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THEATERKASSE
Berliner Platz 1
74072 Heilbronn
Tel. 07131.56 30 01 oder 56 30 50 kasse@theater-hn.de
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Die Holzbildhauerei war auch eine Option. Sarah Finkel ist offenbar eine vielseitig begabte junge Frau. Sie solle ihre tolle Stimme nutzen und diese beruflich einsetzen – zum Beispiel beim Radio, rieten ihr die einen. Auf keinen Fall dürfe sie ihre künstlerisch-kreative Ader verkümmern lassen, meinten die anderen. Also probierte sie erst einmal die bildende Kunst und studierte Holzbildhauerei in dem schönen Ort Oberammergau.
Sarah Finkel als No in »No und ich« (Foto: Thomas Braun)
»Es hat Spaß gemacht. Aber irgendwas hat gefehlt«, sagt die junge Frau mit der dunklen Lockenmähne. Während ihrer Schulzeit in Landshut hat sie Theater gespielt. Warum also nicht versuchen, das Kapital aus künstlerischer Ader und interessanter Stimme zusammen zu nutzen. »Ich habe dann beschlossen, es einfach zu probieren und an Schauspielschulen vorsprechen zu gehen«, erzählt Sarah Finkel. Es hat auf Anhieb geklappt an der Athanor Akademie für Darstellende Kunst in Passau, wo sie von 2013-2017 ihre Schauspielausbildung absolvierte. »Da hatte ich meine innere Ruhe und mein Glück gefunden und das Gefühl richtig zu sein«, sagt die junge Frau. Ihre ersten Berufserfahrungen sammelte sie als freie Schauspielerin in Kurzfilmen und in mehreren Stückengagements am Theater Paderborn. Unter anderem entwickelte sie zum Thema 100 Jahre Frauenwahlrecht einen feministischen Schlagerabend über die Entwicklung der Rolle der Frau von 1919 bis 2019. »Wir sind in den 100 Jahren weit gekommen«, sagt sie, »aber wir dürfen uns nicht ausruhen.« Der Gesang ist ihre große Leidenschaft und der Einsatz für die Rechte der Frauen ein wichtiges, persönliches Anliegen.
Sarah Finkel als Jameelah in »Tigermilch« (Foto: David Klumpp)
Zwei Sommer lang spielte sie im Kulturmobil Niederbayern, einer professionellen Schauspieltruppe, die ganz den Ursprüngen des Schauspielerberufes verpflichtet ist: Die Schauspieler ziehen von Ort zu Ort und spielen dort für die Menschen abseits der Theaterzentren. Für den Sommer 2019 hatte sie ihr Engagement für das Kulturmobil bereits unterschrieben, als die Einladung zum Vorsprechen aus dem Theater Heilbronn kam. Sarah Finkel überzeugte die Heilbronner Theaterleitung und saß in der Zwickmühle. Die Proben für ihr erstes Stück im Jungen Theater liefen parallel zu denen für das niederbayerische Volksstück »Unkraut«, mit dem sie auf Tournee gehen wollte. Und während ihre neuen Kollegen des Heilbronner Schauspielensembles Sommerpause hätten, würde sie Abend für Abend in einem anderen Ort auf der Bühne stehen und spielen. Nix mit Erholung. »Aber wenn man seinen Vertrag unterzeichnet hat, dann lässt man die Kollegen nicht im Stich«, beschloss Sarah Finkel und stellte mit dieser Entscheidung schon mal eine der wichtigsten Tugenden eines Schauspielers unter Beweis: absolute Zuverlässigkeit. Mit den Heilbronnern einigte sie sich, dass sie zeitversetzt zu ihren Verpflichtungen beim Kulturmobil proben konnte. Und so spielte sie den ganzen Sommer lang vor einem begeisterten Publikum und brach mit ihrer Truppe vom Kulturmobil alle Zuschauerrekorde. Kaum war der letzte Vorhang für »Unkraut« gefallen, startete sie in ihre erste Spielzeit im Festengagement am Jungen Theater Heilbronn.
Sarah Finkel als Jameelah in »Tigermilch« (Foto: David Klumpp)
Ein schönes Haus und ein guter Spielplan, das ist das erste, was ihr zum Theater Heilbronn einfällt. Alles andere will sie auf sich zukommen lassen und erst einmal spielen, spielen, spielen mit dem schönen Gefühl, ein zweijähriges Festengagement zu haben. »Mir ist klar, dass ich in diesen zwei Jahren im Jungen Theater kaum von der Bühne herunterkommen werde«, sagt Sarah Finkel. Ihren Einstand gibt sie als Nowlen, eine 18-jährige Obdachlose in dem Stück »No und ich« von Delphine de Vigan. Ein großartiges Stück, wie sie findet. Sehr aktuell, ohne moralischen Zeigefinger. Auch wenn sie das Gefühl von Obdachlosigkeit nicht kennt, fühlt sie sich ihrer Figur nahe, denn auch sie weiß, was es heißt, für das persönliche Glück zu kämpfen. Ihr Lebensmotto stammt von Samuel Beckett und lautet: »Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail Better.«
Ein Gespräch mit Dr. Mirjam Meuser über »Erinnerung ist Liebe zur Zukunft«
Aus Anlass des 30. Jahrestages des Mauerfalls widmet sich das Theater Heilbronn in einer ganzen Veranstaltungsreihe dem Thema Deutsche Einheit. Unter dem Titel »Erinnerung ist Liebe zur Zukunft« finden monatliche Lesungen, Gesprächsrunden und Filmabende in Kooperation mit dem Kinostar Arthaus-Kino statt. Inhalt aller Veranstaltungen ist es, gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen aus ihrem historischen Kontext heraus zu untersuchen. Kuratorin der Reihe ist Dr. Mirjam Meuser, Dramaturgin am Theater Heilbronn. Pressereferentin Silke Zschäckel hat sich mit ihr unterhalten.
Dr. Mirjam Meuser (Foto: Thomas Braun)
S.Z.: »Erinnerung ist Liebe zur
Zukunft« – ein sehr schöner, sehr poetischer Titel: Woher kommt er?
M.M.: Eigentlich ist das der
Titel eines Heiner-Müller-Interviews, nur leicht abgewandelt. Der Titel heißt
ursprünglich »Nekrophilie ist Liebe zur Zukunft«. Die Liebe zu den Toten, das
Ausgraben der Toten – das ist die Liebe zur Zukunft. Das ist ein Zentralmotiv
im ganzen Müller’schen Werk. Ich habe das umgewandelt in »Erinnerung ist Liebe zur
Zukunft«, damit es nicht ganz so morbid klingt. Und zum anderen gibt es in der
Geschichtswissenschaft das Teilgebiet der Erinnerungsforschung, und darauf
wollte ich mich beziehen.
S.Z.: Woher rührt dein Interesse
für dieses Thema – die Beschäftigung mit der deutsch-deutschen, insbesondere
auch mit der ostdeutschen Geschichte, obwohl du aus Bayern stammst?
M.M.: Zunächst mal liegt das an
meinem grundsätzlichen Interesse für Geschichte. Und dann ist es eine
Geschichte, mit der ich unmittelbar konfrontiert worden bin, weil ich während
meines Studiums in Berlin sehr viele Menschen aus Ostdeutschland kennengelernt
habe, unter anderem meinen Doktorvater. Der brachte mir Heiner Müller nahe, und
damit war es unweigerlich verbunden, dass ich anfing, mich mit der ostdeutschen
und der deutsch-deutschen Geschichte zu beschäftigen. Ich lernte einen ganz
anderen Blick auf die historische Vergangenheit kennen, als ich ihn in der
Schule erlebt habe oder als im Westen Geschichte reflektiert wurde. Da wurde
die ganze Historie des Sozialismus ausgespart, die gab es nicht – oder eben
erst ab 1989. In bin in meinem Literaturstudium komischerweise immer wieder bei
den ostdeutschen Professoren gelandet, ohne dass ich vorher wusste, dass sie
aus der ehemaligen DDR kommen. Und bei den Philosophen, die ich aus Ostdeutschland
kennengelernt habe, spielte das Lehren von Zusammenhängen eine größere Rolle
als beim Studium im Westen, wo das Vertiefen in einzelne Positionen und Autoren
wichtig war, weniger das Woher und das Wohin.
S.Z.: Nach welchen Aspekten hast
du die Reihe konzipiert? Welche Themen wolltest du unbedingt drin haben?
M.M.: Ich habe die Reihe nicht
allein konzipiert. Das war eine Gemeinschaftsarbeit, da sind Ideen vom gesamten
Leitungsteam dabei. Wir haben versucht,
verschiedene Themenschwerpunkte zu setzen. Es war klar, dass es eine
Auftaktveranstaltung geben soll, in der wir die letzten 30 Jahre noch mal
untersuchen. Eine Veranstaltung zum Wirken der Treuhand war Axel Vornam und Uta Koschel, die auch
mitgedacht hat, sehr wichtig. Für mich persönlich ist auch die
Geopolitik-Veranstaltung von Belang, weil ich möchte, dass wir das Thema in
einen größeren globalen Kontext stellen. Denn mit 1989/90 ist nicht nur die DDR
verschwunden, sondern auch die alte BRD. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks hat
ein massiver weltweiter Veränderungsprozess begonnen. Das kommt erst jetzt so
langsam im gesellschaftlichen Bewusstsein an. Und dann war mir auch wichtig,
die Vorgeschichte der friedlichen Revolution anzuschauen. Die kam ja nicht aus
dem nichts. Welche Entwicklungen haben eigentlich dazu geführt, dass am Ende
die Mauer aufging?
S.Z.: Hast du eine Veranstaltung,
auf die du dich ganz besonders freust?
M.M.: Ich freu mich auf die
erste, weil ich auf die unterschiedlichen Sichtweisen sehr gespannt bin. Wir
haben eine Frau auf dem Podium, Adriana Lettrari, Gründerin des »Netzwerks 3te
Generation Ostdeutschland«, die inzwischen in der Wirtschaftsberatung tätig
ist, außerdem den Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz und den Theatermann Axel
Vornam, die von Martin Sabrow, einem sehr profilierten Historiker befragt
werden. Ich glaube, das kann sehr spannend werden. Ich freue mich auch sehr auf
die Treuhand-Veranstaltung, ein Thema, bei dem, glaube ich, noch viel
Aufarbeitung notwendig ist. Auch da bin ich gespannt auf das Podium. Wir haben den
investigativen Journalisten Dirk Laabs eingeladen, außerdem Marcus Böick, einen
jungen Historiker, der mit seiner Dissertation die erste historische
Aufarbeitung der Geschichte der Treuhand geschrieben hat. Und für die
Moderation kommt André Steiner, ein renommierter Wirtschaftshistoriker, der
sowohl die Geschichte der DDR als auch der BRD kennt.
S.Z.: War es schwierig, die sehr
hochkarätigen Gäste von dem Konzept zu überzeugen oder haben gleich alle
gesagt: Wir sind dabei?
M.M.: Ich habe sehr oft die
Erfahrung gemacht, dass die Leute das Konzept gut finden und dass sie deshalb
auch gerne kommen.
S.Z.: Was erhoffst du dir von
dieser Reihe? Sowohl von den einzelnen Abenden als auch als Quintessenz am
Ende?
M.M.: Von den Abenden erhoffe ich
mir spannende Diskussionen, von denen ich mir wünsche, dass sich das Publikum
miteinbeziehen lässt. Ich hoffe auf einen Dialog, einen Austausch – letztlich
auch zwischen Ost und West, um die vielen Vorurteile, die es doch noch gibt,
aufzubrechen und einander besser verstehen zu lernen. Es wäre schön, wenn es
gelingen würde, die subjektiven Sichten und die historischen Zusammenhänge besser
miteinander ins Verhältnis zu setzen. Das wäre mir ganz wichtig.
»Man braucht gar nicht vor ein Publikum zu treten, wenn man nicht bereit ist, etwas von seiner Lebenserfahrung, seinen Gefühlen, seinen Meinungen und seiner Fantasie Preis zu geben.« Ivan
Eine Szene aus den Proben.
Im Generationenclub treffen Welten aufeinander, jung, alt,
Ost, West, verwurzelt, zugezogen, Nord, Süd, nah und fern. Alle Spieler bringen
ihre Lebensgeschichten und -erfahrungen mit, aus denen ein eigenes Stück
entsteht.
In diesem Jahr ist die Stückentwicklung »Das Gewebe der
Gegenwart braucht rote Fäden« entstanden. Orientiert am Spielzeitmotto
SINNSUCHER_NoLimits haben sich die Spieler auf die Suche gemacht nach dem, was
dem Leben einen Sinn gibt. Geschichten, Erfahrungen, Lebensfäden werden immer
wieder verknüpft, beschreibt Andrea die Entstehung des Stückes.
Ob es Geschichten aus ihrer Kindheit in einer anderen fernen
Heimat sind, Geschichten vom Ankommen, Geschichten vom Altsein, vom Jungsein.
Manche Geschichten erzählen über Krieg, der sich vor über siebzig in das Leben
der Menschen einschrieb, als die Erzählenden noch Kinder waren. Jetzt wird er mit
den Erfahrungen junger Menschen von heute in Verbindung gebracht. Parallelen zu
den Erzählungen Geflüchteter, die heute in Deutschland Schutz suchen, werden
offenbar. So laufen hier jeden Mittwoch Geschichten aus vielen Ländern und
Kulturen, unterschiedlicher Generationen zusammen und werden im Spiel
verwoben.
Aus den Proben.
Egal ob die Spieler seit der ersten Stunde des Generationenclubs
vor sechs Jahren wie Ivan, Bruni, Beate, Edi, Andrea und Barbara dabei oder erst in den
letzten Monaten hinzugekommen sind wie Stefan, Sebastian, Alara und Sam, sie
alle finden im wöchentlichen Training zueinander. In der Arbeit – mit
Clubleiterin Evelyn Döbler – am eigenen Stück lernen sie alle viel über sich und
die anderen und erfahren, wie aus einer willkürlichen Gruppe eine Gemeinschaft
wachsen kann. Dank des Clubs, sagt Andrea, habe sie gelernt, zu sehen welches
Potential in ihr selbst und auch den anderen schlummert.
Es ist die Freude, die Gemeinschaft, das gemeinsame
Nachdenken, das Spielen, das Lachen, die Verbindung mit den anderen, das
voneinander Lernen, was die Clubber antreibt, sich jeden Mittwoch zu treffen. Es
ist das Zuhören, das Gehörtwerden, das ihnen Kraft, Hoffnung, Stärke gibt einen
Platz zu finden, im Club, in der Gruppe, aber auch den eigenen Platz in der
Gesellschaft besser auszuloten. Das
alles übertragen sie in ihre Stücke.
Wie Achtsam bin ich gegenüber anderen? Wie gehen wir miteinander um? Wo ist mein Platz in dieser Gesellschaft? Was können wir voneinander lernen? Was verbindet uns? Was trennt uns? Was gibt uns Halt? Wonach suchen wir im Leben? Das sind die Fragen denen sie sich gestellt haben. Jede Woche treten sie miteinander neu in Kontakt. Begegnen sich freundschaftlich mit Vertrauen, Verständnis und ihren Texten, die sie im Spiel zusammenbringen. Beharrlich und mit großem Einfühlungsvermögen für jeden einzelnen treibt Clubleiterin Evelyn Döbler die Gruppe voran. Mit Disziplin, Kraft und Kreativität suchen sie nach dem Verbindenden im Club und in der Gesellschaft. So wird der Club für sie zu einem Ort des Ankommens, der Erdung, der Einbettung im Hier und Jetzt, in Heilbronn. Ihr Stück ist der Wunsch, etwas davon hinauszutragen, von diesem Gefühl der Gemeinschaft und den Geschichten, die in ihr entstehen können.
Die Statistinnen von »Hexenjagd« erzählen über ihre Erfahrungen.
Die Statistinnen mit Stella Goritzki und Stefan Eichberg. Foto: Jochen Quast
Anfang Januar 2019
sind 27 junge Mädchen und Frauen im Alter von 13 bis 24 Jahren dem Aufruf des
Theaters gefolgt, um an dem Statistinnen-Casting für die Inszenierung von
Arthur Millers »Hexenjagd« teilzunehmen. Regisseurin Uta Koschel und
Dramaturgin Sophie Püschel suchten für die Inszenierung eine Gruppe junger
Mädchen, die die Schauspielerinnen Stella Goritzki und Ipek Özgen bei verschiedenen
Szenen als »Mädchen aus Salem« unterstützen.
Wir haben einige der Statistinnen
über ihre Motivation, sich für das Casting zu bewerben, befragt:
Anna Lena Knecht: »Theaterspielen macht mir extrem viel
Spaß. Ein paar aus dem Kolpingtheater und mein Vater haben mich auf einen
Artikel der Heilbronner Stimme aufmerksam gemacht, in dem stand, dass
Statistinnen gesucht werden. Daraufhin habe ich mich für das Casting
angemeldet.«
Lilly Eichberg: »Ich war wahnsinnig interessiert, wie die
Entwicklung von der ersten Probe, bis hin zum komplett fertigen Stück abläuft.
Ich wollte wissen, wie es ist ein Teil des Ganzen zu sein.«
Anna Laukhuf: »Ich liebe Theater und mich reizte die
Vorstellung, eine andere Perspektive und Rolle einzunehmen und mich aktiv am
Schauspielgeschehen zu beteiligen, anstatt die Position der Zuschauerin zu
bekleiden. Außerdem fand ich es verlockend, so Einblicke in die Prozesse hinter
der Bühne zu bekommen und ein Stück von der Idee bis hin zur fertigen Inszenierung
zu begleiten.«
Die Mädchen aus Salem
spielen in »Hexenjagd« eine entscheidende Rolle, denn ihr Vergehen: nachts im
Wald zu tanzen, setzt die Ereignisse in dem kleinen Ort in Gang. In der streng
puritanischen Gemeinde Salem sind solch weltliche Vergnügen wie Tanzen oder das
Lesen von Büchern strengstens verboten. Als die Mädchen beim Tanzen entdeckt
werden, brechen einige von ihnen ohnmächtig zusammen, aus Angst vor der ihnen
drohenden Strafe. Unter ihnen ist auch die Tochter des Pfarrers Parris, als sie
nicht mehr aus ihrer Ohnmacht erwachen will, keimt schnell das Gerücht von
Hexerei auf. Auf der Suche nach Schuldigen werden die Mädchen ins Verhör
genommen und unter Druck gesetzt, zu gestehen bzw. der Hexerei Schuldige zu
benennen. Von nun an greifen Denunziationen und Misstrauen um sich. Die Bezichtigung,
ein Werkzeug des Teufels zu sein, eignet sich bestens, um unliebsame Gegner aus
dem Weg zu räumen. So wird Salem im Zuge der Hexenprozesse in eine Art
Massenhysterie aus Lügen, Angst und Machtmissbrauch versetzt.
Szenenfoto aus »Hexenjagd« Foto: Jochen Quast.
Aus dem Casting sind zwei
Gruppen von je fünf Statistinnen hervorgegangen. Die meisten brachten bereits
erste Erfahrungen aus Theater-AGs und -clubs oder früheren Statistinnenrollen
mit.
Doch der
professionelle Theaterbetrieb hielt für sie neue Eindrücke und einige Überraschungen
bereit.
Anna Laukhuf: »Vor allem ist mir aufgefallen, wie
leidenschaftlich die Schauspieler oder auch andere Mitarbeiter ihre Arbeit
ausüben. Man spürt eine Atmosphäre, die davon geprägt ist, dass jeder seine
Arbeit als Berufung und nicht bloß als Job ansieht.«
Christiane Staudacher berichtete: Ȇberrascht haben mich die vielen und
unterschiedlichen Abteilungen, die ein so großes Haus besitzt und den für eine
Produktion notwendig sind. Angefangen bei den Kostümen, die alle selbst genäht werden,
hin zum Bühnenbild, das exklusiv für jede einzelne Produktion angefertigt wird,
bis zur Gesamtorganisation einer solch großen Produktion, vor und hinter der
Bühne.«
Einen neuen Blick, was eine Inszenierung alles umfasst,
gewann auch Leonie Decker:
»Überrascht hat mich, wieviel Wert auf jedes Detail in Make-up, Bühnenbild und
Text gelegt wurde. Unsere Kostüme wurden alle maßgeschneidert und es galt zu
unserem Leid striktes BH-Verbot, nur um auch wirklich den Eindruck der Zeit
einzufangen, welcher von der Regisseurin gewünscht wurde. Als Zuschauer hatte
ich nie bemerkt, wie viele Ideen von verschiedenen Seiten in ein einzelnes
Stück fließen, um dieses komplett werden zu lassen. Darauf werde ich zukünftig,
wenn ich ins Theater gehe, mehr achten.«
Im März begann für die
Schauspielerinnen und Schauspieler die sechswöchige Probenzeit und natürlich
auch für die Statistinnen. Für die Mädchen war es eine bereichernde und
zusammenschweißende Zeit.
Szenenfoto »Hexenjagd«; Foto: Steffen Nödl
Matilda Martinez über die Proben: »Es gab so viele kleine
Momente, Momente mit den anderen Statistinnen, den Schauspielern: Es waren alle
so offen und nett, die Atmosphäre war einfach jedes Mal so unbeschreiblich.«
Leonie Decker verriet uns: »Wir als Statistinnengruppe untereinander hatten Backstage wahnsinnig viel Spaß und ich habe jede einzelne meiner Mitstatistinnen als Freundin lieb gewonnen. Zudem wurde durch dieRegisseurin und die anderen Darsteller auf der Bühne eine Atmosphäre kreiert, welche mich motiviert hat auf der Bühne mein Bestes zu geben. Im Kopf geblieben ist mir, als wir das erste Mal unsere „Vogelszene“ probten, welche sehr intensiv war. Es hat uns einiges an Mimik und Stimme abverlangt, aberda alle hochmotiviert mitmachten, in mir auch ein Hochgefühl ausgelöst. Somit würde ich das als „schönsten Probenmoment“ bezeichnen.«
Hinter den Kulissen. Foto: Steffen Nödl
Am 4. Mai 2019 ging es dann für das Ensemble und die erste Gruppe der Mädchen aus Salem auf die Bühne des Großen Hauses. Seitdem spielen abwechselnd die beiden Gruppen in den Vorstellungen.
Szenenfoto »Hexenjagd«; Foto: Jochen Quast
Für Anna Laukhuf war gerade der Abend der Premiere ganz
besonders: »Mein schönster Moment waren die letzten gemeinsamen Erlebnisse
hinter der Bühne vor der Premiere. Fast jeder hat dem anderen ein kleines
Glücks-Präsent überreicht, was mich sehr gerührt hat. Alle Geschenke enthielten
auch – direkt oder indirekt – eine Botschaft, die mit dem Stück zu tun hatte.
Mich hat begeistert, wie viel Gedanken sich alle darüber gemacht haben und wie
viel Wertschätzung auch uns als Statistinnen entgegengebracht wurde.«
Wie viel Arbeit und Disziplin hinter den Proben und den
Vorstellungen steckt, hat Lilly Eichberg beeindruckt: »Auf den Proben oder in
den Pausen während Vorstellungen wird manchmal rumgealbert. Trotzdem müssen
dann alle zum richtigen Zeitpunkt wieder konzentriert sein und ihre Arbeit
machen, wenn es weiter geht. Das war eine gute Erkenntnis.«
Ob sich die Erwartungen, mit denen sich die Mädchen beim Casting beworben haben, in Erfüllung gingen wollten wir natürlich auch von ihnen wissen.
Hinter den Kulissen. Foto: Steffen Nödl
Anna Lena Knecht: »Ich hatte keine konkreten Erwartungen,
sondern viel mehr die Hoffnung, dass auch wir Statistinnen gut in die
Schauspielgruppe integriert werden. Dies hat sich definitiv erfüllt.«
Leonie Decker: »Ich hatte die Erwartungshaltung als
Statisten wäre man »nur« eine Hintergrundfigur und würde auch dementsprechend
behandelt. Jedoch die freundliche und auch unterstützende Art, welche die
anderen Darsteller und Mitarbeiter gegenüber uns Statistinnen hatten, hat dafür
gesorgt, dass ich mich sofort wertgeschätzt gefühlt habe.«
Matilda Martinez: »Um ehrlich zu sein, wusste ich gar nicht,
was auf mich zukommen würde und ich habe viel mehr daran gedacht, das Casting
aus Spaß zu machen. Mittlerweile bin ich mehr als froh, dass ich diese
Erfahrung machen durfte.
Und wie fühlt es sich an, auf der Bühne im Großen Haus zu stehen?
Szenenfoto »Hexenjagd«, Foto Steffen Nödl
Matilda Martinez: »Es ist unbeschreiblich, auf der großen Bühne
stehen zu dürfen. Mit den »Großen« zu spielen, zu sehen, wie sie die Charaktere
verkörpern, von ihnen zu lernen … . Man kann dieses Gefühl nicht beschreiben,
es ist einfach ein pures Glücksgefühl, das so viele verschiedene Emotionen
freisetzt.«
Lilly Eichberg: »Es macht total viel Spaß! Während der
Vorstellung ist man auf der Bühne meistens sehr konzentriert. Man vergisst
fast, dass man auf der Bühne im Großen Haus steht und einem so viele Leute zusehen. Ich realisiere das meist erst,
wenn ich wieder von der Bühne runter bin.«
Christiane Staudacher: »Auf einer Bühne zu stehen, ist für
mich ein unbeschreibliches Erlebnis. Ich fühle mich dort einfach wohl. Ein
Traum ist für mich in Erfüllung gegangen.«
Für alle war es eine aufregende und
besondere Zeit. Auf die Frage ob sie es noch mal machen würden, haben alle sofort
mit JA! geantwortet.
Szenenfoto »Hexenjagd«, Foto: Jochen Quast
Leonie Kurz: »Auf jeden Fall würde ich es nochmal machen! Es
macht einfach unglaublich viel Spaß, und kein Abend ist wie der andere!«
Christiane Staudacher: »Meine Erfahrungen am Theater Heilbronn
möchte ich auf keinen Fall missen, und wer weiß, was die Zukunft für mich
vorhat?«
Lilly Eichberg: »Auf jeden Fall! Es hat sehr viel Spaß
gemacht, und ich habe viele neue Erfahrungen gesammelt.«
Matilda Martinez: »Ich würde es jederzeit wieder tun. Das
Casting, die Proben, die Vorstellungen würde ich nicht mehr missen wollen.«
Leonie Decker: » Die Erfahrung am Theater hat mich viele
Dinge gelehrt und in meinem Leben weitergebracht, des Weiteren hat es Spaß
gemacht und mich mit neuen Menschen zusammengeführt. Meine Antwort lautet: 100% Ja!«
Wir danken allen Statistinnen von »Hexenjagd« für ihre Unterstützung und Spielfreude. Wer sie noch mal auf der Bühne erleben möchte hat noch am 6., 12. & 14. Juli die Gelegenheit.
Ein Probenbesuch bei der »Gärtnerin«
Mozarts »La finta giardiniera« probt (noch) auf der Probebühne
Die Pause ist vorbei. Geprobt wird der Anfang des zweiten Aktes. Laut Libretto befinden wir uns in einer Halle im Palast des Podestà, des Bürgermeisters von Lagonero (deutsch: Schwarzensee). Real befinden wir uns auf der Probebühne 2 im Probenzentrum in der Christophstraße. Noch sind die Stellwände aus Pappkarton. Die davor stehenden Gartenmöbel für die Gartenoper sind schon die Originale, die bei der Premiere von »La finta giardiniera« auf der BUGA zum Einsatz kommen werden.
Die Darsteller von »La finta giardiniera« hier noch im Probenzentrum. (Foto: Andreas Donders)
»Alles OK?« fragt Regisseur Axel Vornam seine (noch) unsichtbaren Sänger hinter der Kulisse. »Seid ihr so weit? Los geht’s.« Auftritt Manuela Vieira von rechts. Arminda war im ersten Akt eigentlich nach Lagonero gekommen, um sich mit dem Grafen Belfiore zu verloben. Dummerweise hat er kurz vor der Pause seine tot geglaubte Ex Violante wieder getroffen. Kein Wunder, dass die mondäne Arminda auf die Bühne rast, im kleinen Schwarzen, mit Sonnenbrille und topmodischer Handtasche, die sie in ihrer Erregung auf einen der Gartenstühle wirft.
So ist es zumindest gedacht. Diesmal fällt die Handtasche neben den
Stuhl. »Stop«, unterbricht Axel Vornam lachend, »Manuela hat sich verworfen.« Die Szene beginnt von vorne. Wegen so einer
Lappalie unterbrechen? Aber natürlich, denn jedes Detail einer Inszenierung hat
seine Bedeutung. Dass die Handtasche da landet, wo sie landen soll, ist für den
weiteren Verlauf des Geschehens nicht ganz unwichtig: In einer späteren Szene
kommt sie genau auf diesem Stuhl als zentrales Requisit zum Einsatz, wenn das
Dienstmädchen Serpetta (Clémence Boullu) ein diebisches Interesse am Inhalt
hat.
Aber zurück zur Szene. Korrepetitorin Jinhee Park gibt am Klavier den
Einsatz. Recitativo. Auftritt Paul Sutton von hinten. Der Graf Belfiore kommt auf
die »Terrasse« und muss sich den Fragen und Vorwürfen Armindas
stellen. Die steigern sich zur virtuosen Arie »Vorrei punirti indegno« (Ich wollte dich bestrafen, Unwürdiger), nicht
umsonst »Aria
agitata« bezeichnet.
Aufgeputscht von Leidenschaft und Eifersucht reißt Arminda ihren abgewandten
Bräutigam herum. Ein glückliches Paar sieht anders aus. Und hier sieht man, was
sich in der Inszenierung Axel Vornams durch die ganze Oper ziehen wird: Es sind
die Frauen, die die Hosen anhaben und den Männern zeigen, wo es lang geht. Im
Falle von Beatriz Simoes in der »Hosenrolle« des Contino Ramiro ganz buchstäblich.
Noch etwas wird in der kleinen Szene klar: Mit »La finta giardiniera« bedient der damals erst 18jährige Wolfgang
Amadeus Mozart zwar die gängigen Typen und Muster der komischen Oper seiner
Zeit, aber – wie um 1775 üblich – gehören durchaus auch ernste Momente und
tiefe Leidenschaften zum Repertoire. Deshalb nennt Mozart »La finta« auch »Dramma giocoso« – ein »lustiges
Drama«.
Diese Probe ist schon fast eine der letzten im Probenzentrum. In der darauffolgenden Woche geht es auf die Bundesgartenschau. »Oh Dio, oh Numi« singt Manuela Vieira, alias Arminda, gerade im nächsten Rezitativ. Genau! Mögen die Wettergötter der Gärtnerin gewogen sein!
Die Premiere der Oper »La Finta Giardiniera« ist am Sonntag 9. Juni 2019, 20:00 Uhr auf der Sparkassenbühne auf dem BUGA-Gelände.
Die Kostüme der »Affäre Rue de Lourcine« forderten den
Einfallsreichtum unseres Herrenschneidermeisters Tilo Voss heraus. Denn die Kleidung
der beiden ehemaligen Internatsabsolventen Lenglumé und Mistingue sollte nicht
nur die glorreichen Zeiten des Slapsticks aus der Stummfilmzeit erinnern,
sondern muss auch auf der Theaterbühne für Einiges herhalten.
»Die Affäre Rue de Lourcine« (v.l.n.r. Marek Egert, Nils Brück und Hannes Rittig)
Die Schnittmuster für die historischen Hosen im
Buster-Keaton- / Charlie-Chaplin-Stil waren schnell entwickelt, doch wie sollten
die Zusatzfunktionen in der Hose des Lenglumé untergebracht werden, ohne dass
die Hose völlig aus der Form geriet?
In dieser Hose verschwinden nicht nur jede Menge Requisiten,
sondern auch der Hausherr selbst. Das stellte den Schneidermeister vor die Herausforderung
eine überproportionale Hose zu entwerfen, die jedoch zunächst möglichst normal aussieht.
Bereits die historischen Hosen der Stummfilmhelden, die als Vorbild dienten, sind
zu groß für ihre Träger. Die Proportionen weichen vom klassischen Hosenschnitt ab.
Wie lässt sich das noch steigern, so dass der Schauspieler
Nils Brück nahezu komplett verschwinden kann?
Nils Brück bei der Anprobe
In mehreren Schritten haben Schneidermeister und Schauspieler
sich an die endgültige Ausgestaltung der Hose herangetastet, bis alles saß. Vom
tieferen Schnitt über die Einarbeitung eines Stretchkeils aus dehnbarem Stoff,
eingelegte Falten in die Seitennäthe und die Verlängerung der Hose am Bund wurde
sie immer wieder überarbeitet. Die Stoffmengen mussten so gut eingearbeitet
werden, dass sie den Proportionen der Hose des zweiten Hauptdarstellers Hannes
Rittig ähnlich blieben. Die Zusatzfunktionen wie die sieben Taschen, in denen
ganze Wasserflaschen verschwinden, sollen natürlich nicht vorab erkennbar sein.
Die Bewährung fand die Hose dabei im
Praxistest während der Proben: Ob jetzt einer oder mehrere Druckknöpfe oder
Magneten die zusätzlichen Stoffe verschwinden lassen, testet Nils Brück immer
wieder im Spiel, bis es optimal passte.
So wurde der Prototyp dieser ungewöhnlichen Hose in enger Zusammenarbeit von Schneiderei und Schauspieler weiterentwickelt, bis daraus das fertige Kostüm der Inszenierung entstand.
Das Ergebnis könnt Ihr noch zwei Mal in der »Affäre Rue de Lourcine« bewundern. Und achtet genau drauf, was alles in der Hose verschwindet oder aus ihr heraus zum Vorschein kommt, um die Erinnerungslücken der durchzechten Nacht der beiden Zechbrüder zu füllen.
»Die Affäre Rue de Lourcine« läuft nur noch am 25. und 26. April 2019 im Komödienhaus des Theaters Heilbronn.
In dieser Spielzeit hat er als Tartuffe, als Schöller und als Lenglumé in »Die Affäre Rue de Lourcine« das Publikum zum Schmunzeln, Lachen, sogar zum Japsen gebracht. Nils Brück spricht mit Dramaturg Andreas Frane über die harte Arbeit an der Komödie.
»Die Affäre Rue de Lourcine« Nils Brück, Hannes Rittig; Foto: Thomas Braun
Andreas Frane: Welche Voraussetzungen und Eigenschaften sollte man mitbringen, wenn man Komödie spielen will?
Nils Brück: Mein Wissen stützt sich vor allem auf Erfahrungen aus der Praxis. Komödie braucht aus meiner Sicht viele Zutaten: Zuerst einmal Spielfreude – Verspieltsein, Mut – Übermut, Disziplin – Anarchie, Timing, Rhythmus, Genauigkeit, Instinkt, Publikumsnähe und die Bereitschaft zum Scheitern.
Kann man »komisch sein«
lernen?
Ich glaube, es gibt
schon Schauspieler, die für dieses Genre besonders begabt sind. Und eine
häufige Beschäftigung mit Komödien verschiedenster Herkunft (aus Frankreich,
Großbritannien, Irland, Amerika, Deutschland) hilft sicher auch, seine
Fähigkeiten auf diesem Gebiet zu entwickeln. Aber nur das und ausschließlich
für die Bühne zu erlernen? Das gibt es wahrscheinlich nicht. Anders ist es im
Zirkus. Da gibt es ja viele und auch tolle Clownsschulen. Auch die Pantomimen
haben eine Spezialausbildung. Beide von mir sehr geschätzte und bewunderte Kunstformen.
Karl Valentin hat einmal gesagt: »Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.«
Trifft das besonders auf die Komödie zu?
Absolut. Man
durchläuft während der Proben verschiedenste Phasen. Das Entwickeln einer
Situation, das Ausreizen des Scheiterns (denn es geht in der Komödie immer um
das Scheitern, um die Not von Individuen in Extremsituationen, um die
Zuspitzung einer unlösbaren Schwierigkeit) macht gerade zu Beginn einer Arbeit
großen Spaß. Dann geht es um Genauigkeit, um das richtige Timing und um eine
Wiederholbarkeit des Ganzen. Das ist harte Arbeit. Auch das gesamte Team kann
ja nicht zwanzig, dreißig Mal über das Gleiche lachen. Dabei geht oft der Spaß
verloren. Und man muss wie ein Jongleur üben, üben, üben, bis alles sitzt.
Belohnt wird man dann, sollte alles gelingen, mit dem herzlichen Lachen des
Publikums.
Hierzu vielleicht eine
kleine Anekdote aus unserer letzten Vorstellung der »Affaire Rue de Lourcine«:
Nach einem Satz in meinem Monolog lachte eine Frau ganz laut auf. Als sie merkte,
dass sie die Einzige war, sagte sie »Oh Gott« und hielt sich den Mund zu. Ich
hatte mich aber über die Reaktion gefreut und habe sie von der Bühne aus angesprochen:
»Ach bitte, Sie können ruhig weiter lachen. Wir freuen uns…« Zum Lachen muss
man eben nicht in den Keller gehen …
»Die Affäre Rue de Lourcine« Hannes Rittig, Nils Brück ; Foto: Thomas Braun
Wie viele Freiheiten darf / kann man sich denn erlauben?
Tja, das ist eine gute
Frage, die auch von uns immer wieder diskutiert wird. Denn wo ist der Grat
zwischen dem, was neu hinzukommt und dem Abend gut tut, und dem, was den Abend
eher beschädigt? Da trifft man den Punkt nicht immer. Aber trotzdem ist es
wichtig, eine Lebendigkeit zu erhalten. Das ist nicht so leicht in unserem
Metier.
Es ist viel von Techniken bei Komikern und Komödianten die Rede. Wie verhindert man andererseits, dass Komödie auf der Bühne »technisch« wird und wirkt?
Ich glaube bei allen Stücken, so auch in der Komödie, kommt es darauf an, die Spielsituationen immer wieder neu zu erleben. Jeder Abend sollte ein Unikat sein und somit ein Erlebnis für das Publikum schaffen, dass eben nur an dem speziellen Abend in dieser Form stattfindet. Es ist alles live! Es geht um ein Gemeinschaftserlebnis, mit allen Fehlern, die passieren, mit Zustimmung oder Ablehnung des Publikums. Man muss sich also als Schauspieler trauen, sich im Moment zu bewegen.
Gibt es Gags, Techniken, Witze, die beim Publikum garantiert funktionieren?
Ja, gibt es schon,
denke ich. Man muss Sie aber dosiert einsetzen, sonst nutzen sie sich ab.
Welche das sind, wird aber nicht verraten …
Nils, ich bedanke mich herzliche für dieses Gespräch.
Den mörderisch komischen Monsieur Lenglumé aus »Die Affäre Rue de Lourcine« spielt Nils Brück nur noch am 20., 25. Und 26. April im Komödienhaus.
»Die Affäre Rue de Lourcine« Sven-Marcel Voss, Nils Brück ; Foto: Thomas Braun
»Musik ist
die Sprache der Leidenschaft«. Dies pflegte Richard Wagner zu sagen und ich als
leidenschaftliche Musikerin, schließe mich dieser Aussage voll und ganz an. Ich
bin Claire Winkelhöfer und gehe in die zehnte Klasse des Landesgymnasiums für
Musik in Wernigerode. Während meiner Zeit als Praktikantin in der
Theaterpädagogik des Theaters Heilbronn wurde mir die Aufgabe zuteil, eine
eigene musikalische Interpretation, inspiriert von der Erzählung »Der goldne
Topf« von E.T.A. Hoffmann, zu erarbeiten.
Claire Winkelhöfer auf der Probebühne
Während des Lesens von »Der
goldne Topf«, entstand in meinem Kopf, wie das häufig bei Musikern der Fall
ist, bereits die ein oder andere Idee für eine musikalische Umsetzung. Ich habe
die Eigenschaft, gleich sehr groß und meist in einem Orchestersatz zu denken. Zudem
bin ich, als begeisterte Wagnerianerin, ein großer Fan der Leitmotivtechnik.
Ein Leitmotiv ist ein häufig wiederkehrendes, in dem Fall musikalisches Motiv,
welches bestimmten Personen, Gegenständen, Ereignissen, Stimmungen usw.
zugeordnet ist und diese charakterisiert. Mein Faible für diese Technik wirkt sich
demzufolge auch auf mein künstlerisches Schaffen aus. Besonders faszinierend daran
finde ich diesen bestimmten Wiedererkennungswert innerhalb eines Werkes. Ich
empfinde es als sehr spannend, wenn ich durch das Erklingen eines Leitmotivs
bereits eine Vorahnung bekomme, welche Person wohl gleich wieder auftauchen
wird, womöglich sogar schon da und nur nicht zu sehen ist, oder genau weiß, von
welchem Gegenstand oder Ereignis die Rede ist, ohne dass explizit davon gesprochen
wurde. Ich dachte mir, die beiden unterschiedlichen Welten, die es in »Der
goldne Topf« gibt, müssten durch verschiedene Leitmotive geprägt und zum
Ausdruck gebracht werden. Für die mystische Welt stellte ich mir Instrumente vor, die gemeinsam
sphärische Klänge produzieren können. Im Allgemeinen dachte ich an Flöten, eine
Harfe und hohe Streicher. Allerdings fände ich Hörner als Melodieinstrumente sehr
ansprechend. Wenn man kein ganzes großes Orchester zur Hand hat, dann reicht auch
ein Klavier in hoher Lage mit viel rechtem Pedal, um die verschiedenen
Melodieteile ein bisschen ineinander verschwimmen zu lassen. Eventuell wäre
noch eine Geige denkbar. Als Leitmotiv stellte ich mir eine relativ ruhige Melodie vor,
die mit höheren, kleineren Melodien unterlegt ist. Es sollte im Piano bis Pianissimo, also leise
bis sehr leise, aber maximal im Mezzoforte, halblaut, gespielt werden. Im
Kontrast hierzu dachte ich bei der normalen Welt an eher plumpe Klänge, die
durchaus auch einen bedrohlichen Charakter haben dürfen. In einem Orchester würden
an dieser Stelle die Blechbläser die Arbeit bekommen, sowie die tieferen
Streicher, die einen tiefen Klangteppich erzeugen könnten. Wenn kein Orchester
zur Verfügung steht, so kann man wieder ein Klavier in Betracht ziehen, diesmal
jedoch in tiefer Lage. Hier könnte man noch zusätzlich das linke Pedal
benutzen, um einen dumpfen Klang zu erzeugen. Als Grundbild für ein Leitmotiv
dachte ich an ein mittleres Tempo. Es sollte zwar nicht allzu langsam sein,
doch darf es auf keinen Fall hektisch wirken. Auch sollte es nicht zu leise
werden, um einen Gegensatz zum anderen Motiv zu schaffen.
Im Verlauf
meines Praktikums hatte ich das Vergnügen, die Inszenierung von »Der goldne Topf« von
Maik Priebe zu sehen und somit auch die musikalische Umsetzung von Stefan
Leibold zu hören. Diese war zwar völlig konträr zu meinen Gedanken, jedoch
höchst interessant. Die musikalische Gestaltung war nicht auf die Leitmotivik
ausgelegt, sondern eher darauf, mit einfachsten Mitteln einen beeindruckenden
Klangteppich zu erzeugen. Wobei »einfach« in diesem Fall nicht als »leicht« zu
verstehen ist, sondern bedeutet, dass mit einfachen Gegenständen gearbeitet
wurde, die nicht schwer zu bedienen sind. Der geschaffene Klangteppich wurde
nicht mit herkömmlichen Instrumenten gestaltet, sondern durch alltägliche
Gegenstände oder den Menschen selbst. Durch das Übereinanderlegen dieser
unterschiedlichen Klänge konnten Stimmungen erzeugt werden, die sonst eher
selten zu finden sind, aber wie geschaffen dafür sind, eine mystische Atmosphäre zu
erzeugen.
Obwohl ein großer Kontrast zwischen diesen beiden musikalischen
Gedanken liegt, gibt es durchaus auch gemeinsame Überlegungen. Beispielsweise
das Erschaffen einer mystischen
Welt durch das Zusammenwirken verschiedenster Stimmungen und Klänge. In meinem
Fall arbeite ich lieber mit Leitmotiven als mit Klangteppichen.
Zum Abschluss möchte ich sagen, dass ich es toll fand mir die
Inszenierung mit Musik ansehen und anhören durfte und mich anschließend selbst an
einer musikalischen Interpretation
dazu ausprobieren durfte. Meine fertige Arbeit kann unter hier angehört werden.
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Schauspieler Hannes Rittig trainiert das Sprechen in vielen Mundarten
Hannes Rittig (Foto: M24 Heilbronn)
Einer sammelt Briefmarken, der nächste Autogramme oder
Schallplatten. Wer es sich leisten kann, legt sich Kollektionen von Uhren,
Antiquitäten oder Oldtimern zu. Der Wert des Schatzes von Hannes Rittig ist in
Geld nicht zu messen. Aber wie andere
Sammler auch investiert er viele Stunden in die Pflege seines Hobbies. Der
Schauspieler am Heilbronner Theater sammelt Dialekte und versucht diese so gut
zu lernen, dass er sie zur „Bühnenreife“ bringt, ohne dass Muttersprachler im
jeweiligen Gebiet die Nase rümpfen – obwohl es ein Reinheitsgebot in Sachen
Dialekt eigentlich kaum mehr gibt.
„Für mich als Schauspieler ist das wie ein Materialbaukasten, aus dem ich nach
Belieben schöpfen kann“, sagt Hannes Rittig. Die Besucher der letzten
Weihnachtsmatinee am Theater dürften sich gern an die szenische Lesung der Geschichte
„Die Bescherung verzögert sich um voraussichtlich zehn Minuten“ von Sebastian
Schnoy erinnern. Hier hat Rittig in sekundenschnellen Wechseln den
mitspielenden Bahnreisenden aus allen Ecken Deutschlands in einem verspäteten
ICE am Weihnachtstag sowie dem handelnden Zugpersonal den dialektalen
Zungenschlag verpasst. Bayerisch, Rheinländisch, Österreichisch, Norddeutsch,
Schwäbisch – oft nur in schnellen Halbsätzen und wild durcheinander.
Atemberaubend! Und äußerst amüsant.
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Mit genau solchen Lesungen hat es angefangen, genauer gesagt mit Texten von Hans Fallada wie „Jeder stirbt für sich allein“ und „Der eiserne Gustav“, die Hannes Rittig in Greifswald, der Geburtsstadt des Schriftstellers, vorgetragen hat. Lesungen von rund anderthalb Stunden Länge werden nur lebendig, wenn man die Figuren mit ihren Eigenheiten ausstattet, beschreibt der Schauspieler. Dazu gehört neben Stimmfärbung und Sprechweise eben auch der Dialekt. Die ersten Steine für seine Sprachsammlung hat er quasi nebenbei eingesammelt: Mit dem Berlinerischen und dem Anhaltinischen ist er aufgewachsen, im Studium kam das Leipziger Sächsisch dazu, aber vor allem auch das Bühnenhochdeutsch, das für ihn als Schauspieler natürlich die Norm ist. Während seines ersten Engagements in Chemnitz lernte er, zwischen dem Leipziger und dem Chemnitzer Sächsisch zu nuancieren. Außerdem erwarb er von Freunden aus anderen Regionen Deutschlands eher unterbewusst weitere Dialekte – so zum Beispiel das Fränkische von seinem damaligen Kommilitonen und Schauspielkollegen Tobias D. Weber, der aus Erlangen stammt. Sein nächstes Engagement führt ihn nach Greifswald, wo er den Pommerschen Dialekt in sein Repertoire aufnahm. „Für mich ist es wichtig, dass ich Leute habe, die ich sehr mag und mit denen ich Zeit verbringe. Ich beobachte deren Sprechweise, die Haltung und präge mir bestimmte Ausdrücke ein“, beschreibt Hannes Rittig seine Learning-by-doing-Methode. Diese Vorbildmenschen ruft er sich vor sein inneres Auge, wenn er einen Dialekt imitieren will. Aus Greifswald ist es beispielsweise der Fußballtrainer seiner Söhne. Er erhebt dabei keinen Anspruch auf Perfektion. „Es ist fast wie beim Spielen von Tieren“, beschreibt er. Einige signifikante Eigenschaften reichen aus, um einen Tiger als Tiger, einen Elefanten als Elefanten und einen Affen als Affen darzustellen – so wie er es gerade in unzähligen Vorstellungen von Kiplings „Dschungelbuch“ praktiziert hat. Genauso ist es mit den Dialekten – einige prägnante Ausdrücke, Wörter und vor allem die Sprachmelodie genügen, um eine bestimmte Mundart zu markieren.
Beim Schwäbischen
versagt die Learning-by-Doing-Methode
Einzig bei einem Dialekt versagt die bisher mit so großer
Leichtigkeit praktizierte Methode, beim Schwäbischen – dem nächsten Regiolekt,
den Hannes Rittig sich als Neubürger Heilbronns unbedingt aneignen will. Hier
hat er sich seine Nachbarn als Coaches gesucht, mit denen sich seine Familie
angefreundet hat. „Die Frau kommt von der Schwäbischen Alb, der Mann aus Heilbronn und die beiden machen mit mir
Unterricht“, erzählt der Schauspieler.
Das Schwäbische ist sehr gemütlich und verspielt mit den vielen Verniedlichungsformen
und es hat einen feinen Sing-Sang. Ihn wundere es gar nicht, dass aus dieser
Region, wo die Sprache so kleinteilig und erfindungsreich ist, so viele Tüftler
kommen, die mit der feinen Selbstironie „Wir können alles. Außer
Hochdeutsch“ an ihrem Image arbeiten,
sagt Hannes Rittig. Natürlich muss er in seinem Beruf in erster Linie das
Hochdeutsche pflegen. Aber sonst ist er der Meinung: Hoch lebe der Dialekt! „Der
steht für Heimat, Geborgenheit und Wohlfühlen.“
Die Krone Englands ist sein Ziel. In seinem Machtstreben um König von England zu werden, kennt Richard III. keine Skrupel. Dafür geht er über zahlreiche Leichen.
Oliver Firit (Richard III.) & Lucas Janson (Catesby)
Die Requisite, die unsere Theaterstücke mit den für die Aufführungen nötigen Gegenständen ausstattet, musste für die englische Krone weder morden noch in den Krieg ziehen. Stattdessen war bei Carmen Riehl, Leiterin der Requisitenabteilung, für die Herstellung der Kronreifen für »Richard III.« jede Menge handwerkliches Geschick gefragt. Mit Hammer, Amboss und Dremel geht sie zu Werke, um aus zwei Blechstreifen zwei antike Kronreifen zu schaffen. Dank ihrer jahrelangen Erfahrungen mit der Schmuckherstellung in der Kostümabteilung der Bayerischen Staatsoper und in der Rüstkammer des Bayerischen Staatsschauspiels war die Umsetzung der Kronreife nach den Entwürfen des Regieteams (Axel Vornam und Tom Musch) kein Problem. Die Umsetzung erforderte zunächst eine grobe Bearbeitung der Blechstreifen, die mit einem Hammer in Form gehauen werden. Die dadurch eingehauenen Vertiefungen und Schrammen geben den Streifen ihre antike Struktur, als wären sie schon auf zahlreichen Königshäuptern durch die Wirren der Zeiten getragen worden. Noch ist gut zu erkennen, dass es sich um zwei moderne Blechstreifen handelt. Mit einem zähen Kunstharz und schwarzer Farbe erhalten sie Patina. Bearbeitet mit dem Dremel entsteht daraus eine lebendige Oberfläche deren »Gebrauchsspuren« von früheren Abenteuern »berichten«. Nachdem sie auf die Köpfe der Schauspieler angepasst wurden, werden Schlossschraubenköpfe als Dekoration aufgeklebt und mit Lederbändern die Abschlusskanten am oberen und unteren Rand der Kronreifen geschaffen. Auch hier kommt wieder jede Menge Patina zum Einsatz, so dass die Kronen für Richard, Eward und später Richmond aussehen, als würden sie aus einer alten Schatzkammer stammen.
Am 25. Februar sind sie noch ein letztes Mal in Aktion auf den Häuptern Edwards, Richard III. und Richmonds zu sehen. https://www.theater-heilbronn.de/spielplan/detail/inszenierung/richard-iii.html