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„Zweier ohne“ unter den besten drei Inszenierungen für Kinder und Jugendtheater
Das Theater Heilbronn ist für den Deutschen Theaterpreis DER FAUST nominiert. Die Inszenierung „Zweier ohne“ von Petra Wüllenweber gehört zu den drei besten Inszenierungen deutschlandweit in der Kategorie Kinder – und Jugendtheater. Die Kölner Regisseurin und Autorin Petra Wüllenweber hat als Auftragswerk des Theaters Heilbronn auch die Stückfassung nach der gleichnamigen Novelle von Dirk Kurbjuweit geschrieben. Am 8. November 2014 wird DER FAUST in acht Kategorien in Hamburg verliehen. „Ausgezeichnet werden Künstlerinnen und Künstler, deren Arbeit wegweisend für das deutsche Theater ist“, heißt es in der Pressemitteilung des Bühnenvereins zu den Nominierungen.
„Die Nominierung unter hunderten Inszenierungen für Kinder- und Jugendtheater in Deutschland ist ein Riesenerfolg und eine große Ehre“, freut sich der Heilbronner Theaterintendant Axel Vornam. Für ihn ist diese Nominierung eine schöne Bestätigung für die kontinuierliche Kinder- und Jugendarbeit, die am Theater Heilbronn in den letzten Jahren geleistet wurde. Petra Wüllenweber hat in den letzten Spielzeiten als Autorin und Regisseurin einen gewichtigen Anteil daran. Erwähnt seien nur ihr Stück „Am Horizont“ oder ihre Inszenierung „Das Herz eines Boxers“, die sehr erfolgreich gelaufen sind. Besonders motivierend sei diese Ehrung gerade jetzt, da das Theater Heilbronn mit der Gründung des Jungen Theaters Heilbronn und der Eröffnung der Spielstätte BOXX für das Junge Theater diese Arbeit noch weiter intensivieren wird.
DER FAUST ist ein nationaler, undotierter Theaterpreis, der auf die Leistungskraft und künstlerische Ausstrahlung der Theater aufmerksam macht und diese würdigt. Er wird in Kooperation mit der Kulturstiftung der Länder, der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste und dem Deutschen Bühnenverein verliehen.
Von Julia Campanella, Kl. 13f und Lydia Kastner, Kl. 13g, Theodor Heuss Gymnasium
Jemand musste den Deutschkurs verleumdet haben, denn ohne dass die Abiturienten etwas Böses getan hätten, wurden diese eines Morgens zu einer Theater-Werkstatt verschleppt. Der Unterricht, der jeden Freitag gegen 11 Uhr stattfindet, kam diesmal nicht.
Denn uns stand etwas viel Größeres bevor – ein Theater-Workshop passend zum Sternchenthema »Der Proceß«. Doch was sollte uns erwarten? Wir schwelgten in Unsicherheit. In der Schule sind wir vorbereitet, dort könnte uns etwas Derartiges unmöglich geschehen, wir haben dort einen geregelten Stundenplan, eine eigene Lehrerin, und die Schreibutensilien liegen auf unseren Tischen. Doch unsere unsichere Lage schwand mit der lebensfrohen Präsenz Katrin Singers, Theaterpädagogin am Theater Heilbronn, die sofort unser Interesse für die Übungen weckte. Ausgestattet mit verschiedenen Rollenkärtchen versuchte ein jeder von uns, sich in die Lage der jeweiligen Charaktere zu versetzen. Vielerlei Emotionen – Wut, Freude, Angst, Neid – kamen sowohl stimmlich als auch durch die Körperhaltung zu Tage. Wie der Nachweis von K.s Schuld, so war auch unser Schauspieltalent schwer zu ergreifen. Doch an Resignation war nicht zu denken.
Ähnlich wie die Schauspieler, die an der Inszenierung beteiligt waren, durften wir die uns zugeteilten Charaktere mithilfe diverser Gangarten ausprobieren: die trippelnde Gerichtssekretärin, den mechanisch- bürokratischen Untersuchungsrichter, den kriechenden, untertänigen Kaufmann Block. Neugierig darauf, wie das Stück mit seinen vielseitigen Charakteren auf der Bühne zum Ausdruck kommen würde, ging der Workshop zu Ende. In freudiger Erwartung besuchten wir die Vorstellung, die einen bleibenden Eindruck hinterließ. Wir konnten dabei die Rollen, die am Morgen dargestellt wurden, wiederentdecken. Beeindruckend war die Umsetzung der kalten, bürokratischen und einengenden Welt im Bühnenbild mithilfe von vielen Grautönen und einer absenkbaren Dachschräge, die K. im Laufe des Prozesses Stück für Stück den Freiraum und die Möglichkeit zur Flucht nahm. Den bürokratischen und grauen Strukturen standen die undurchschaubare Komplexität des Gerichtswesens und vor allem die Frauenrollen, die innerhalb unseres Kurses durch ihr extremes Auftreten für gespaltene Meinungen sorgten, gegenüber.
Besonders gelungen war die schauspielerische Leistung des Josef K. Durch die gekonnte Umsetzung der Emotionen, die sich in Kafkas Werk nur indirekt abzeichnen, wurde der Wandel seiner Einstellung zum Prozess verdeutlicht. Dementsprechend trug auch die hinzugefügte Traumszene eine große Bedeutung für die Gesamtinszenierung.
Anhand der szenischen Umsetzung von »Der Process« konnte sich jeder von uns näher mit der Intention des Werkes auseinandersetzen und neue Sichtweisen für die Interpretation gewinnen.
Während der reflektierenden Verarbeitung der gesammelten Eindrücke schien es uns, als ob durch die Vorfälle des Tages eine große Unordnung verursacht worden sei. War aber einmal diese Ordnung wieder hergestellt, war jede Spur dieser Vorfälle ausgelöscht und alles nahm seinen gewöhnlichen Lauf des Schulalltags auf
In einer Woche ist es soweit. „Der dressierte Mann“ hat am Freitag, dem 02. März, im Komödienhaus Premiere. Geprobt wird bereits fleißig und unser Bühnenbild ist auch schon fast fertig. Wie Ihr auf dem Foto sehen könnt, steht die Regalwand, vor der sich die Komödie um Helen und Bastian abspielt, auch schon. Die Geschichte ist schnell zusammengefasst: Bastian will Helen einen romantischen Antrag machen, da teilt sie ihm mit, dass sie befördert wurde und bald mehr Geld als er verdienen wird. Für Bastian ist der Abend gelaufen, der Heiratsantrag ist vom Tisch. Jetzt treten die beiden Mütter – eine Emanze und ein Weibchen – wortwörtlich aus dem Regal heraus. Parole: Die Heirat findet statt. Spritzig-frisch geht es dann zu, wenn Helen sich von einer Powerfrau in ein powackelndes Geschöpf verwandelt und Bastian, betrunken wie eine Strandhaubitze, die Welt nicht mehr versteht.
Noch ist unser Regal leer. Uns würde interessieren was in Euren Regalen so alles an Gegenständen, Nippes, Kunst, Büchern, Fotos, Maschinen usw. steht.
Also postet ein Foto oder schickt ein Foto bis zum 29.02.2012 an: katrin.schroeder@theater-hn.de Wir sind gespannt!
Am 23., 24. und 25. Februar sind im Großen Haus des Theaters Heilbronn die letzten drei Vorstellungen von Mauro Bigonzettis Tanztheaterabend „La Piaf“ als Gastspiel des Staatstheaters Hannover zu sehen. Beginn der Vorstellung ist jeweils um 19.30 Uhr. Im Juni ist das Ballett aus Hannover dann mit „Gefährliche Liebschaften“ wieder in Heilbronn zu Gast.
Mauro Bigonzetti gilt als führender Choreograf Italiens. Seine Arbeiten stehen für Humor und Sinnlichkeit, Athletik und Schönheit. Bigonzettis Bewegungssprache ist temperamentvoll, er kreiert starke Bilder. Im Auftrag des Staatstheaters Hannover entwickelte er eine abendfüllenden Choreografie über die größte Chansonette aller Zeiten: Edith Piaf. Nun kommt dieser im Mai 2011 uraufgeführte Abend als Gastspiel ans Theater Heilbronn.
»Non, je ne regrette rien« – das Chanson ging um die Welt, und »Nein, ich bereue nichts« war zugleich Lebensmotto seiner Interpretin: Edith Giovanna Gassion, die kleine Frau mit der großen Stimme, wurde als Edith Piaf zur Legende. Ihr Leben gleicht einem Roman aus dem Rotlichtmilieu, der kein Klischee auslässt. Als Kind zieht Edith mit ihrem Vater im Wanderzirkus umher und beginnt zu singen. Mit fünfzehn sorgt sie als Straßensängerin in Paris selbst für ihren Lebensunterhalt und wird wenig später fürs Cabaret entdeckt. Als »La Môme piaf« (kleiner Spatz) hat sie Erfolg und nimmt Schallplatten auf. Ihr Chanson »La Vie en rose« bringt der 31-Jährigen den internationalen Durchbruch. Sie singt von Liebe und Glück, von Abschied und Tod – und alles klingt glaubwürdig, denn sie geht selbst durch alle Höhen und Tiefen. Mit 47 – schwerkrank und drogenabhängig – stirbt »La Piaf«. Sie hinterlässt kein nennenswertes Vermögen, aber rund 300 unsterbliche Lieder.
Mauro Bigonzetti Mauro Bingonzetti wurde in Rom geboren und absolvierte ein Ballettstudium an der Opernschule von Rom. Von dort wurde er 1979 in die angeschlossene Ballettkompanie engagiert und wechselte vier Jahre später zum Aterballetto in Reggio Emilia, wo er zehn Jahre als Tänzer wirkte. In dieser Zeit arbeitete er u.a. mit Alvin Ailey, William Forsythe und Jennifer Muller zusammen. Ebenso wirkte er in zahlreichen Choreographien von George Balanchine und Leonide Massine mit. 1990 gestaltete er seine erste eigene Arbeit »Sei in movimento« für das Teatro Sociale in Grassina. Ab 1993 arbeitete er als freier Choreograph in enger Zusammenarbeit mit dem Balletto di Toscana. Von 1997-2007 war er Künstlerischer Leiter von Aterballetto. Weitere Kreationen sind für bedeutende Ensembles wie das English National Ballet London, Ballet National de Marseille, das Stuttgarter Ballett, das Ballett der Deutschen Oper Berlin und das New York City Ballet entstanden.
Am 13. Mai um 19.30 Uhr schlägt der afrikanische Choreograf Tchekpo Dan Agbetou in seiner Arbeit »Three levels« mit fünf herausragenden Tänzerpersönlichkeiten einen Lebensbogen von der Geburt bis zum Tod.
Mit fünf herausragenden Tänzerpersönlichkeiten beschreibt Tchekpo Dan Agbetou einen Lebensbogen von der Geburt bis zum Tod, von Entstehen, Entfalten und Vergehen.
Dabei beschäftigen ihn Fragen über das Verhältnis von Körper, Gefühl und Seele: »Wie ist der Körper abhängig von der Seele? Wird er durch die Gefühle gelenkt oder lenkt die Seele die Gefühle? Ist der Körper wirklich der Spiegel der Seele? Und ist er das Instrument, das uns ermöglicht, unsere Ideen und Träume auf die Bühne zu bringen?« (T.D.A.) In poetischen Solo- und kraftvollen Gruppensequenzen entfaltet sich seine zeitgenössische Tanzsprache. Bewusst hat er Tänzer gewählt, die verschiedenen afrikanischen Ländern entstammen. Der Choreograf hinterfragt mit ihnen das europäische Stereotyp vom »afrikanischen Körper« und sieht dahinter die Unterschiede, die Regionen und Ethnien hervorbringen. »Was ist der Mensch? Was zeichnet ihn aus, und was macht ihn schwach? Der aus Benin stammende und seit 1995 in Deutschland lebende Choreograf Tchekpo Dan Agbetou hat sich diesen Fragen gestellt und mit seinem aktuellen Stück ebenso aufrüttelnde wie berührende Antworten gefunden. (…) kluges, raffiniert choreografiertes und vom Premierenpublikum begeistert aufgenommenes Tanzstück (…)« (Neue Westfälische)
Nach der Premiere in Bielefeld und Aufführungen in Marrakesch ist Heilbronn der erste Gastspielort in Deutschland für diese Produktion.
Tchekpo Dan Agbetou erlernte zunächst in Benin/Westafrika den traditionellen Tanz. Als Jugendlicher kam er nach Frankreich und studierte Modern und Jazz in Paris und New York, u. a. am Alvin Ailey Dance Theater. 1991 gründete er in Frankreich die Tchekpo Dance Company und kam 1995 nach Deutschland, wo er in Bielefeld das Zentrum für Tanz + Kreativität DANSART eröffnete und die Arbeit mit seiner Company fortsetzte. Erfolgreich werden seine Produktionen seither nicht nur in Europa, sondern auch in Asien, Afrika und den USA gezeigt. 2002 übernahm er die künstlerische Leitung für das jährliche Tanzfestival Bielefeld. 2006 rief er zusätzlich ein Festival für Zeitgenössischen Tanz aus Afrika ins Leben, die BIENNALE PASSAGES.
Produktion: Tchekpo Dance Company, in Koproduktion mit DansArtTanznetworks. Gefördert vom Land Nordrhein-Westfalen und dem Verein der Förderer der Tanzkunst e.V.
Konzept: Tchekpo Dan Agbetou Choreografie: Tchekpo Dan Agbetou mit den Tänzern Dramaturgie: Gilda Rebello Tanz: Michel Kouakou (Elfenbeinküste, USA), Pape Ibrahim N’Diayes »Kaolak« (Senegal, Tschechien), Doudet Grazai (Elfenbeinküste, Frankreich), Lebeau Boumpoutou (Kongo-Brazzaville, Burkina-Faso), Nestor Kouame (Elfenbeinküste, Frankreich) Bühnenbild, Licht, Ton, Video, Lichtdesign Chris Umney, Tchekpo Dan Agbetou Soundmix: Chris Umney Kostüm: Sabina Strunk, Ulla Agbetou
Einer der rechtschaffensten und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit… »Kohlhaas« – Schauspiel nach der Novelle von Heinrich von Kleist in den Kammerspielen
»An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des 16. Jahrhunderts, ein Rosshändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit.« Mit diesem Satz beginnt Heinrich von Kleists Novelle »Michael Kohlhaas«, in der ein fleißiger und gewissenhafter Pferdehändler zum Mörder und Brandstifter wird, weil ihm Unrecht widerfährt. Kleists Novelle ist bis heute einer der stärksten und aktuellsten Texte, wenn es um den Widerspruch zwischen Recht haben und Recht bekommen und um den Kampf des Einzelnen gegen Willkürherrschaft geht. Nun kommt das Schauspiel »Kohlhaas« auf die Bühne der Kammerspiele. Premiere der Inszenierung von Constanze Kreusch mit Tobias D. Weber als Michael Kohlhaas ist am 23. Februar um 20 Uhr. Regisseurin Constanze Kreusch und Dramaturgin Stefanie Symmank haben aus Kleists Novelle eine Bühnenfassung für einen Schauspieler geschrieben. Das Schauspiel bleibt sehr dicht an Kleists Novelle – sowohl in der Handlung als auch in der Sprache. Die Ausstattung von Petra Wilke zitiert in den Kostümen die Entstehungszeit der Novelle und macht im Bühnenbild Kohlhaas’ Weg von einem geordneten bäuerlichen Leben zu einem verzweifelten Kampf um sein Recht sinnlich erfahrbar. Das Stück beginnt am Abend vor der Urteilsverkündung. Kohlhaas, einsam und auf sich geworfen, erzählt seine Geschichte, die ihn bis zu diesem Punkt geführt hat:
Eines Tages ist Kohlhaas mit prachtvollen Tieren auf dem Weg zum Markt nach Dresden. An der Tronkenburg, die einen neuen Junker hat, wird plötzlich ein Passierschein von ihm verlangt, was bisher nie der Fall war. Da er den nicht vorweisen kann, soll er zwei schöne Rappen als Pfand zurücklassen und einen Knecht, der die Tiere so lange versorgt. In Dresden erfährt er, dass das Verlangen des Passierscheins ein reiner Willkürakt des Junkers Wenzel von Tronka war. Vom Markt zurückgekehrt, findet er seine Pferde halb verhungert vor. Sie wurden, ohne ausreichend Futter zu bekommen, zu schwerer Feldarbeit eingesetzt. Der Knecht wurde aus der Burg geprügelt. Kohlhaas zeigt den Vorfall bei Gericht an und wartet geduldig auf die Aufnahme des Verfahrens. Nach einem Jahr erfährt er, dass die Klage dank einflussreicher Verwandter des Junkers abgewiesen wurde. Michael Kohlhaas wendet sich an den Kurfürsten von Brandenburg, der die Bittschrift an den Kurfürsten von Sachsen weiterleitet. Dieser weist Kohlhaas als »unnützen Querulanten« ab. Daraufhin versucht Kohlhaas’ Frau Lisbeth dem Kurfürsten von Brandenburg persönlich eine Bittschrift zu überbringen. Bei der Übergabe wird sie tödlich verletzt. Von nun an nimmt der Pferdehändler das Recht in die eigenen Hand. Mit einer kleinen Schar von Knechten brennt er die Tronkenburg nieder. Der Junker flieht, Kohlhaas verfolgt ihn mit seiner ständig wachsenden Anhängerschaft, die ihn als Würgeengel gegen ihre Unterdrücker sehen, und legt Feuer in den Orten, in denen er den Junker vermutet. Ein Einschreiten Martin Luthers lässt ihn innehalten. Luther handelt für ihn freies Geleit und die Annahme seiner Klage vor Gericht aus. Kohlhaas ist sofort bereit, die Waffen ruhen zu lassen, wenn der Junker seine Pferde wieder gesund füttert und ihm zurückgibt. Wie aber soll das Gericht mit der grausamen Selbstjustiz des Kohlhaas umgehen? Und was hat es mit dem geheimnisvollen Zettel auf sich, von dem eine Zigeunerin behauptet, er werde Kohlhaas dereinst das Leben retten?
1810 schrieb Kleist diese Novelle nach einem authentischen Fall. Das Top-Thema, das in der Zeit, in der Napoleon Europa überrollte, heftig diskutiert wurde, war das Recht auf Widerstand gegen Herrscher- Willkür. Das historische Vorbild von Kleists Titelfigur trug den Namen Hans Kohlhase, wurde um 1500 geboren und 1540 hingerichtet. Noch heute ist dieser Stoff Grundlage für Diskussionen: Welcher Zweck heiligt die Mittel? Wie weit darf man für sein Recht gehen? Welche Chance hat der Einzelne, sich gegen Willkür und Vetternwirtschaft durchzusetzen?
Was für eine Premiere! 90 Minuten lang fast atemlose Spannung im Zuschauerraum, dann begeisterter, nicht enden wollender Jubel, nachdem Matthias Horn den letzten Ton des Liedes „Der Leierkastenmann“ gesungen hatte und das Bühnenlicht langsam erloschen war. Der frenetische Beifall und die Bravorufe galten zuerst dem Sänger, aber auch den Statisten, die ihn szenisch großartig unterstützen. Der Riesenapplaus galt ebenso dem Inszenierungsteam um Christian Marten-Molnár und Nikolaus Porz, die Franz Schuberts „Winterreise“ als Geschichte von Menschen interpretieren, die gesellschaftlich aus der Bahn geworfen wurden. Er galt dem Komponisten Jens Josef, der Schuberts Lieder, die eigentlich für Klavier geschrieben sind, sehr sensibel für Streichorchester arrangierte. Und er galt dem Württembergischen Kammerorchester unter Leitung von Ruben Gazarian, das diese unvergleichliche Musik ganz einfühlsam interpretierte, so dass man unweigerlich berührt wurde. Die heutige Vorstellung der „Winterreise“ ist bereits nahezu ausverkauft. Die nächsten Vorstellungen sind am 3. und 5. April.
… Schauspieler zum Anfassen Nach der letzten Vorstellung vom »Gestiefelten Kater« durften die Kinder mit den Darstellern weiterspielen
Teetrinken mit der Prinzessin, Suppenhuhnzielwurf mit Gustav, Mäusefangen mit dem Kater und Hans oder eine Audienz beim König. Die rund 400 Kinder, die mit ihren Eltern oder Großeltern am Sonntag in die letzte Vorstellung vom „Gestiefelten Kater“ gekommen waren, genossen nicht nur das turbulente Spiel auf der Bühne sondern hinterher auch das Treffen mit den Schauspielern. Mit den Helden, die sie gerade eben noch auf der Bühne beklatscht hatten, nun zu reden und zu spielen, das hatten die Kinder noch nicht erlebt. Die meisten der kleinen Besucher waren selbst verkleidet und wollten auch mal das Katerkostüm anfassen oder wissen, wie sich die Perücke der Prinzessin anfühlt. Auch wichtige Fragen, etwa wie man Schauspieler wird oder wie man die Schminkmaske wieder abbekommt, konnten an diesem Nachmittag geklärt werden. Vor allem bei der Teezeremonie mit der Prinzessin hatten die Kinder reichlich Gelegenheit, ihre vor allem begeisterten Kommentare zu dem Stück loszuwerden, was wiederum für die Schauspieler interessant war. Wann kommt man schon mal so eng in Kontakt mit seinem Publikum? Nach 48 Vorstellungen heißt es jetzt Abschied zu nehmen vom Kater in den Roten Stiefeln (Peter Volksdorf), vom verliebten Müllerburschen Hans (Philipp Lind), von der wilden Prinzessin (Julia Apfelthaler), dem ewig hungrigen König (Rolf-Rudolf Lütgens) und seinem lustigen Diener Gustav (Ivan Gallardo). Aber schon im November gibt es wieder ein großes Märchen im Heilbronner Theater. (Silke Z.)
Am 12. Mai um 19.30 Uhr ist die Compagnie Marie Chouinard aus Montreal mit »bODY_rEMIX/gOLDBERG_vARIATIONS« im Großen Haus zu erleben, einem Stück von virtuoser, verstörender Schönheit. Marie Chouinard verfremdet die Formensprache des Balletts auf einzigartige Weise. Ihre virtuosen Tänzerinnen und Tänzer sind mit Spitzenschuhen an Händen und Füßen ausgestattet. Sie sind an Stangen gefesselt, staksen auf Krücken oder hängen an Seilen und verwandeln sich in Wesen zwischen Mensch, Maschine und Tier.
Body Remix: die kanadische Choreografin Marie Chouinard zerlegt und verfremdet die Formsprache des Balletts auf einzigartige Weise. Ihre virtuosen Tänzerinnen und Tänzer sind mit Spitzenschuhen an Händen und Füßen ausgestattet, an Stangen gefesselt, staksen auf Krücken oder hängen an Seilen. Die Hilfsmittel behindern oder ermöglichen ihre Bewegungen und erzeugen hybride Körperformen zwischen Mensch, Maschine und Tier. Latente Ballett-Erotik wird in aggressive Sexualität gewandelt, mit dem Spitzenschuh als Fetisch und Folterinstrument. Gleichzeitig entsteht ein hyperästhetisches Sinnbild über die Bedingungen der menschlichen Existenz: mit ihrem Gefangen-sein in der physischen Wirklichkeit und dem Streben nach Vollkommenheit und Freiheit. Der Manipulation der Bewegungen entspricht der Umgang mit dem musikalischen Material. Bachs Goldberg-Variationen werden in der berühmten Interpretation von Glenn Gould zum Teil verfremdet, zum Teil original wiedergegeben.
Bereits 2005 entstanden, tourte bODY_rEMIX/gOLDBERG_vARIATIONS um die Welt und ist mit seiner zeitlosen Kraft weiterhin im Repertoire einer der bekanntesten Kompanien Kanadas. Die Choreografin Marie Chouinard wurde in Québec geboren. Seit 1978 entwickelte sie eigene Stücke, die das Publikum oft schockierten und faszinierten. Nach dreißig Soloarbeiten gründete sie 1990 die Compagnie Marie Chouinard. Sie erhielt zahlreiche renommierte Preise und Ehrungen wie den Prix du Québec (2010), Chevalier de L’Ordre des Arts et des Lettres (Frankreich 2009), Officer of the Order of Canada (2007) und den Bessie Award (New York 2000).
Produktion: Compagnie Marie Chouinard. Koproduktion: National Arts Centre (Ottawa), Montréal High Lights Festival, Schlossfestspiele (Ludwigsburg), Théâtre de la Ville (Paris), Biennale von Venedig, White Bird (Portland), mit Unterstützung von ImPulsTanz (Wien).
Choreografie, Künstlerische Leitung: Marie Chouinard Tanz: Valeria Gallucio, Leon Kupferschmid, Lucy M. May, Michael Nameishi, Mariusz Ostrowski, Carol Prieur, Gérard Reyes, Dorotea Saykaly, James Viveiros, Megan Walbaum Musik: Louis Dufort: Variations on the Variations; Johann Sebastian Bach: Goldberg Variationen, Variationen 5, 6, 8; Vocal Extracts of Glenn Gould (A state of Wonder: The Complete Goldberg Variations (1955 & 1981) Licht, Bühne, Requisiten: Marie Chouinard Kostüme, Frisuren: Vandal Technische Leitung: Jean-François Bernier
Unbehaust in einer kalten Welt »Die Winterreise«: Musiktheaterabend nach Franz Schubert in einer Neu-Orchestrierung von Jens Josef Koproduktion mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn
Einmal im Jahr finden sich die beiden wichtigen Kulturinstitutionen der Stadt Heilbronn, das Theater Heilbronn und das Württembergische Kammerorchester Heilbronn, zusammen, um gemeinsam ein Stück Musiktheater auf die Bühne zu bringen, das jenseits des gängigen Repertoires nur selten oder gar nicht in den Spielplänen zu finden ist. Am 17. Februar hat »Die Winterreise« nach dem gleichnamigen Liederzyklus von Franz Schubert Premiere im Großen Haus des Stadttheaters. Der in Kassel lebende Komponist Jens Josef hat die von Schubert für Klavier und Gesangsstimme geschaffenen Lieder für Streichorchester und Bariton bearbeitet. Diese Neu-Orchestrierung der »Winterreise« erlebt an diesem Abend ihre Uraufführung durch das Württembergische Kammerorchester Heilbronn unter Leitung von Ruben Gazarian mit dem Heidelberger Sänger Matthias Horn. Für die Inszenierung zeichnet Christian Marten-Molnár verantwortlich, Musiktheaterregisseur und Chefdramaturg am Theater Heilbronn. Er hat gemeinsam mit dem Bühnen- und Kostümbildner Nikolaus Porz auch die anderen beiden Koproduktionen zwischen dem Heilbronner Theater und dem WKO »Verklärte Nacht« und »sinn_spuren« auf die Bühne gebracht.
Nun also Franz Schuberts »Winterreise«, die in der Orchestrierung von Jens Josef zu einer wahrhaften Theatermusik wird, wie Christian Marten-Monár betont. Der Regisseur hatte schon lange den Wunsch, die »Winterreise« in Szene zu setzen. Da traf es sich gut, dass das Württembergische Kammerorchester in dieser Spielzeit einen Schwerpunkt seiner Arbeit bei Franz Schubert setzt.
»Die Winterreise« als Beschreibung der Situation des Menschen in der Gesellschaft
Christian Marten-Molnár sieht in dem Liederzyklus ein Kunstwerk, das die Situation des Menschen in seiner Zeit beschreibt. Franz Schubert schrieb die Musik zu den Texten von Wilhelm Müller, die in der damals verbotenen Zeitung »Urania« erschienenen waren. Der Winter steht als Symbol für Kälte und eine menschenfeindliche Gesellschaft. Unter dem Deckmantel der Geschichte über eine enttäuschte Liebe beschrieben Müller und Schubert das Grundgefühl der Moderne: Die Unbehaustheit des Menschen in einer kalten Welt. Dies verstanden sie sowohl als Metapher auf die politischen Bedingungen ihrer Zeit: In Österreich fuhr Fürst Metternich einen restaurativen Kurs, der jegliche Form von Liberalismus verbot. Sein ausgeklügeltes Spitzelsystem sorgte dafür, dass jeder Widerstand im Keim ersticken musste. Der Dichter und der Komponist sahen es aber auch als Synonym für die sozialen Missstände ihrer Zeit: Armut, Obdachlosigkeit und Hungersnöte führten zur Verelendung vieler Menschen. Diese bittere Armut hat auch das Leben von Franz Schubert (1797-1828) geprägt. Der heute unsterbliche Schöpfer von 600 Liedern, wunderbaren Sinfonien, Messen und Streichquartetten konnte von seiner Kunst nicht leben und fürchtete, eines Tages verhungern zu müssen. Um Anstellungen als Kapellmeister bewarb er sich vergeblich. Er hatte keine eigene Wohnung, sondern kam immer wieder bei Freunden unter bzw. zog als »Trockenwohner« von Quartier zu Quartier. Schubert erlebte Entbehrung, Hunger, Obdachlosigkeit, also Unbehaustheit am eigenen Leib. In keinem Werk hat Schubert persönlicher über sich erzählt als in der »Winterreise«, die er 1827 schuf. Als er sie zum ersten Mal in seinem Freundeskreis spielte und sang, waren die Freunde erschüttert von der Seelenlage Schuberts, die sich hier offenbarte. Lieder aus diesem Zyklus wie »Der Lindenbaum« oder der »Leierkastenmann« berühren uns noch heute und die 24 Lieder der »Winterreise« gehören zum Schönsten, was es im Genre des Kunstliedes überhaupt gibt.
Inszenierungsidee
Christian Marten-Molnár ließ sich für die Inszenierung dieses Musiktheaterabends vom Leben Schuberts und den politischen Verhältnissen seiner Zeit leiten und wirft mit diesem Abend einen Blick in die Seele eines einsamen, von der Gesellschaft ausgestoßenen Menschen – allerdings eines Menschen unserer Tage. Gemeinsam mit Ausstatter Nikolaus Porz suchte er für die Bühne nach einem Sinnbild für das gesellschaftliche Klima unserer Zeit, einem unbehaglichen Raum, in den »ein Mensch nicht hinein gehört, in dem er nicht leben sollte«. Sie entschieden sich für ein halbfertiges Parkhaus, an dem tagsüber noch gebaut wird und das nachts den Menschen ohne festen Wohnsitz als Unterschlupf dient. Die Tatsache, dass Schubert, der Schöpfer dieser wunderbaren Musik, auch ein Ausgestoßener in seiner Zeit war, lässt uns vielleicht zurückhaltender werden in unserem Urteil gegenüber seinen Leidensgenossen von heute, hofft der Regisseur. Christian Marten-Molnár inszeniert den Abend mit dem Heidelberger Bariton Matthias Horn in der Hauptrolle, der ein ausgewiesener Spezialist der »Winterreise« ist und bereits eine eigene CD-Einspielung dieses Werkes vorgelegt hat. Er verkörpert auf der Bühne diesen Menschen, der aus dem bürgerlichen Leben herausgefallen und an einen Punkt geraten ist, an dem er nur noch sich selbst hat und die Musik Schuberts. Außerdem arbeitet er mit Statistinnen und Statisten des Heilbronner Theaters.
Die Neu-Orchestrierung
Die Komposition Schuberts war 1827 ungeheuer modern und innovativ. Er hat auf dem Gebiet des Liedes Grenzen überschritten wie kurz vorher Beethoven im Bereich der sinfonischen Musik. Durch die Neu-Orchestrierung 2012 von Jens Josef wird die Brücke von Schuberts Zeit ins Heute geschlagen. Grundlage war die Idee für die szenische Umsetzung. Jens Josef selbst sagt dazu: »Der Reiz besteht vor allem darin, dass das Original auf neue Weise gehört werden kann. Farben, mitunter sogar Klänge treten hervor, die zwar im Original angelegt waren, aber zugunsten anderer Schönheiten im Hintergrund blieben.« Zusätzlich hat er aus den Melodien Schuberts elektronische Klänge entwickelt, die für die Geräusche einer großen Stadt stehen.
Musikalische Leitung: Ruben Gazarian Regie: Christian Marten-Molnár Ausstattung: Nikolaus Porz