ist: Am 21. November kann das Publikum bei den Szenischen Lesungen der drei Gewinnerstücke mitentscheiden, welches 2022 auf den Spielplan kommt. Im Augenblick laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, einen Vorgeschmack auf das Festival liefern aber schon die Trailer auf unserer Homepage. Freuen Sie sich auf fünf prall gefüllte Tage, die Kopf, Herz und Bauch – das Team der experimenta hat auch Science Häppchen vorbereitet – zugleich ansprechen werden!

Hier gibt’s weitere Infos zu den einzelnen Programmpunkten:

»Schwarze Schwäne« (UA) von Christina Kettering
»Uncanny Valley / Unheimliches Tal« von Rimini Protokoll
»Ramkoers« von der Muziektheatergroep BOT
»Auf Zucker – ein Selbstversuch in sieben Süßigkeiten« vom Fundus Theater – Theatre of Research
»Die Mondmaschine« von Mass & Fieber OST
»The Last Mortal« von half past selber schuld
Dramenwettbewerb »Science & Theatre«
Podiumsdiskussion »Künstliche Intelligenz und Theater«

From Minsk to Minsk is quite a journey

Der Weg zu einer Uraufführung

Sechs Wochen sind vergangen zwischen dem ersten Blogartikel über die Uraufführung der Oper „Minsk“ und der Premiere am 3. März im großen Haus. Sechs Wochen Zeit hatten die Werkstätten, das Regieteam, die Schauspieler und die Musiker des Württembergischen Kammerorchester Heilbronn seit der Konzeptionsprobe um die von Ian Wilson uminstrumentierte Kammeroper auf die Bühne zu bringen. Eigentlich für das Festival in Feldkirch mit traditionellen Instrumenten geplant, wurde sie in Heilbronn in einer Fassung für Streichorchester und Schlagzeug uraufgeführt. Die musikalische Leitung hatte Ruben Gazarian, Regie führte Christian Marten-Molnár, der bereits in Flensburg „Hamelin“, eine frühere Oper Wilsons inszenierte.

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Minsk or elsewhere*

Im Blog haben wir die Entwicklung der Oper intensiv begleitet. Dabei haben wir uns zuallererst dem Thema „Heimat und Heimatlosigkeit“ genähert. Wir haben erforscht, wie russische Migranten heute in London leben und in welchem Umfeld die Oper spielt. Das Württembergische Kammerorchester hat das Thema gemeinsam mit SchülerInnen der Wartbergschule in Heilbronn mit Filmarbeiten untersucht, die Orte der Heimat und des Fremdseins in Heilbronn dokumentieren.

Außergewöhnlich viele Details zur Inszenierung wurden bereits vor der Premiere im Blog verraten. Mit Beginn der Probenarbeiten haben wir bereits das Bühnenbild als Modell und im Werkzustand vorgestellt. Der Ausstatter Nikolaus Porz hat seine Idee im Videogespräch mit Dramaturg Johannes Frohnsdorf präsentiert. Wie die Anonymität Londons auf der Bühne entstehen soll, verraten bereits die grauen, gesichtlosen Masken, die die Statisten tragen. Kurz vor der Premiere haben wir mit der jungen Regieassistentin und Abendspielleiterin Lara Schüßler über die Wirkung der Oper auf eigene Zukunftsentscheidungen gesprochen.


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There is one way to be shure

Durch diese Offenheit wurde es erst möglich, dass wir am 16. Februar den ersten Tweetup eines Stadttheaters in Deutschland im Rahmen einer Probe zur Oper „Minsk“ veranstalteten. Rund 30 theaterbegeisterte Twitterer hatten die Möglichkeit zwei Wochen vor der Premiere Einblicke in das Zusammenspiel von Bühnenbild, Schauspiel und Musik zu bekommen und diese mit der Öffentlichkeit zu teilen.

Sechs Wochen Probenzeit gehen schnell vorbei. Mit Spannung wurde die Premiere am 3. März im vollbesetzten großen Haus erwartet. Zum ersten Mal war die von Wilson auf das Libretto von Lavinia Greenlaw komponierte Musik zu hören, die sich frei von Stilzwängen bewegt. Frieder Reininghaus beschreibt ihre Bestandteile im Deutschlandradio  „wie vom Neoklassizismus inspiriert, andere von locker eingewobener Minimal music (…)“. Des Weiteren berichteten die Neue Musikzeitung, die Heilbronner Stimme, die Ludwigsburger Kreiszeitung und die Fränkischen Nachrichten begeistert über die Uraufführung.

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I’m not a version, I am you

Die Kammeroper Minsk ist im großen Haus nochmals am 21. und 22. März zu erleben. Johanna Greulich spielt die energiegeladene 20-jährige Anna, von allen Anoushka genannt, Ksenija Lukic spielt die in London lebende Anna und Niklas Romer den Geliebten Fyodor.

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Johannes Pfeffer

*Zitate aus dem Libretto

-› Minsk wird gefördert vom British Council und Pro Helvetia ‹–

Lavinia Greenlaw, die Librettistin der Oper „Minsk“

Die Librettistin Lavinia Greenlaw und den Komponisten Ian Wilson verbindet eine lange Freundschaft, seit er sie bat, den Titel eines ihrer Gedichte für ein Musikstück verwenden zu dürfen. Die Oper „Minsk“ ging hervor aus einem Gedicht von Lavinia Greenlaw, das den Titel „Minsk“ trägt und das in dem gleichnamigen Gedichtband Greenlaws zu finden ist. Das überraschende und konfliktträchtige Auftauchen von Orten oder Zeitpunkten in der Erinnerung ebenso wie die Reise, ob als reale Erfahrung oder Metapher, sind Themen, die diesen Gedichtband durchziehen.

Die Librettistin Lavinia Greenlaw ist eine englische Schriftstellerin, vor allem Lyrikerin. Ihr Gedichtband „Minsk“ war nominiert für die drei großen Literaturpreise für englischsprachige Lyrik, den Forward Prize, den T. S. Eliot und den Whitebread Prize. Die Verbindung von gedanklicher Einkehr und Auseinandersetzung mit sich selbst in der anonymen Umgebung der Massenverkehrsmittel hat Greenlaw mehrmals verarbeitet, zuletzt 2011 in einer Klanginstallation namens „Audio Obscura“. „Audio Obscura“ präsentiert Lyrik in der Umgebung eines belebten Bahnhofs. Aus dem Teppich der Betriebs- und Verkehrsgeräusche tauchen Stimmen auf, die Gedichte sprechen, Gedanken, wie sie Menschen auf solch einem Bahnhof haben könnten. Über sich selbst verrät sie, dass sie früher oft  mit den Gedanken woanders war, und dass sie über ihre Arbeit als Schriftstellerin ein anderes Verhältnis zu sich selbst und ihrer Umwelt entwickelt habe.

Lavinia Greenlaw Foto: Julian Abrams
Lavinia Greenlaw
Foto: Julian Abrams

Mit dem Schreiben fing sie in ihrer Jugend an, zum Beruf wurde es aber erst, als ihr Kind zur Welt kam.1993 erschien bei dem Verlag Faber & Faber, bei dem sie eine Ausbildung machte, ihr erster Gedichtband „Night Photograph“. Zuvor studierte Greenlaw Moderne Kunst und Verlagswesen und erwarb einen Master in „Kunstgeschichte des 17. Jahrhunderts“. 1994 wurde Greenlaw freischaffende Schriftstellerin.

Ihre Gedichte, die von großer Musikalität sind, bringt sie mit einfachen Mitteln zum Klingen. Klar definierbare Bedeutung kriegt man in diesen Texten kaum irgendwo zu fassen. Bedeutung oszilliert als Vieldeutigkeit oder verschiebt sich unter der Hand. Doch diese Gedichte provozieren wiederholtes Lesen, einen langsamen Prozess des Zusammensetzens, des Nachdenkens, und sie erzeugen ungeheuer kraftvoll Stimmungen und Atmosphäre. Dabei verbindet Greenlaw den subjektiven Blickwinkel der Wahrnehmung und Reflexion mit Elementen aus kollektiven Wissenssystemen wie Naturwissenschaften (Medizin, Geographie, Astronomie) oder Geschichte. Häufig verarbeitet Greenlaw in ihren Texten auch Bruchstücke aus ihrer eigenen Biographie. Unter anderem flossen Erfahrungen aus ihrer Jugend als einziger Punk in einer Kleinstadt in ihr Schreiben ein. Greenlaw gilt als Meisterin der atmosphärischen Beschreibung von Landschaft und Licht und ist geprägt von Eindrücken aus ihrer Jugend in Essex. Wahrnehmung und Interpretation des Wahrgenommenen ist auch ein zentraler Ansatz für das Schreiben Greenlaws, und dafür wiederum spielt das simple Faktum eine Rolle, dass Greenlaw eine starken Sehfehler hat. Die Dichterin verrät:

„Ich war ein kurzsichtiges, geistig abwesendes Kind, das immer gegen das Problem anrannte, wo es sich befand, was es anschaute, was es vor sich hatte: ‚Ich kann nicht sehen, ich kann mir keinen Begriff machen.‘ Mich hat immer der Moment interessiert, in dem wir versuchen, die Dinge zu bestimmen. Als ich begriff, dass das Sehen zur Hälfte mit dem zu tun hat, was physisch da ist, und dass die andere Hälfte davon abhängt, was man zu sehen erwartet, war ich fasziniert. Astronomen sehen in den Weltraum und sehen einen Haufen Sterne und sagen „Sieht aus wie ein Krebs“. Also nennen sie ihn „Krebs-Nebel“.

Neben ihren vier Gedichtbänden veröffentlichte Greenlaw auch Essays über Literatur, Naturwissenschaften, die Bedeutung von Popmusik in der Jugend, über  zwei Romane und Bearbeitungen bekannter Prosawerke für das Radio (Hesses Glasperlenspiel und V. Woolfs Night and Day). Als Librettistin arbeitete sie nicht nur mit Ian Wilson zusammen, sondern auch mit Richard Ayres an dessen Peter-Pan-Oper, die für die Staatsoper Stuttgart, die Komische Oper Berlin und die Welsh National Opera entstand. Sie war sie Writer in Residence am Londoner Science Museum und Poet in Residence beim schottischen StAnza Literatur-Festival. Lavinia Greenlaw lehrt seit einigen Jahren an der University of East Anglia Kreatives Schreiben.

Lavinia Greenlaws Sprache als Lyrikerin fließt auch in die Oper „Minsk“ ein. Hier gibt es einige rätselhafte Formulierungen, die wiederkehren und die man erst allmählich im Laufe des Abends entschlüsseln kann. So stellen Anna und Anoushka fest:

„Answers do not lie around like books unread, like bodies under beds, my life is yet unread.“

also etwa: “Antworten liegen nicht herum wie nicht gelesene Bücher, wie Leichen unter Betten, noch ist mein Leben nicht gelesen bzw. ist mein Leben unverstanden.“

Dies ist der zweite Teil der Reihe über die Oper „Minsk“ ihre Entstehung, die Librettistin und den Komponisten. Der erste Teil erschien hier im Blog.

Johannes Frohnsdorf

Die Entstehung der Oper „Minsk“ und ihr Komponist Ian Wilson

Entstehungsgeschichte der Oper

Die Librettistin Lavinia Greenlaw und den Komponisten Ian Wilson verbindet eine langjährige Zusammenarbeit. Die beiden schrieben vor „Minsk“ bereits die Kammeroper „Hamelin“, deren Uraufführung Christian Marten-Molnár 2003 in Lübeck inszenierte. Die für 2007 geplante Uraufführung von „Minsk“ beim Feldkirchfestival konnte allerdings nicht zustande kommen. Christian Marten-Molnár holte die Uraufführung nach Heilbronn.

Um die Oper hier mit dem Württembergischen Kammerorchester aufzuführen, war es allerdings nötig die Partitur zu bearbeiten. Die ursprüngliche Besetzung ist viel kleiner gedacht und umfasst Instrumente wie Akkordeon, Trompete, Balalaika, Klarinette und Schlagzeug. Der Komponist Ian Wilson war jedoch bereit, die Partitur für Streichorchester anzupassen. In gewisser Weise, sagt Wilson, hat die Bearbeitung sogar Vorteile gegenüber der Originalpartitur, nicht nur weil 20 Streicher einen großen Theaterraum gut füllen, sondern auch weil eine Art Verfremdung, eine Indirektheit entsteht. Die Streicherfassung erzeugt die Klangfarben der Originalbesetzung mit den Mitteln des Streicherklangs,  das wiederum sieht Ian Wilson als eine gute Entsprechung zum Traum, der ja eine andere Sphäre von Wirklichkeit ist und in dem sich die Oper hauptsächlich abspielt.

„Es war eine interessante Erfahrung, sich wieder mit einem Stück zu beschäftigen, das ich seit einigen Jahren nicht mehr angeschaut hatte. In gewisser Weise musste ich es wie ein historisches Artefakt behandeln, wie etwas, dessen Charakter ich bewahren musste. Sogar wenn ich versuchte, alles umzuändern, versuchte ich eigentlich, alles so zu belassen, wie es war, wenn Sie verstehen, was ich meine. Als ich damit begann, die Originalpartitur in eine Partitur für Streichorchester zu übersetzen, musste ich vielmehr Aufteilungen in den Streichern vornehmen, als es normalerweise gibt – Aufteilungen der verschiedenen Stimmen aber auch in Bezug auf die Klangfarbe. In dieser neuen Fassung tauchen in den Streichern verschiedene Farben gleichzeitig auf. Streichorchester schaffen normalerweise einen wunderschönen homogenen Klang, in dem nur ein oder zwei Klangfarben gleichzeitig vorkommen. Ich musste bei Minsk etwas anderes tun, damit die Musik so funktioniert, wie ich es wollte.“

Der Komponist Ian Wilson

Ian Wilson wurde im nordirischen Belfast geboren und lebt heute im irischen Cork. Zu komponieren begann er erst während seines Musikstudiums. Wilson lernte als Kind Geige und Klavier und trat später in einer Rock-Gospel-Band auf die den schönen Namen „Night Watch“ trug. Dort schrieb er die Lieder, sang und spielte Gitarre. Im Laufe des Studiums wurde dann die Beschäftigung mit Neuer Musik ernsthafter und die Bandaktivitäten mussten zurückstehen.

IAN WILSON  photo credit: Steve Rogers
IAN WILSON
photo credit: Steve Rogers

Wilson beschreibt sich selbst als einen spätberufenen Komponisten, der sich langsam entwickelte. Allerdings hat er inzwischen, mit nicht einmal 50 Jahren, die sehr beachtliche Zahl von über 130 Werken vorzuweisen. Wilson schreibt für die verschiedensten Besetzungen. Musiktheaterwerke (nicht alles Opern, auch experimentelle), Orchesterstücke, Konzerte für Klavier, Orgel, Saxophon, Cello und Marimba, Kammermusikstücke, Werke für Sologesang und für Chor, aber auch Stücke mit elektroakustischen oder elektronischen Mitteln. Wilson gehört nicht nur im Vereinigten Königreich und Irland, sondern international zu den etablierten Komponisten Neuer Musik.

Wilson sieht Stil nicht als etwas, wodurch man einen Künstler einordnen und wiedererkennen kann. Ebensowenig will er sich auf eine bestimmte Kompositionstechnik festzulegen und sozusagen deren Grammatik immer wieder zu reproduzieren. Ian Wilson sagt, er gehe jede Partitur aufs Neue an und versuche eine eigene musikalische Sprache für ein Stück zu entwickeln. Minsk kann deshalb auch nicht für das Werk Wilsons insgesamt oder für eine Gruppe seiner Werke stehen.

Impulse für seine Arbeit bezieht Wilson unter anderem aus Kunstwerken von Klee, Miro, Jackson Pollock oder Giacometti, aber auch aus Landschaftseindrücken, der Bibel und seinem christlichen Glauben.

Jungen Komponisten gibt er den Hinweis auf den Weg: „Probiert viel aus, schreibt aber am Ende die Musik, die Ihr Euch gern anhört.“ Er selbst erklärt, dass er das Abwaschen genieße, weil es eine Zeit sei, in der er eine andere Musik als Neue Musik hören könne. Er ist ein großer Fan von Radio Head.

Dies ist der erste Teil einer zweiteiligen Reihe über die Entstehung der Oper „Minsk“, ihren Komponisten und die Librettistin. Der zweite Teil erscheint in einigen Tagen im Blog.

Johannes Frohnsdorf

Sind wir nicht alle ein bisschen Schatzsucher?

»Die Schatzsucher« von Anna Katharina Hahn als Uraufführung in den Kammerspielen

Die Schatzsucher Foto: Fotostudio M42
Die Schatzsucher
Foto: Fotostudio M42

Anna Katharina Hahn ist eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen unser Zeit. Jeder Erzählband, ob »Sommerloch« oder »Kavaliersdelikt«, ist des Lesens wert, jeder Roman, ob »Kürzere Tage« oder »Am schwarzen Berg« ist ein literarischer Glücksfall. Vielfach wurde Anna Katharina Hahn mit Preisen ausgezeichnet, hoch gelobt von Presse und Kritik. Sie vermag es, wie kaum eine zweite Autorin, in ihren Werken Lebensgefühl und Zeitgeschehen extrem zu vergegenwärtigen. In vielen Rezensionen wird ihr ein »literarischer Röntgenblick« nachgesagt, der bis in die Abgründe der Figuren vordringt und diese schonungslos wie liebevoll an die Oberfläche bringt.
Anna Katharina Hahn ist am Theater Heilbronn längst keine Unbekannte mehr. Bereits im Frühjahr 2010 schrieb sie für unser Haus ihr erstes eigenständiges Theaterstück »Die letzte Stufe« mit Ingrid Richter-Wendel in der Rolle der Lina Eisele. Am 28. Februar 2013 wird nun eine weitere Auftragsarbeit am Theater Heilbronn als Uraufführung in der Inszenierung von Intendant und Regisseur Axel Vornam Premiere feiern: »Die Schatzsucher«. In ihrer »Komischen Tragödie« führt uns die in Stuttgart lebende Anna Katharina Hahn in eine Reihenhaussiedlung am Rande einer Großstadt. Ein älteres Ehepaar, Tom und Elli, plagen finanzielle Nöte – er ist einfacher Angestellter, sie hat ihren Job »zwischen Regalen voller Waschpulver, Seife, Badeschaum« verloren. Die Angst, die monatlichen Raten für das Haus nicht mehr bezahlen zu können, bringt sie um den Schlaf. Deshalb versuchen die zwei das Kinderzimmer ihrer Tochter Tilli zu vermieten. Diese studiert weit weg von Daheim, hat lediglich Erinnerungen und einen von ihr liebevoll gehegten und gepflegten Pfirsichbaum zurückgelassen. Endlich kommt ein junger Mann, der, im Gegensatz zu anderen Interessenten, an Lage und Ausstattung des Zimmers nichts auszusetzen hat. Er beginnt, dem Paar eine »Wahrheit« nach der anderen aufzutischen und systematisch deren Leben durcheinander zu bringen. Die anfängliche Befangenheit dem neuen Mitbewohner gegenüber schlägt bald in Begeisterung um. Nicht nur, dass Elli und Tom glauben, unter ihrem Garten sei ein Schatz versteckt und sie auf der Suche nach diesem sogar den töchterlichen Pfirsichbaum fällen, der junge Mann bringt die beiden dazu, ihren vielleicht ureigensten Sehnsüchten nachzugehen und unabhängig voneinander die Koffer zu packen, mit dem Willen, den anderen zu verlassen.
In »Die Schatzsucher«beschreibt Anna Katharina Hahn die idyllische Wohnwelt des Bildungsbürgertums als verstörendes, gar bedrohtes Gefilde, als Bühne subtiler Psychodramen, immer mit wenigen Worten, aber einer großen Portion Humor. Ina Hartwig bringt es 2010 in ihrer Laudatio anlässlich der Verleihung des Roswitha-Preises an Anna Katharina Hahn auf den Punkt: »Ihr Blick auf Milieus ist liebevoll und böse, klug und hart, vor allem ist er genau. So genau, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt.«

Stefanie Symmank

Nächste Spieltermine:
Do. 28.02.2013 20.00 Uhr, PREMIERE, (AUSVERKAUFT)
Do. 07.03.2013 20.00 Uhr
Do. 28.03.2013 20.00 Uhr

Anonym in einer Stadt mit 8 Millionen Fremden

Anna verlässt ihre Heimatstadt Minsk mit großen Erwartungen um nach London zu gehen, wie viele andere ihrer Generation aus Osteuropa. In den 1970er Jahren lebten in London rund 100 Menschen russischer Herkunft. Im Dezember 2006 waren es bereits 300.000. London ist eine der multikulturellsten Städte Europas. Nur rund 44% der Bevölkerung sind weiße Briten. Viele Einwanderer leben mittlerweile in der zweiten oder dritten Generation in Großbritannien, dennoch sind 33% der Einwohner Londons nicht in GB geboren.

Chris McKenna (Thryduulf) [CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Chris McKenna, via Wikimedia Commons
Auch die junge Anna, genannt Anoushka, verlässt ihre Heimat mit 20 Jahren. Die Oper setzt ein, als Anna 40 Jahre ist. Sie fährt mit der Circle Line durch den Stadtbezirk Tower Hamlets. Ein Bezirk, in dem sehr viele Einwanderer aus Indien, Pakistan und Bangladesh leben. Wie einige andere Ethnien haben sie ganze Stadtviertel bevölkert und leben dort unter ihresgleichen. Die russischen Zuwanderer sind über die gesamte Stadt verteilt, sie leben eher anonym und weit voneinander entfernt. Erst in jüngster Zeit beginnen sie sich zu kulturellen Veranstaltungen und in Clubs zu treffen, entstehen russische Geschäfte und Restaurants.

Die Aussicht auf Freiheit, die beruflichen Chancen und die Gerechtigkeit des Systems locken viele aus der ehemaligen Sowjetunion nach London. Entweder sie sind bereits in Russland zu Reichtum gekommen und ziehen dann mit ihren Familien nach London um dort das Geld auszugeben. 60% der Wohnungen in London, die über 20 Millionen Dollar kosten werden von russischen Auswanderern erworben. Dadurch hab sie, gemeinsam mit Neureichen aus Asien und arabischen Ländern, die Immobilienpreise, in den letzten Jahren massiv in die Höhe getrieben.

Anna gehört zur anderen Gruppe der Studenten und Intellektuellen, die die Freiheit schätzen und in Großbritannien den Wohlstand suchen. Die guten Chancen haben viele von ihnen genutzt. Wer es sich leisten kann, fliegt zum Arbeiten nach Russland und am Wochenende zur Familie nach London. Zurückkehren in die alte Heimat werden die wenigsten. Nicht zuletzt deshalb ist London auch als „Londongrad“ oder „Moscow-on-the-Thames” bekannt.

Quellen:

Aufführungstermine der Oper „Minsk“

  • So. 03.03.2013 19.30 Uhr, Uraufführung
  • Mi. 06.03.2013 19.30 Uhr
  • Do. 21.03.2013 19.30 Uhr
  • Fr. 22.03.2013 19.30 Uhr

 Johannes Pfeffer, Praktikant in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit

Multitaskingtalente sind die ersten, die Teile aus Minsk sehen

„Es ist gut, dass die Szene in der Probe zweimal gespielt wurde“, stellt ein Teilnehmer des Kultup am 16. Februar im Theater Heilbronn fest. In der Tat bedarf es flinker Smartphonebedienung und etwas Multitaskingtalentes um im Twitterstrom mitzuhalten und gleichzeitig der Probe zu „Minsk“ zu folgen. Da war es gut, dass Regisseur Christian Marten-Molnár und Dramaturg Johannes Frohnsdorf die twitternden Kulturfans mit ihren Erläuterungen zur Inszenierung unterstützten.

Twitterstatisten bei Minsk
Twitterstatisten bei Minsk

Ein Kultup wie dieser zeigt, dass auch eifrige Twitterer die Gelegenheiten gerne nutzen sich offline zu treffen um gemeinsam eine Opernprobe zu sehen. Rund 30 theaterbegeisterte Twitterer nicht nur aus Heilbronn sind gekommen, um Einblicke in das Entstehen einer Uraufführung zu bekommen, von der weder Musik noch Bühnenbild bisher öffentlich zu hören und zu sehen waren. Dazu eine Oper, deren Thema der Heimatsuche in eine Stadt wie Heilbronn passt. Im begleitenden Videoprojekt „Dasein: Heilbronn“ filmen Schüler der Wartbergschule Orte der Heimat und des Fremdseins in Heilbronn. Mitglieder des Württembergischen Kammerorchesters, das bei den Aufführungen im Orchestergraben sitzt, spielen live dazu die gemeinsam ausgesuchte Filmmusik.

@bb_wortgewandt
@bb_wortgewandt

In der Kultup-Probe bekamen die Twitterer die erste Szene der Oper Minsk zu sehen, in der Anna in der sterilen Kulisse der Londoner U-Bahn einschläft und meint ihren ehemaligen Geliebten Fyodor dort wiederzusehen. Noch war das Licht nicht eingerichtet und die Kostüme nicht fertig, aber die Anonymität dieses Ortes bereits zu spüren. Diese Wirkung unterstreicht die Musik von Ian Wilson, die auch vom Klavier gespielt bereits eindrucksvoll Annas Gefühle nachfühlen lässt.

Aus der Probe twittern ist, als würde man gleichzeitig während der Probe in einer großen Runde diskutieren. Und so entwickelten sich über die Smartphones und Tablets sowohl Gespräche über die Wirkung des Stückes und des Bühnenbildes, als auch über Probenoutfits und die in der Probe anwesenden Kamerateams. Überhaupt spielte das Zusammentreffen klassischer Medien und der „Neuen Medien“ auch in den anschließenden Gesprächen eine große Rolle. Denn obwohl alle Twitterer öffentlich twittern, scheinen sie dennoch eher kamera- und radioscheu zu sein. In den rund 350 Tweets während der Probe war von der Zurückhaltung nichts zu lesen. Nach einiger Zeit schalteten sich auch die Twitterer außerhalb des Theaters ein, die den Kultup verfolgten; sie kommentieren die Eindrücke der Teilnehmer und wünschen sich einen Live-Stream um auch die Musik zu hören.

Marcus Kohlbach, Twitter @Insel42
Marcus Kohlbach, Twitter @Insel42

Trotz aller digitalen Information ist der analoge Austausch auch für Twitterer noch wichtig, und so endete der Kultup in der Theaterkantine, bei der Diskussion, welche Chancen ein solches Format bietet, und ob es denkbar ist, auch aus regulären Vorstellungen zu twittern. Trotz der spannenden und positiven Erfahrungen beim Kultup im Theater Heilbronn, wird in regulären Vorstellungen zugunsten der Aufmerksamkeit und den Schauspieler zuliebe vorerst das Smartphone ausgeschaltet bleiben.

Pressestimmen

Und hier die ersten Blogbeiträge zum Kultur Tweetup:

Wir danken Ulrike Schmid und Birgit Schmidt-Hurtienne von Kultup für die gute Zusammenarbeit

 Zum ersten Mal bei einem Kultup war auch der Autor Johannes Pfeffer, Praktikant in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit